Vom Baument­scheid zum Berliner Klimaanpassungsgesetz

In Berlin wird demnächst vom Abgeord­ne­tenhaus über ein Klima­an­pas­sungs­gesetz abgestimmt. Der Entwurf dafür wurde maßgeblich durch ein Bürger­be­gehren, dem „Baument­scheid“ initiiert und entwi­ckelt. Aller­dings kommt es jetzt mögli­cher­weise gar nicht zum Bürger­ent­scheid. Das ist für die Initiative keine Enttäu­schung, sondern ein Grund zu feiern: Sie haben bei den Regie­rungs­frak­tionen mit ihrem Anliegen offene Türen einge­rannt. Der Entwurf wurde von ihnen im Wesent­lichen übernommen, so dass die Chancen gut stehen, dass er vom Landes­par­lament verab­schiedet wird.

Für eine Geset­zes­in­itiative, die Klima­an­passung voran­treibt und daneben auch die Stadt „grüner“ macht, ist es tatsächlich höchste Zeit. Angesichts der geringen Bereit­schaft der Bundes­re­gierung, noch etwas Substan­ti­elles für Klima­schutz zu tun, und der politi­schen Großwet­terlage weltweit wird Anpassung immer wichtiger. Hitze­sommer und Stürme, Dürre und Stark­regen werden immer öfter und wir müssen uns darauf einstellen. Bund, Länder und Kommunen müssen dafür sorgen, dass dieses Extrem­wetter die Bevöl­kerung nicht unvor­be­reitet trifft. Klima­schutz und Klima­an­passung dürfen nicht als sich ausschlie­ßende Alter­na­tiven verstanden werden. Sie sollten sich vielmehr ergänzen. 

Schließlich ist der menschen­ge­machte Klima­wandel bereits voll im Gange. Zugleich ist die Stadt­fläche, in der die höchste Bevöl­ke­rungs­dichte herrscht, auch der Teil des Terri­to­riums, in der die Effekte des Klima­wandels am stärksten zu spüren sind: Dies ist so, weil die meisten Flächen versiegelt sind und kein Wasser aufnehmen und speichern können. Außerdem heizen sich Stein‑, Beton und Asphalt­flächen in der Sonne stärker auf als begrünte oder baumbe­standene Flächen. Auch nachts kühlen sie sich kaum ab.

Das Berliner Klima­an­pas­sungs­gesetz ist nicht das erste einschlägige Gesetz zu dem Thema. Vielmehr hat sich auch der Bund schon mit dem Thema befasst und das Bundes-Klima­an­pas­sungs­gesetz (KAnG) erlassen. Warum braucht es also überhaupt ein Gesetz für Berlin? Das KAnG des Bundes fordert bisher vor allem eine vorsor­gende Klima­an­pas­sungs­stra­tegie durch die Bundes­re­gierung bzw die zustän­digen Minis­terien, weiterhin Risiko­ana­lysen sowie einen Monito­ring­be­richt. Auf Bundes­ebene sollen alle Behörden Klima­an­pas­sungs­kon­zepte erstellen. Schließlich sollen alle Behörden bei ihren Planungen und Entschei­dungen das Ziel der Klima­an­passung berück­sich­tigen. Dies bleibt jedoch alles etwas abstrakt – zudem viele der Maßnahmen ohnehin in der Verwal­tungs­kom­petenz der Länder und Gemeinden liegen.

Luftbild von Parkanlage in einer Stadt

In § 9 KAnG lässt der Bund insofern die Möglichkeit offen, dass Länder eigene Klima­an­pas­sungs­ge­setze erlassen, die mit den Vorgaben des Bundes im Einklang sind. Ein Blick in den Entwurf des KAnG Bln demons­triert, dass es auf Ebene eines Stadt­staats durchaus konkreter geht: Dort werden nach mikro­kli­ma­ti­schen Parametern sogenannten Hitze­viertel definiert, die von der Senats­ver­waltung per Beschluss ausge­wiesen werden sollen und in denen Maßnahmen ergriffen werden sollen, um Klima­an­pas­sungs­ziele zu erreichen. Beispiel­weise sollen auf „jeder Straßen­seite und auf allen ausrei­chend breiten Mittel­streifen (…) je Straßen­ab­schnitt im Durch­schnitt mindestens alle 15 Meter ein gesunder Straßenbaum gepflanzt sein“. Weitere Klima­an­pas­sungs­ziele beziehen sich auf die Erreich­barkeit wohnort­naher Grünan­lagen und Regen­was­ser­ver­si­ckerung und auf die Absenkung der Tempe­ratur um mindestens 2°C durch Maßnahmen der blau-grünen Infrastruktur. 

