Ashes to Ashes: Die Bundes­re­gierung löscht EUA

Es gehört zu den besser gehüteten Geheim­nissen der deutschen Klima­schutz­po­litik, dass sie bisher zwar bisweilen recht geräuschvoll, aber fast durch­gängig praktisch klima­neutral verlaufen ist. Nehmen wir nur den Kohle­aus­stieg: Die Bundes­re­publik schafft mit dem Kohle­ver­stro­mungs­be­en­di­gungs­gesetz (KVBG) einen ganzen Rechts­rahmen, in dem Braun- und Stein­koh­le­krafte ausge­schrieben oder einfach so fürs Abschalten bezahlt und still­gelegt werden (siehe auch hier). Aber weil alle Kraft­werke, die dem Gesetz unter­fallen, emissi­ons­han­dels­pflichtig sind, sorgt der sogenannte Wasser­bett­effekt erst einmal dafür, dass die Emissionen nicht sinken: Die abgeschal­teten Kraft­werke verbrauchen keine Zerti­fikate mehr. Weil die Nachfrage sinkt, ohne dass das Angebot entspre­chend verringert wird, sinkt der Preis. Bei fallenden Preisen lohnt es sich für andere Akteure wieder, statt zu mindern, zu kaufen. Und wenn das schon augen­blicklich nicht gilt, weil es europaweit eh zu viele Zerti­fikate gibt, füllt sich zumindest die Markt­sta­bi­li­täts­re­serve, einem Konto, auf dem die Kommission Reser­ve­zer­ti­fikate hortet, um sie später wieder auf den Markt zu werfen.

Anders sähe es aus, wenn die Bundes­re­gierung Zerti­fikate löschen würde, die auf Kraft­werke entfallen, die abgeschaltet werden. In diesem Fall tritt der Wasserbett-Effekt nämlich nicht ein. Nachfrage und Angebot sinken im gleichen Maße, so dass nicht jemand anders das CO2 emittiert, das auf die in Deutschland abgeschal­teten Kraft­werke entfällt. Sondern ein echter Einspar­effekt eintritt.Rwe, Kraftwerk, Wolken, Himmel

Tatsächlich hatten sich schon während der Novelle der Emissi­ons­han­dels­richt­linie einzelne Stimmen vor allem bei den Grünen dafür stark gemacht, den Kohle­aus­stieg entspre­chend scharf zu schalten. Durch­ge­setzt haben sie sich nicht. Nun aber will die Bundes­re­gierung offenbar Nägel mit Köpfen machen: Zunächst 12,25 Mio. Berech­ti­gungen sollen erst in die Markt­sta­bi­li­täts­re­serve überführt werden und dann gelöscht.

Dieser Schritt ist für Deutschland alles andere als symbo­lisch. Denn wenn deutsche Zerti­fikate zu Asche zerfallen, kann Deutschland sie nicht mehr verkaufen und erlöst entspre­chend auch nichts. Die 12,25 Mio. Berech­ti­gungen wären selbst bei den aktuell deutlich gefal­lenen Kursen 612,5 Mio. EUR wert. Zum Vergleich: Der umstrittene Erwei­te­rungsbau für das Kanzleramt soll 637 Mio. EUR kosten. Deutschland signa­li­siert auf diese Weise, dass es trotz knapper Kassen und Schul­den­bremse den Klima­schutz ernst nimmt (Miriam Vollmer).

2024-02-23T22:41:23+01:0023. Februar 2024|Emissionshandel, Energiepolitik|

Emissi­ons­handel: Frisst Corona EUAs?

Was für eine harte Bremsung: Schon 650.000 Unter­nehmen in Deutschland haben Kurzarbeit beantragt. Viele dieser Unter­nehmen sind im Dienst­leis­tungs­ge­werbe zuhause oder gehören der Kreativ­wirt­schaft an, aber auch in den Unter­nehmen des produ­zie­renden Gewerbes macht sich bemerkbar, dass die Nachfrage aus In- wie Ausland rapide nachge­lassen hat. Und auch Unter­nehmen, die weiter­ar­beiten, bemerken die sinkende Nachfrage.

