Kein Bestands­schutz für zerstörten Camping­platz an der Ahr

Vermutlich ist dem Verwal­tungs­ge­richt (VG) Koblenz die Entscheidung nicht leicht gefallen: Ein Inhaber eines Camping­platzes an der Ahr wurde die Anlage in der Hochwas­ser­ka­ta­strophe 2021 zerstört. Zerstört ist jetzt auch die Aussicht auf den Wieder­aufbau. Denn das VG hat der Baube­hörde recht gegeben, die den Wieder­aufbau des Camping­platzes nicht zulässt.

An sich wäre eine Camping­anlage nach der typischen Definition der Bauord­nungen der Länder auch keine – jeden­falls keine einheit­liche – bauliche Anlage im baurecht­lichen Sinne. Denn bauliche Anlagen sind demnach mit dem Erdboden verbundene, aus Baupro­dukten herge­stellte Anlagen, so auch § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO RP. Aller­dings gibt es nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 LBauO RP eine gesetz­liche Fiktion, nach der auch Camping­plätze bauliche Anlagen sind.

Dies war zum Zeitpunkt der Errichtung des Camping­platzes an der Ahr noch nicht der Fall. Denn aus dieser Zeit gibt es keine Bauge­neh­migung für die gesamte Anlage, sondern nur für zwei Funkti­ons­ge­bäude. Für den Camping­platz insgesamt gibt es nur eine gewer­be­recht­liche Zulassung aus dem Jahr 1969. Dass der Camping­platz bis unmit­telbar vor der Katastrophe zulässig war, lag insofern am Bestands­schutz. Die Recht­spre­chung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts besagt nämlich, dass eine Anlage, die in der Vergan­genheit dem Baurecht entsprach, aufgrund der Eigen­tums­freiheit in ihrem Bestand geschützt ist. Nachträglich geänderte Anfor­de­rungen wie das Erfor­dernis einer Bauge­neh­migung spielen insofern keine Rolle.

Voraus­setzung für diesen Bestand ist jedoch der Fortbe­stand der Anlage. Im Fall des Camping­platzes war die Infra­struktur der Anlage durch das Wasser und Sedimente vollkommen zerstört worden. Auch von den beiden geneh­migten Gebäuden standen nur noch die Mauern. Daher konnte, wie das VG Koblenz beschlossen hat, der Eigen­tümer sich nicht mehr auf den Bestand­schutz berufen. Was für den Kläger eine indivi­duelle Härte darstellt, ist aller­dings vor dem Hinter­grund öffent­licher Belange nachvoll­ziehbar. Bei einer Neuerrichtung sollte zumindest geprüft werden, ob die Anlage angesichts des Risikos einer weiteren Flut unter baurecht­lichen Gesichts­punkten sicher zu errichten ist. (Olaf Dilling)

 

2023-09-13T20:43:50+02:0013. September 2023|Umwelt, Verwaltungsrecht|

Wenn Weniger mehr ist – VGH Mannheim zu den Grenzen des Bestandsschutzes

Wer kennt es nicht? Irgendwann wird jeder Schuppen, jedes Haus, jede Anlage baufällig und bedarf der Renovierung. Häufig ist dies Anstoß dafür, schon lange geplante Umbau- und Renovie­rungs­pro­jekte tatsächlich in die Tat umzusetzen. Sobald die Finan­zierung steht und ein Bauun­ter­nehmen gefunden ist, das die Renovierung ausführt, sollte man meinen, stünde der Reali­sierung der lang ersehnten Moder­ni­sierung eigentlich nichts mehr im Wege. Aber vorsichtig, denn wer zu viel ändert, kann unter Umständen alles verlieren.

Grund­sätzlich gilt im Baurecht der Grundsatz des (passiven) Bestands­schutzes. Das heißt, eine bauliche Anlage, die einst von der Behörde genehmigt wurde, gilt in diesem Umfang fortwährend als recht­mäßig, auch wenn sie tatsächlich nicht (mehr) baurechtlich zulässig ist. Dementspre­chend darf die Behörde nicht den Abriss einer solchen Anlage mit der Begründung anordnen, die Anlage sei nicht (mehr) baurechtlich zulässig. Die Anlage genießt insoweit Bestands­schutz. Dies gilt grund­sätzlich – auch wenn dies im Einzelnen umstritten ist – selbst dann, wenn die bauliche Anlage nie genehmigt wurde, aber für einen bestimmten Zeitraum den baurecht­lichen Anfor­de­rungen entsprach.

Der Bestands­schutz unterläge aller­dings einem natür­lichen Verfalls­datum, wenn die nicht mehr baurechtlich zulässige, aber Bestands­schutz genie­ßende Anlage nicht repariert und Instand gehalten werden dürfte. Daher sind auch sog. Instand­hal­tungs­maß­nahmen vom passiven Bestands­schutz umfasst. Die Grenze liegt aller­dings dort, wo Änderungen an der Anlage vorge­nommen werden oder es sich um eine Neuerrichtung handelt. Ein sog. aktiver Bestands­schutz, der auch die Möglichkeit von Moder­ni­sie­rungs- und Erwei­te­rungs­maß­nahmen umfasst, wird heute weitest­gehend einhellig abgelehnt. Wo genau liegt aber die Grenze zwischen einer vom Bestands­schutz noch geschützten Instand­hal­tungs­maß­nahme und einer nicht mehr geschützten Änderung? Genau mit dieser Abgren­zungs­frage hat sich der Verwal­tungs­ge­richtshof (VGH) Mannheim in seinem Urteil vom 19.5.2020 näher auseinandergesetzt.