Nun ist Papier bekanntlich geduldig und bei den Maßnahmen handelt es sich um Soll-Vorgaben. Wie wird dafür gesorgt, dass diese Ziele tatsächlich erreicht werden? Das Klima­an­pas­sungs­gesetz sieht in § 5 eine Zustän­digkeit der Senats­ver­waltung für die jährliche Erstellung eines Maßnah­men­ka­talogs für die jewei­ligen Hitze­viertel vor und die schritt­weise Umsetzung durch die Bezirks­ämter vor. Stadt­viertel mit niedrigem sozialen Status sollen dabei vorrangig bedient werden, da hier die Bedin­gungen oft besonders schlecht und die Vulnerabi­lität besonders groß ist.

Über die Hitze­viertel hinaus soll im gesamten Stadt­gebiet ein Mindest­be­stand an Bäumen herge­stellt und erhalten werden. Bei der Flächen­ver­teilung sollen Fahrrad- und Gehwege erhalten bleiben, dagegen ist es nach dem Geset­zes­entwurf zulässig, Parkplätze zu opfern. Dies ist vermutlich auch notwendig, denn ansonsten wäre es kaum realis­tisch, die im Gesetz vorge­sehene Anzahl von Bäumen pro Straßen­ab­schnitt zu pflanzen. Es ist voraus­sehbar, dass es hier zu politi­schen Vertei­lungs­kämpfen kommen wird. Letztlich kann Berlin ein für Menschen erträg­liches Stadt­klima aber nur erhalten, wenn Parkplätze in Baumscheiben umgewandelt werden. Alles andere wäre angesichts des deutlichen Anstiegs der Durch­schnitts­tem­pe­ra­turen und der Häufung von Hitze­sommern kurzsichtig. (Olaf Dilling)

2025-10-22T17:41:18+02:0022. Oktober 2025|Allgemein, Klimaschutz, Kommentar, Umwelt|

Wie geht es bei Batterien weiter? Umsetzung der EU-Batterieverordnung

Der Gesetz­entwurf der Bundes­re­gierung (21/1150) zur Anpassung des Batte­rie­rechts an die EU-Verordnung 2023/1542 (Batte­rie­recht-EU-Anpas­sungs­gesetz) soll die EU-Vorgaben zu Produktion, Kennzeichnung, Entsorgung und Recycling von Batterien in natio­nales Recht überführen. Es handelt sich zwar um eine Verordnung die unmit­telbar in allen Mitglied­staaten gilt, doch muss das nationale Recht angepasst werden. Die Verordnung enthält eine Reihe von Öffnungs­klauseln für den natio­nalen Gesetz­geber sowie konkrete Regelungs­auf­träge. Anpassung des bishe­rigen Batte­rie­ge­setzes sowie Neure­ge­lungen in den bisher nicht geregelten Bereichen sind daher erfor­derlich. Das bisherige Batte­rie­gesetz (BattG) soll durch das Batte­rie­recht-Durch­füh­rungs­gesetz (BattDG) ersetzt werden. Dieses enthält unter anderem Pflichten zur Einrichtung kollek­tiver Sammel­systeme für alle Batte­rie­ka­te­gorien, zur Hinter­legung von Sicher­heits­leis­tungen sowie zur Rückgabe ausge­dienter Batterien von E‑Bikes oder E‑Scootern an kommu­nalen Sammelstellen.

In einer öffent­lichen Anhörung des Umwelt­aus­schusses am Montag, 1. September 2026 wurde nun deutliche Kritik an dem Entwurf deutlich. Insbe­sondere die von der Unions­fraktion benannten Experten äußerten Zweifel. Die jeweils von den Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke benannten Sachver­stän­digen wiederum begrüßten den Gesetz­entwurf grund­sätzlich. Indus­trie­ver­treter wie der Verband der Elektro- und Digital­in­dustrie (ZVEI) warnen vor „Goldplating“, also einer kosten­in­ten­siven Übererfüllung der EU-Vorgaben ohne ökolo­gi­schen Nutzen. Zwar würde der Entwurf keinen Hersteller von Batterien in Deutschland per se benach­tei­ligen, das Goldplating macht jedoch die Bewirt­schaftung von Altbat­terien kompli­zierter und aufwen­diger. Der VKU verlangt prakti­kable Übergangs­fristen für öffentlich-recht­liche Entsor­gungs­träger, während private Entsorger vor der Brand­gefahr durch Lithium-Batterien warnen. Besonders kriti­siert wird, dass das deutsche Gesetz mehr ökolo­gische Kriterien bei der Beitrags­be­rechnung vorsieht als die EU und damit Kosten sowie Bürokratie erhöht. Auch die geplante behörd­liche Abhol­ko­or­di­nation für bestimmte Batterien gilt als Beispiel unnötiger Regulierung.

