Werbung beim eigenen (Grundversorgungs-)Kunden
Die Lehramtsreferendarin Frau X. ist Kundin der Stadtwerke Oberaltheim (SWO), seit sie vor einigen Monaten in ihre jetzige Wohnung eingezogen ist. Unterschrieben hat sie damals nichts, sondern nur kurz informiert, dass sie nun in der Wohnung wohnt. Sie bezieht Strom deswegen als Grundversorgungskundin. Sie zahlt ihre Rechnungen prompt und vollständig, hat ihm auf ein Begrüßungsschreiben hin sogar weitere persönliche Daten zu ihrer Adresse ergänzt, eine ideale Kundin eigentlich, aber trotzdem ist Vertriebsleiter V. nicht zufrieden. Kunden wie Frau X. – jung und gebildet – bleiben dem teuren Grundversorgungstarif der SWO erfahrungsgemäß oft nicht treu. Er würde sie gern ansprechen, um ihr einen günstigen Sonderkundentarif anzubieten, vielleicht auch den Ökostromtarif für ökologisch besonders bewusste Kunden. Aber darf er sie einfach anrufen?
Tatsächlich macht Herr V. sich begründete Sorgen. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG verbietet es nämlich, Verbraucher ohne ausdrückliche Einwilligung anzurufen. Und ausdrücklich eingewilligt hat Frau X. in Anrufe der SWO ja nie. Dass sie Kundin der Stadtwerke ist, ändert daran im Übrigen nichts.
Darf Herr V. ihr einen Brief schreiben? § 7 UWG, der Frau X. vor unzumutbaren Belästigungen schützt, erfasst Briefe nicht. Einen Brief zu erhalten und möglicherweise wegzuwerfen ist ja auch weit weniger belästigend als einen Anrufer abzuwimmeln. Aber neben dem UWG ist auch das BDSG zu berücksichtigen, der in Deutschland besonders gut entwickelte Datenschutz. Danach ist die Datenverwendung an sich ohne Einwilligung unzulässig. Aber es gibt eine wichtige Ausnahme: Das Listenprivileg. Dieses erlaubt die Verwendung von Daten ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung unter anderem auch dann, wenn – wie hier – ein Unternehmen sie zu eigenen Geschäftszwecken erhoben hat.
Die SWO schreiben Frau X. also einen Brief und bieten ihr günstige Tarife an. Aber gerade Werbeschreiben landen oft ungelesen im Müll. Herr V. möchte lieber mailen. Er hat auch eine Mailadresse von Frau X. erhalten, weil sie sich einmal an die Stadtwerke gewandt hatte. Aber eine Einwilligung hat sie nicht. Und die Werbung per Mail ist nicht so hemdsärmelig zu handhaben wie die per Brief. Hier gilt vielmehr wieder § 7 UWG, der für E‑Mails eine Sonderregelung enthält. Hier steht ausdrücklich, dass die Werbung bei Bestandskunden per Mail für ähnliche Waren und Dienstleistungen per Mail zulässig ist, solange kein Widerspruch vorliegt. Schwierig jedoch: Wettbewerbsrechtlich ist Herr V. damit auf der sicheren Seite. Aber datenschutzrechtlich kann er sich für E‑Mails nicht auf das Listenprivileg berufen, das ihm für Briefwerbung das Leben erleichtert. Er braucht eine Einwilligung, und die hat er nicht, nur weil er die E‑Mailadresse besitzt.
Aber Herr V. hat Glück. Das Städtchen Oberaltheim ist klein und Frau X. wohnt auf seinem Heimweg. Als er nach Hause fährt, sieht er sie auf ihrem Balkon. Er hält an und klingelt. Nun sollte man meinen, dass gerade für den Hausbesuch besonders enge Grenzen gelten würden, wenn schon für E‑Mails strenge Restriktionen gelten. Aber ganz im Gegenteil: Aus vermutlich historischen Gründen ist dieser erlaubt, wenn er nicht gerade ausdrücklich unerwünscht ist. Frau X. macht also auf, Herr V. stellt sich ihr kurz vor, begrüßt sie noch einmal in der Grundversorgung und bietet er an, sie künftig als Sonderkundin deutlich günstiger, wenn auch mit längere Kündigungsfrist zu versorgen. Frau X. unterschreibt an Ort und Stelle und gibt bei Gelegenheit auch gleich eine Einwilligungserklärung ab für künftige günstige Angebote.