Diese Entwicklung ist deutlich an der Entwicklung der Strom­nach­frage und des Kurses für Emissi­ons­be­rech­ti­gungen abzulesen. Doch auch wenn die Kosten für EUA nun deutlich nachge­lassen haben: Noch deutlich günstiger werden die Zerti­fikate schon wegen des Marksta­bi­li­täts­me­cha­nismus nicht werden, der bei mehr als 800 Mio. Berech­ti­gungen im Umlauf Zerti­fikate auf einem Kommis­si­ons­konto „parkt“, um einen weiteren Preis­verfall zu stoppen. Emissi­ons­be­rech­ti­gungen bleiben damit eine relevante Ressource für Unter­nehmen, deren Anlagen dem Treib­hausgas-Emissi­ons­han­dels­gesetz (TEHG) unter­fallen. Damit stellt sich die Frage: Wie wirkt sich ein Rückgang der Produktion auf die Zuteilung kosten­loser Zerti­fikate aus?

In der aktuell laufenden 3. Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­handels regelt § 21 der Zutei­lungs­ver­ordnung 2020 (ZuV 2020) den Fall einer ohne vorher­ge­hende technische Maßnahme rückläu­figen Auslastung. Hier ist angeordnet, dass bei Auslas­tungs­rück­gängen von Zutei­lungs­ele­menten (z. B. das Produkt „Pappe“ oder „Dampf“) von 50% oder mehr die Zuteilung reduziert wird. Doch ein Blick in § 21 Abs. 2 ZuV 2020 zeigt: Diese Verrin­gerung der kosten­losen Zuteilung greift erst im nächsten Kalen­derjahr. Das nächste Kalen­derjahr ist 2021. Aber 2021 ist nicht mehr Teil der 3. Handel­s­pe­riode des Emissi­ons­hanndels, so dass auch die für diese Handel­s­pe­riode geltende ZuV 2020 nicht mehr gilt.Interessant sind also die Zutei­lungs­regeln der nächsten Handelsperiode.

Die Regeln für Auslas­tungs­rück­gänge in der nächsten Handel­s­pe­riode von 2021 bis 2030 sind in der DVO 2019/1842 geregelt (hier im Detail erläutert). Hier ist detail­liert geregelt, wann die – beantragte, aber noch nicht vollzogene – Zuteilung für emissi­ons­han­dels­pflichtige Anlagen angepasst wird. Generell soll eine solche Anpassung nach oben und unten statt­finden, wenn 15% oder mehr von der Auslastung abgewichen wird, die der Zuteilung zugrunde liegt.

Erfreulich immerhin: Anders als in der dritten Handel­s­pe­riode wird die Korrektur in Zukunft auf Grundlage von zwei und nicht nur von einem Kalen­derjahr statt­finden. Das bedeutet, dass selbst wenn 2020 wegen der Corona­krise schlechter ausfallen als der der Zuteilung zugrunde liegende Zeitraum, immerhin noch jeweils ein weiteres Jahr poten­ti­eller ausglei­chend wirkt: Für die Zuteilung 2021 kommt es auf 2019 und 2020 an. Für 2022 wird es auf 2020 und 2021 ankommen.

Insofern steht für viele Unter­nehmen zu hoffen, dass der aktuelle Einbruch sich durch den gegenüber der 3. Handel­s­pe­riode verlän­gerten Vergleichs­zeitraum relati­viert und mögli­cher­weise ganz ausgleicht, so dass es gar nicht zu einer Zutei­lungs­re­du­zierung kommt. Unter­nehmen, die mit mehreren Anlagen produ­zieren, sollten die Grenze von 15% aber im Blick behalten: Zwei Anlagen mit Auslas­tungs­rück­gängen von je 14% sind zutei­lungs­öko­no­misch vorteil­hafter als 16% und 14% (Miriam Vollmer).

2020-04-14T19:06:53+02:0014. April 2020|Emissionshandel|