Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat (in der Rechtssache Remondis ./. Abfallzweckverband Rhein-Mosel, C‑429/19) jüngst entschieden, dass nicht jede Zusammenarbeit von Kommunen eine solche „Zusammenarbeit“ darstellt, die vom Anwendungsbereich des Vergaberechts nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ausgenommen ist. Ein öffentliches Vergabeverfahren kann auch in diesem Bereich weiterhin erforderlich sein.
In dem der Entscheidung des EuGH zu Grunde liegenden Rechtsstreit hatte sich die Remondis GmbH, ein privates Unternehmen, das im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, gegen eine Vereinbarung des Abfallzweckverbandes Rhein-Mosel-Eifel mit dem Landkreis Neuwied gewendet. Hierin war vereinbart worden, dass der Landkreis die Abfälle, für deren Entsorgung der Zweckverband zuständig ist, in seiner biomechanischen Abfallbehandlungsanlage zur Abtrennung von Wertstoffen und heizwertreichen Abfällen behandelt. Im Gegenzug verpflichtete sich der Zweckverband dazu, einerseits die nach dem Behandlungsvorgang verbleibenden Deponierungsreste zurückzunehmen und zu entsorgen sowie andererseits ein entsprechendes Entgelt an den Landkreis zu zahlen.
Remondis sah darin einen öffentlichen Auftrag, der auch öffentlich hätte ausgeschrieben werden müssen – sprich eine unzulässige Direktvergabe. Der damals gültige Schwellenwert für die Ausschreibungspflicht nach GWB von 221 000 Euro war mit einem Auftragsvolumen von ca. 1 Mio. Euro jährlich auch überschritten.
Während die zuständige Vergabekammer Rheinland-Pfalz der Ansicht war, dass es sich bei der Vereinbarung der Kommunen um eine „Zusammenarbeit“ öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 108 Abs. 6 GWB handelt, sodass das Vergaberecht keine Anwendung finden würde, war sich das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz vor dem Hintergrund der § 108 Abs. 6 GWB zu Grunde liegenden europäischen Vergaberichtlinie 2014/24 nicht sicher, ob es sich tatsächlich um eine „Zusammenarbeit“ handelt. Es setzt daher das Verfahren aus und legte dem EuGH vor.
Dieser entschied nun, dass eine bloße Kostenerstattung nicht ausreichend ist, um eine „Zusammenarbeit“ öffentlicher Auftraggeber zu bejahen. Ansonsten wäre jede Vereinbarung zwischen öffentlichen Stellen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgeschlossen, was aber dem 31. Erwägungsgrund der Richtlinie widerspräche. Vielmehr bedarf es einer „gemeinsamen Strategie“. Die Vereinbarung müsse das Ergebnis eine Initiative beider Parteien zur Zusammenarbeit sein. Hierfür sei eine gemeinsame Definition des Bedarfs sowie der Lösung erforderlich. Eine einseitige Bedarfsprüfung und – definition reiche gerade nicht und sei vielmehr Wesen eines normalen ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrags. Im vorliegenden Fall reiche daher nicht aus, dass der Zweckverband sich verpflichtet hat, ein entsprechendes Entgelt zu zahlen und die Restabfälle nach dem Abfallbehandlungsvorgang wieder zurückzunehmen. Ebenfalls könne eine Klausel, die lediglich eine Absichtserklärung zur „Zusammenarbeit“ darstellt, nicht eine tatsächliche „Zusammenarbeit“ begründen. Aufgabe des OLG Koblenz ist es, nun zu entscheiden, ob unter diesen Voraussetzungen tatsächlich eine „Zusammenarbeit“ zwischen dem Zweckverband und dem Landkreis vorliegt.
Für Kommunen gilt daher: Sie sollten künftig prüfen, ob tatsächlich eine „Zusammenarbeit“ im Sinne von § 108 Abs. 6 GWB vorliegt, wenn sie mit anderen Kommunen eine Kooperation mit einem Auftragsvolumen von über 214 000 Euro (aktuell gültiger Schwellenwert) eingehen wollen. Liegt keine gemeinsame Strategie vor, so ist zwingend das öffentliche Vergaberecht nach dem GWB zu beachten (Fabius Wittmer).
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