Happy Birthday: 1 Jahr Ersatzbaustoffverordnung

Wir feiern den ersten Geburtstag der Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung (EBV). Seit ihrem Inkraft­treten der am 1. August 2023 gelten erstmals bundes­ein­heit­liche Regelungen für die Herstellung, die Unter­su­chung und den Einbau von minera­li­schen Ersatz­bau­stoffen (MEB).

Der Weg zur Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung war lang und steinig. Minera­lische Abfälle stellen mit Abstand den größten Massestrom an Abfällen dar. Umso wichtiger ist es daher, die Kreis­lauf­wirt­schaft im Hinblick auf minera­lische Abfälle und damit den Ressour­cen­schutz zu stärken. Die Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung dient quasi als Charme­of­fensive für mehr Akzeptanz hinsichtlich minera­li­scher Ersatz­bau­stoffe. Zugegeben, allein der Begriff „Ersatz­bau­stoff“ klingt immer irgendwie nach zweiter Wahl. Dennoch: Durch Ablösung des regula­to­ri­schen Flicken­tep­pichs, der LAGA M 20 und der LAGA TR Boden 2004 und von „Recycling-Erlassen“ der Länder sollte durch eine bundes­ein­heit­liche Regelung endlich alles schön und einfach werden.

In der Praxis reibt man sich jedoch die Augen und stellt fest: ganz so schön und einfach ist es bisher nicht geworden. Komplette Einigkeit zwischen den Bundes­ländern zum jewei­ligen Vorgehen im Hinblick auf die EBV gibt es nicht. Teilfragen sind weiterhin nicht abschließend geklärt. So ist die Frage, ob am Ende der Herstellung eines MEB dann auch das Ende der Abfall­ei­gen­schaft erreicht ist und was dies wiederum bedeutet – gerade auch im Hinblick auf den und im Verhältnis zum Primär­roh­stoff. „Vollzug mit Augenmaß“ heißt es zwar von Behör­den­seite, aber vielfach sind die Entsorger mit ihren Problemen allein. Im Wettbewerb mit „Frisch­ge­stein“ gerät der MEB dann preislich auch ins Hinter­treffen: Viel Aufwand für wenig Ertrag? Wie gut, dass wenigstens die öffent­liche Hand in Ausschrei­bungen auf MEB besteht. Oder?

In der Praxis sehen wir aller­dings, dass ein MEB den Anfor­de­rungen der EBV entsprechen mag und damit sicher­ge­stellt ist, dass sein Einsatz keine schäd­lichen Auswir­kungen auf Boden und Grund­wasser hat. Dennoch erscheinen MEB so manchem öffent­lichen Auftrag­geber irgendwie suspekt, so dass sie trotz entspre­chender Eignung für den gewünschten Verwen­dungs­zweck im Rahmen der Ausschreibung ausge­schlossen werden. Gerade hier muss sich etwas ändern. Mehr Mut zu MEB und weniger Diskri­mi­nierung! Schließlich kann es nicht Sinn und Zweck sein, dass es anstelle einer Stärkung der Kreis­lauf­wirt­schaft im Ergebnis dann doch zu einer Stoff­strom­ver­schiebung Richtung Deponie kommt. (Dirk Buchsteiner)

 

2024-08-23T18:36:20+02:0023. August 2024|Abfallrecht|

Verga­be­recht: Zusam­men­arbeit ist nicht gleich „Zusam­men­arbeit“

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat (in der Rechts­sache Remondis ./. Abfall­zweck­verband Rhein-Mosel, C‑429/19)  jüngst entschieden, dass nicht jede Zusam­men­arbeit von Kommunen eine solche „Zusam­men­arbeit“ darstellt, die vom Anwen­dungs­be­reich des Verga­be­rechts nach dem Gesetz gegen Wettbe­werbs­be­schrän­kungen (GWB) ausge­nommen ist. Ein öffent­liches Verga­be­ver­fahren kann auch in diesem Bereich weiterhin erfor­derlich sein.

