Wie mächtig ist der Klima­schutz? Zu BVerwG 9 A 7.21 vom 4. Mai 2022

Im vergan­genen Jahr schrieb das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BverfG) dem Gesetz­geber ins Stammbuch, dass die jungen Beschwer­de­führer Anspruch auf mehr Klima­schutz haben als das Klima­schutz­gesetz (KSG) damals vorsah (hierzu hier). Inzwi­schen hat der Bundes­ge­setz­geber nachge­bessert. Doch wie mächtig ist das neue KSG? Ganz konkret: Welche Bedeutung hat § 13 Abs. 1 KSG, der bestimmt, dass die Träger öffent­licher Aufgaben bei ihren Planungen und Entschei­dungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festge­legten Ziele zu berück­sich­tigen haben? Unter anderem mit dieser Frage hat sich das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BverwG) in einem Urteil vom 4. Mai 2022 zum Autobahn­ausbau A 14 beschäftigt (bisher liegt nur die PM vor).

Mit dem Auftrag zur Berück­sich­tigung des Klima­schutzes sei es unver­einbar, so meinte die klagende Umwelt­ver­ei­nigung, dass das Landes­ver­wal­tungsamt Sachsen-Anhalt die Nordver­län­gerung der A 14 per Planfest­stel­lungs­be­schluss genehmigt habe. Ursprünglich hatte der Planungs­träger Klima­schutz­be­lange gar nicht berück­sichtigt, hierzu dann aber in einem Planer­gän­zungs­be­schluss nachge­liefert. Doch den Klägerin reichte dies nicht: Dem Autobahnbau müssen Waldflächen weichen, und die Kläger vermuten, dass die Ausgleichs­maß­nahmen nicht dieselbe Emissi­ons­menge absor­bieren wie die abzuhol­zenden Bäume.

Milchstraße, Sterne, Himmel, Sternenhimmel

Im Ergebnis drangen die Kläger mit dem Argument, das Landes­ver­wal­tungsamt hätte den Klima­schutz beim Autobahnbau zu wenig berück­sichtigt, nicht durch. Auch das Argument, man bräuchte im notorisch dünn besie­delten Sachsen-Anhalt mangels ausrei­chend Verkehrs­auf­kommen gar keinen Lücken­schluss im Autobahnnetz, überzeugte die Richter nicht. Doch bedeutet das, dass das Berück­sich­ti­gungs­gebot im KSG ein zahnloser Tiger ist und Behörden die Norm schnell wieder vergessen dürfen? So scheint es nun auch wieder nicht zu, denn die Richter erklärten, ihnen würden vor allem konkre­ti­sie­rende Vorschriften, Leitfäden oder sonstige Handrei­chungen fehlen. Hier könnte die Verwaltung also mögli­cher­weise noch einmal nachlegen. Und offen bleibt auch: Existiert mögli­cher­weise ein verfas­sungs­recht­liches Gebot, diese Leitfäden o. ä. zu erlassen, um dem Klima­schutz die praktische Bedeutung zu verleihen, die das BVerfG ihm in seiner Entscheidung aus dem April 2021 beigemessen hat? (Miriam Vollmer).

2022-05-06T23:28:29+02:006. Mai 2022|Umwelt, Verwaltungsrecht|

Klima­klage gegen Länder nicht angenommen

Wir hatten hier letzten Sommer schon einmal über Klima­klagen gegen mehrere Bundes­länder berichtet, die vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) anhängig gemacht worden waren. Inzwi­schen wurden die Klagen allesamt vom BVerfG in einem Nicht­an­nah­me­be­schluss nicht zur Entscheidung angenommen.

Bei den Klagen hatten mehrere Minder­jährige unter­stützt durch einen Umwelt­verband gegen die Landes­kli­ma­schutz­ge­setze in Baden-Württemberg, Bayern, Nieder­sachsen, Nordrhein-Westfalen geklagt. Außerdem wollten sie dagegen vorgehen, dass die Landes­ge­setz­geber in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt gesetz­liche Festle­gungen bisher gänzlich vermieden hätten.

Bereits beim Einreichen der Klage war zum einen unklar, ob die Kläger tatsächlich in eigenen Rechten betroffen sein können. Dies vor allem vor dem Hinter­grund, dass das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt auch bei der erfolg­reichen Klima­klage gegen den Bund nicht von einer Schutz­pflicht des Staates ausge­gangen war. Vielmehr hatte der Erste Senat des BVerfG argumen­tiert, dass angesichts einer Festlegung von Klima­zielen in § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2, eine gerechte Aufteilung der daraus resul­tie­renden Lasten erfor­derlich sei. Mit anderen Worten dürfen wir heute nicht auf Kosten der nächsten Genera­tionen CO2 verbrauchen, sondern müssen auf einen ausge­wo­genen Reduk­ti­onspfad achten.

Die Länder sind, so hat das BVerfG nun festge­stellt, von dieser Pflicht nicht gleicher­maßen betroffen. Denn den einzelnen Landes­ge­setz­gebern sei keine wenigstens grob überprüfbare Gesamt­re­duk­ti­ongröße vorge­geben, die sie – auch auf Kosten grund­rechtlich geschützter Freiheit – einzu­halten hätten. Damit entfällt auch die rechtlich vermit­telte eingriffs­ähn­liche Vorwirkung von bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugelas­senen oder tatsächlich erfol­genden Emissionen. Diese hatte das BVerfG für die Bundes­ebene noch angenommen, hinsichtlich der Länder besteht sie nach dem Beschluss des BVerfG dagegen nicht (Olaf Dilling).

2022-02-09T22:53:51+01:009. Februar 2022|Allgemein, Umwelt|

Zur Glasgower Klima­kon­ferenz -„Don’t choose extinction“

Sechs Jahre nach dem Pariser Klima­ab­kommen im Jahr 2015 treffen sich aktuell gerade hochrangige Politiker:innen und Expert:innen aus aller Welt, um auf der UN-Klima­kon­ferenz in Glasgow eine Zwischen­bilanz zu ziehen. Um festzu­stellen, dass das, was getan wird, noch nicht genug ist und um neue Maßnahmen zu ergreifen, die es ermög­lichen sollen das 1,5°C‑Ziel doch noch zu erreichen. Die Zeit, die bleibt, um den Klima­wandel noch zu begrenzen, wird immer knapper. Entspre­chend hoch sind die Erwartungen.

In Vorbe­reitung auf die Klima­kon­ferenz veröf­fent­lichte das UNDP, United Nations Develo­pment Programm, auf ihrer Website einen Beitrag, wie die Klima­kon­ferenz wohl ablaufen würde, wenn Frankie der Dinosaurier eine Rede halten könnte. Seinen eindrucks­vollen Appell an die Mitglieder der Konferenz, sich nicht selbst aussterben zu lassen, sehen Sie hier (es lohnt sich).

Jedoch fehlen für wirklich erfolgs­ver­spre­chende Verhand­lungen wichtige Akteure: insbe­sondere die Abwesenheit des chine­si­schen Präsi­denten Xi Jinping wird heftig kriti­siert, wo China doch der weltweit größte CO2-Emittent ist und einen signi­fi­kanten Beitrag zur Errei­chung der Klima­schutz­ziele leisten könnte. Oder gar müsste.
Nach vielen eindring­lichen Worten und bewegenden Reden der Staats­chefs am Montag bleibt nun abzuwarten, welche dieser Worte letztlich zu verbind­lichen Beschlüssen werden und welche nur leere Worthülsen sind.

(Josefine Moritz)

2021-11-04T23:55:58+01:004. November 2021|Energiepolitik, Energiewende weltweit|