Der ausge­plau­derte Ermes­sens­fehler: Die Entscheidung zur Räumung im Hambacher Forst

Sie haben es alle gelesen: Das VG Köln hat die Räumung des Hambacher Forstes 2018 gestern für rechts­widrig erklärt (23 K 7046/18). Der Polizei­einsatz, zu dem das Land NRW die Stadt Kerpen angewiesen hat, war rechtswidrig.

Besonders inter­essant: Dasselbe Gericht, das nunmehr die Maßnahme als rechts­widrig ansieht, war im Eilver­fahren mit Beschluss vom 13. September 2018, 23 L 2060/18, noch anderer Ansicht. Nun kommt es durchaus nicht ganz selten vor, dass bei der im Eilver­fahren gebotenen summa­ri­schen Prüfung eine Maßnahme durchgeht, die sich beim genaueren Hinschauen im Haupt­sa­che­ver­fahren später als proble­ma­tisch erweist. Doch hier ist die Begründung des Gerichts, auf die dieses an promi­nenter Stelle in der Presse­mit­teilung (Gründe liegen noch nicht vor) hinweist, besonders inter­essant: Das Gericht stützt seine Entscheidung maßgeblich darauf, dass sich der Brand­schutz, mit dem die Räumung 2018 begründet wurde, nur ein Vorwand gewesen sei.

Das lag 2018 nach Ansicht von Umwelt­schützern bereits nahe, bewiesen war es aber nicht. Diesen Beweis lieferte ein Video vom 2. September 2019, also gut ein Jahr nach der ersten Entscheidung des Gerichts im Eilver­fahren. In diesem Video offenbart der nordrhein-westfä­lische Minis­ter­prä­sident Laschet, er habe nach einem Vorwand gesucht, denn er habe den Wald räumen lassen wollen. Das Gericht weiß also heute schlicht mehr als 2018.

Baumhaus, Baum, Himmel, Natur, Baumhütte, Holz

(das ist nicht im Hambacher Forst)

Wieso aber macht es überhaupt einen Unter­schied, ob der Brand­schutz ein reales Anliegen oder ein Vorwand war? Reicht es nicht, dass es hier überhaupt nicht geneh­migte bauliche Anlagen gab, die unzurei­chend gegen Brände geschützt waren? Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Die Ursache liegt in der Ermes­sens­lehre, also den Regeln, die gelten, wenn es kein klares Wenn-Dann-Verhältnis gibt, sondern Abwägungs­ent­schei­dungen getroffen werden müssen. Eine solche Abwägungs­ent­scheidung ist die Frage, wie das Bauord­nungs­recht durch­ge­setzt werden soll.

Zu den anerkannten Ermes­sens­fehlern gehört es, wenn eine Behörde eine Maßnahme auf einen anderen Grund stützt als sie angibt. In solchen Fällen liegt ein Ermes­sens­miss­brauch vor, der nach § 114 VwGO gerichtlich überprüft wird. Nun hat das VG Köln ja auch noch einige andere Punkte bemängelt. Doch den Kern der Argumen­tation hat der Minis­ter­prä­sident wohl unabsichtlich selbst geliefert, als er zugab, dass es in Wirklichkeit nicht um den Brand­schutz ging (Miriam Vollmer).