Staatsgeheimnis Pestizid? Zu VG Stuttgart, 14 K 9469/18
Eine interessante Entscheidung zum Umweltinformationsanspruch hat das VG Stuttgart am 10. Juni 2020 getroffen (14 K 9469/18): Hier hatte ein kommunaler Wasserzweckverband Zugang zu den Aufzeichnungen über Pflanzenschutzmittel in einem Wasserschutzgebiet von 2015 bis 2017 verlangt. Konkret ging es um Glyphosat und Neonicotionoide.
Die Behörde, konkret das Regierungspräsidium, lehnte ab. Begründung: Es halte die Informationen nicht vor, denn die Landwirte würden zwar aufzeichnen, aber nur auf Verlangen informieren. Außerdem gewähre das Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) Ansprüche nur bei berechtigtem Interesse, was zwar nicht auszuschließen sei, aber die Behörde hätte dies in Ausübung ihres Ermessens anders beurteilt. Der Aufwand sei zu hoch, außerdem sei ja auch nichts im Wasser.
Diese Begründung überzeugte das VG Stuttgart nicht. Seiner Ansicht nach muss das Regierungspräsidium die Daten zugänglich machen. Grundlage ist §§ 24, 23 Abs. 4 UVwG, eine landesrechtliche Umsetzung des gemeinschaftsrechtlich fundierten Umweltinformationsanspruchs. Das Bundesgesetz PflSchG gehe zwar an sich als Spezialnorm vor, aber verstoße gegen Unionsrecht, weil das Unionsrecht gerade kein qualifiziertes Interesse voraussetzt.
Da es sich bei den verlangten Daten um Umweltinformationen handelt und ein Wasserzweckverband anspruchsberechtigt ist, besteht der Anspruch auf Herausgabe. Laut VG Stuttgart steht dem nicht entgegen, dass das Regierungspräsidium die Daten nicht im Haus“ hat, denn sie werden bei den Landwirten für die Behörde bereitgehalten im Sinne des § 2 Abs. 4 S. 2 UIG. Das VG sieht hier anders als Regierungspräsidium einen Fall der Selbstüberwachung, der ausdrücklich von den gesetzlichen Informationsansprüchen erfasst sein sollte. Da die Daten anonymisiert übergeben werden können, würden auch keine Rechte der beruflichen Verwender – sprich der Landwirte – verletzt (Miriam Vollmer).