Geklagt hatte der Eigen­tümer eines Grund­stücks, der einen zweistö­ckigen Schuppen an der Grenze seines Grund­stücks renovieren wollte. Das Dach des Schuppens sollte neu errichtet und auf einer Seite erhöht werden. Nachdem der Kläger bereits mit der Bautä­tigkeit begonnen hatte, ordnete die zuständige Behörde die Einstellung der Arbeiten an. Hiergegen sowie gegen die Ablehnung der von ihm daraufhin beantragten Bauge­neh­migung für die Renovierung seines Schuppens wehrte sich der Kläger erfolglos vor dem Verwal­tungs­ge­richt Karlsruhe. Der VGH Mannheim bestä­tigte die Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts und sah die Einstel­lungs­ver­fügung der Behörde sowie die Ablehnung der Bauge­neh­migung als recht­mäßig an. Der Kläger muss nun nicht nur von der Fortsetzung seiner Renovie­rungs­maß­nahmen Abstand nehmen, sondern wohl vielmehr auch seinen renovierten „alten“ Schuppen abreißen.

Der VGH Mannheim begründete seine Entscheidung vor allem damit, dass das Vorhaben des Klägers gerade keine Instand­hal­tungs­maß­nahme mehr sei, sondern vielmehr eine teilweise Neuerrichtung. Auf Bestands­schutz könne sich der Kläger daher nicht berufen. Vielmehr sei eine neue Geneh­migung erfor­derlich, welcher jedoch die Nicht­ein­haltung der landes­recht­lichen Abstands­re­ge­lungen entgegenstehe.

Eine Instand­hal­tungs­maß­nahme, so der VGH Mannheim, läge vor, wenn die Maßnahmen der Erhaltung des bestim­mungs­ge­mäßen Gebrauchs einer Anlage oder ihrer baulichen Substanz dienen. Es müsse also gerade um die Besei­tigung der durch Abnutzung, Alterung oder Witte­rungs­ein­flüsse entstan­denen baulichen und sonstigen Mängel gehen. Die Identität der Anlage, d.h. ihr äußeres Erschei­nungsbild, sowie ihr Nutzungs­zweck dürften dabei nicht geändert werden. Keine Instand­hal­tungs­maß­nahme sei es, wenn die Baumaß­nahmen ihrer Qualität nach so intensiv seien, dass sie die Stand­fes­tigkeit der Anlage berühren, sodass eine statische Nachbe­rechnung der gesamten Anlage notwendig würde, oder wenn der Arbeits­aufwand seiner Quantität nach den für eine neue Anlage erreiche oder gar übersteige. Ein Auswechseln tragender Gebäu­de­teile könne im Einzelfall aller­dings durchaus noch eine Instand­hal­tungs­maß­nahme darstellen, denn auch solche Gebäu­de­teile seien dem Alterungs­prozess ausgesetzt.

Der Kläger durfte damit zwar auch im Rahmen des passiven Bestands­schutzes tragende Dachbalken austau­schen. Die Grenze zur Neuerrichtung war jedoch dadurch überschritten, dass der Kläger das Dach durch die Erhöhung insgesamt geändert hatte. Dass der Schuppen zuvor ähnlich gestaltet war, spielte dabei keine Rolle.

Ferner kam hinzu, dass der Umfang der Renovie­rungs­maß­nahme einem Neubau gleichkam. Denn der Kläger hatte nahezu das gesamte Stütz­kon­strukt ersetzt und aufgrund der schwe­reren Ausführung des Daches musste zudem eine Neube­rechnung der Statik vorge­nommen werden.

Wenn also die Renovierung einer bestehenden Anlage ansteht, sollte man bei umfang­rei­cheren Maßnahmen stets vorher prüfen, ob es sich noch um eine Instand­hal­tungs­maß­nahme handelt. Wird das äußere Erschei­nungsbild geändert oder kommen die Renovie­rungs­maß­nahmen von ihrem Umfang her einem Neubau gleich, so handelt es sich um eine nicht mehr vom Bestands­schutz umfasste Änderung, deren baurecht­liche Zuläs­sigkeit neu zu beurteilen ist. Bevor mit den Renovie­rungs­maß­nahmen begonnen wird, sollte dann geprüft werden, ob die geplante Änderung überhaupt baurechtlich zulässig ist. Ansonsten kann es passieren, dass allein aufgrund der Renovierung die gesamte Anlage abgerissen werden muss. In einem solchen Falle gilt daher: Weniger ist mehr (Fabius Wittmer)

2020-07-22T11:09:44+02:0022. Juli 2020|Verwaltungsrecht|