Der Bundestag stimmt am Donnerstag, 11. September 2025, nach halbstün­diger Aussprache über die geplante Anpassung des Batte­rie­rechts ab. Schauen wir mal, wie es weitergeht. (Dirk Buchsteiner)

2025-09-05T12:19:53+02:005. September 2025|Abfallrecht|

Was ändert sich morgen an der StVO? Ein Überblick.

Wir hatten an dieser Stelle schon einmal über die aktuellen Änderungen der neuen StVO geschrieben. Der Gesetz- und Verord­nungs­ge­bungs­prozess war etwas holprig gewesen und bis zur Veröf­fent­li­chung im Bundes­ge­setz­blatt ist auch wieder einige Zeit vergangen. Aber jetzt ist es soweit.

Verkehrszeichen 230 "Ladebereich"

Neues Verkehrs­zeichen 230: Ladebereich

Was ändert sich? Hier haben wir noch mal die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst:

  • Erleich­terte Ausweisung von Busspuren und Flächen für Fuß- und Radverkehr (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 und Abs. 10 Nr. 2 StVO n.F.): Damit wird die Zuweisung von Flächen an den Umwelt­verbund ausdrücklich von § 45 Abs. 9 StVO ausge­nommen, so dass keine Gefah­renlage und keine „zwingende Gebotenheit“ der Regelung durch Verkehrs­zeichen voraus­ge­setzt werden muss. Insgesamt wird der Nachweis einer ortsbe­zo­genen Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs durch Gründe des Umwelt‑, Klima- und Gesund­heits­schutzes sowie der städte­bau­lichen Entwicklung erweitert.
  • Erwei­terte Gründe für Bewoh­ner­parken (§ 45 Abs. 1b Satz 1 2a und Satz 2 StVO): Diese Regelung soll, basierend auf der ebenfalls refor­mierten Ermäch­ti­gungs­grundlage im Straßen­ver­kehrs­gesetz den Kommunen mehr Spiel­räume bei der Ausweisung von Bewoh­ner­park­zonen geben. Dadurch kann in Zukunft beispiels­weise berück­sichtigt werden, dass bei Ausweisung einer Bewoh­ner­parkzone auch in den umlie­genden Quartieren der Parkdruck vorher­sehbar steigt.
    Der neu einge­fügte Satz 2 ermög­licht auch Bewoh­ner­park­zonen auf Grundlage eines städte­baulich-verkehrs­pla­ne­ri­schen Konzepts zur Vermeidung von schäd­lichen Auswir­kungen auf die Umwelt oder zur Unter­stützung der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung. Das heißt, das Bewoh­ner­parken kann nunmehr auch dazu dienen, Anreize zu umwelt­freund­li­cheren und platz­spa­ren­deren Verkehrs­mitteln zu setzen. Aller­dings muss dies die Leich­tigkeit des Verkehrs berück­sich­tigen und darf die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigen.
  • Erleich­terte Anordnung bestimmter Maßnahmen (§ 45 Abs. 9 S. 4 Nr. 4, 6, 7a, 9 und 10 StVO): Die Anordnung von Tempo 30 wird nun insofern auch für (Nr. 4) Lücken­schlüsse von bis zu 500 m und (Nr. 6) Fußgän­ger­über­wegen,  Spiel­plätzen und hochfre­quen­tierten Schul­wegen erleichtert. Es wird nunmehr nämlich keine quali­fi­zierte Gefah­renlage mit einem erheblich über dem Durch­schnitt liegenden Risiko mehr verlangt. Ebenso erleichtert wird die Einrichtung von Busspuren, Sonder­fahr­streifen und Fußgän­ger­über­wegen. Nach § 45 Abs. 10 Nr. 1 StVO werden Verkehrs­zeichen zur Förderung von Elektro­mo­bi­lität und Carsharing komplett von Abs. 9, also der quali­fi­zierten Gefah­renlage und dem „zwingenden Erfor­dernis“ ausgenommen.
  • Das neue Verkehr­zeichen Nr. 230 „Ladebe­reich“ wird zur Verein­heit­li­chung der Anordnung der bishe­rigen Liefer- und Ladezonen eingeführt.
  • Notbrems­as­sis­tenz­sys­temen müssen bei Lkw über 3,5 t nach dem neuen § 23 Abs. 1d StVO einge­schaltet sein.

Für Kommunen dürfte außerdem inter­essant sein, dass sie nun nach dem § 45 Abs. 1j StVO ein Antrags­recht gegenüber der zustän­digen Straßen­ver­kehrs­be­hörde erhalten, straßen­ver­kehrs­recht­liche Maßnahmen zur Beschränkung des Verkehrs zu beantragen. Dies stärkt die Kommunen bei der Verkehrs­re­gelung, die stark mit den kommu­nalen Aufgaben der Stadt- und Verkehrs­planung verknüpft ist. (Olaf Dilling)

2024-10-10T21:57:52+02:0010. Oktober 2024|Allgemein, Verkehr|