In dem der Entscheidung des EuGH zu Grunde liegenden Rechts­streit hatte sich die Remondis GmbH, ein privates Unter­nehmen, das im Bereich der Abfall­wirt­schaft tätig ist, gegen eine Verein­barung des Abfall­zweck­ver­bandes Rhein-Mosel-Eifel mit dem Landkreis Neuwied gewendet. Hierin war vereinbart worden, dass der Landkreis die Abfälle, für deren Entsorgung der Zweck­verband zuständig ist, in seiner biome­cha­ni­schen Abfall­be­hand­lungs­anlage zur Abtrennung von Wertstoffen und heizwert­reichen Abfällen behandelt. Im Gegenzug verpflichtete sich der Zweck­verband dazu, einer­seits die nach dem Behand­lungs­vorgang verblei­benden Deponie­rungs­reste zurück­zu­nehmen und zu entsorgen sowie anderer­seits ein entspre­chendes Entgelt an den Landkreis zu zahlen.

Remondis sah darin einen öffent­lichen Auftrag, der auch öffentlich hätte ausge­schrieben werden müssen – sprich eine unzulässige Direkt­vergabe. Der damals gültige Schwel­lenwert für die Ausschrei­bungs­pflicht nach GWB von 221 000 Euro war mit einem Auftrags­vo­lumen von ca. 1 Mio. Euro jährlich auch überschritten.

Während die zuständige Verga­be­kammer Rheinland-Pfalz der Ansicht war, dass es sich bei der Verein­barung der Kommunen um eine „Zusam­men­arbeit“ öffent­licher Auftrag­geber im Sinne von § 108 Abs. 6 GWB handelt, sodass das Verga­be­recht keine Anwendung finden würde, war sich das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Koblenz vor dem Hinter­grund der § 108 Abs. 6 GWB zu Grunde liegenden europäi­schen Verga­be­richt­linie 2014/24 nicht sicher, ob es sich tatsächlich um eine „Zusam­men­arbeit“ handelt. Es setzt daher das Verfahren aus und legte dem EuGH vor.

Dieser entschied nun, dass eine bloße Kosten­er­stattung nicht ausrei­chend ist, um eine „Zusam­men­arbeit“ öffent­licher Auftrag­geber zu bejahen. Ansonsten wäre jede Verein­barung zwischen öffent­lichen Stellen vom Anwen­dungs­be­reich des Verga­be­rechts ausge­schlossen, was aber dem 31. Erwägungs­grund der Richt­linie wider­spräche. Vielmehr bedarf es einer „gemein­samen Strategie“. Die Verein­barung müsse das Ergebnis eine Initiative beider Parteien zur Zusam­men­arbeit sein. Hierfür sei eine gemeinsame Definition des Bedarfs sowie der Lösung erfor­derlich. Eine einseitige Bedarfs­prüfung und – definition reiche gerade nicht und sei vielmehr Wesen eines normalen ausschrei­bungs­pflich­tigen öffent­lichen Auftrags. Im vorlie­genden Fall reiche daher nicht aus, dass der Zweck­verband sich verpflichtet hat, ein entspre­chendes Entgelt zu zahlen und die Restab­fälle nach dem Abfall­be­hand­lungs­vorgang wieder zurück­zu­nehmen. Ebenfalls könne eine Klausel, die lediglich eine Absichts­er­klärung zur „Zusam­men­arbeit“ darstellt, nicht eine tatsäch­liche „Zusam­men­arbeit“ begründen. Aufgabe des OLG Koblenz ist es, nun zu entscheiden, ob unter diesen Voraus­set­zungen tatsächlich eine „Zusam­men­arbeit“ zwischen dem Zweck­verband und dem Landkreis vorliegt.

Für Kommunen gilt daher: Sie sollten künftig prüfen, ob tatsächlich eine „Zusam­men­arbeit“ im Sinne von § 108 Abs. 6 GWB vorliegt, wenn sie mit anderen Kommunen eine Koope­ration mit einem Auftrags­vo­lumen von über 214 000 Euro (aktuell gültiger Schwel­lenwert) eingehen wollen. Liegt keine gemeinsame Strategie vor, so ist zwingend das öffent­liche Verga­be­recht nach dem GWB zu beachten (Fabius Wittmer).

2020-06-11T15:51:54+02:0011. Juni 2020|Umwelt, Wettbewerbsrecht|