Alles Abfall oder? Das Ende vom Abfal­lende für minera­lische Abfälle?

Kreis­lauf­wirt­schaft ist Klima­schutz, weil Ressour­cen­schutz Klima­schutz ist. Die Circular Economy ist daher auch eine der beiden Säulen des Green Deal der EU, um Europa bis 2050 zu einem klima­neu­tralen Kontinent zu machen. Für eine funktio­nie­rende Kreis­lauf­wirt­schaft muss es als wesent­lichen Baustein „Neben­pro­dukte“ geben dürfen, also der Weg am Abfall­recht vorbei muss tatsächlich offen­stehen. Der Weg ist oftmals entweder zu oder in der Praxis so steinig, dass man ihn kaum zu beschreiten wagt. Zudem müssen für eine funktio­nie­rende Kreis­lauf­wirt­schaft Abfälle auch das Ende der Abfall­ei­gen­schaft erreichen können. Dies sollte zudem dem Hof des Behandlers möglich sein. Diese einfache Erkenntnis ist jedoch in der Praxis oft getrübt. So ist Interesse daran, Stoffe und Gegen­stände schnell ins Abfall­recht gelangen und in diesem System so lange wie möglich verbleiben zu lassen stärker, als die klare Zielvorgabe der Abfall­rah­men­richt­linie und § 4 und 5 KrWG. Dabei heißt es doch eigentlich Kreis­lauf­wirt­schafts­gesetz und nicht mehr Abfall­gesetz? Jährlich fallen in Deutschland mehr als 200 Millionen Tonnen minera­lische Abfälle an. Insbe­sondere im Lichte der doch ziemlich verqueren Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung und teuren minera­li­schen Ersatz­bau­stoffen, die nicht einmal öffent­liche Auftrag­geber wollen, inter­es­siert die Praxis, wann minera­lische Abfälle, mit Abstand größte Massestrom an Abfällen das Ende der Abfall­ei­gen­schaft erreichen können. § 5 Abs. 2 KrWG enthält eine bisher ungenutzte Verord­nungs­er­mäch­tigung, um die Bedin­gungen näher zu bestimmen, unter denen für bestimmte Stoffe und Gegen­stände die Abfall­ei­gen­schaft endet. Dabei hatte es Anfang des Jahres noch ganz gut ausgesehen.

Die nun schei­dende Bundes­re­gierung hatte sich im Koali­ti­ons­vertrag das Ziel gesetzt, konkre­ti­sierte Kriterien zur Errei­chung des Abfal­lendes für bestimmte Sekun­där­stoff­ströme zu erarbeiten. In Umsetzung dieses Ziels hatte sich das BMUV dazu entschlossen, entspre­chende Kriterien für minera­lische Ersatz­bau­stoffe festzu­legen, die aus der Aufbe­reitung minera­li­scher Abfälle stammen und bei deren weiterer bestim­mungs­ge­mäßer Verwendung die Abfall­ei­gen­schaft ausge­schlossen werden kann. Diese Abfal­lende-Verordnung sollte im Einklang mit der Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung dazu beitragen, dass minera­lische Ersatz­bau­stoffe effek­tiver im Kreislauf geführt werden. Wir erinnern uns: auch die Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung war als Charme­of­fensive für minera­lische Ersatz­bau­stoffe gestartet. Endlich mehr Akzeptanz! Gleich­zeitig sollte die Vermarktung von MEB als hochwertige und quali­täts­ge­si­cherte Recycling-Produkte gefördert werden. Das BMUV hatte im Januar 2024 ein Eckpunk­te­papier zur Abfal­lende-Verordnung für bestimmte minera­lische Ersatz­bau­stoffe vorgelegt. Seitdem war nichts weiter passiert. Zumindest ging es nicht weiter. Mit dem gestrigen Aus der Bundes­re­gierung ist zu erwarten, dass auch dieses Projekt (wie einige andere) auf der Strecke bleiben wird.

In der Rubrik „stecken­ge­bliebene Verfahren“ wird eine solche End-of-Waste-Verordnung natürlich keinen vorderen Platz einnehmen. Andere Themen sind für die Zwischenzeit im parla­men­ta­ri­schen Limbus sicherlich wichtiger. Eine zukünftige Bundes­re­gierung sollte dieses Thema jedoch auf die Agenda setzen, damit auch hier dringend benötigt Hilfe­stellung und Klarheit für die Praxis erzielt werden kann. (Dirk Buchsteiner)

2024-11-07T18:11:55+01:007. November 2024|Abfallrecht, Industrie, Umwelt|

Happy Birthday: 1 Jahr Ersatzbaustoffverordnung

Wir feiern den ersten Geburtstag der Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung (EBV). Seit ihrem Inkraft­treten der am 1. August 2023 gelten erstmals bundes­ein­heit­liche Regelungen für die Herstellung, die Unter­su­chung und den Einbau von minera­li­schen Ersatz­bau­stoffen (MEB).

Der Weg zur Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung war lang und steinig. Minera­lische Abfälle stellen mit Abstand den größten Massestrom an Abfällen dar. Umso wichtiger ist es daher, die Kreis­lauf­wirt­schaft im Hinblick auf minera­lische Abfälle und damit den Ressour­cen­schutz zu stärken. Die Ersatz­bau­stoff­ver­ordnung dient quasi als Charme­of­fensive für mehr Akzeptanz hinsichtlich minera­li­scher Ersatz­bau­stoffe. Zugegeben, allein der Begriff „Ersatz­bau­stoff“ klingt immer irgendwie nach zweiter Wahl. Dennoch: Durch Ablösung des regula­to­ri­schen Flicken­tep­pichs, der LAGA M 20 und der LAGA TR Boden 2004 und von „Recycling-Erlassen“ der Länder sollte durch eine bundes­ein­heit­liche Regelung endlich alles schön und einfach werden.

In der Praxis reibt man sich jedoch die Augen und stellt fest: ganz so schön und einfach ist es bisher nicht geworden. Komplette Einigkeit zwischen den Bundes­ländern zum jewei­ligen Vorgehen im Hinblick auf die EBV gibt es nicht. Teilfragen sind weiterhin nicht abschließend geklärt. So ist die Frage, ob am Ende der Herstellung eines MEB dann auch das Ende der Abfall­ei­gen­schaft erreicht ist und was dies wiederum bedeutet – gerade auch im Hinblick auf den und im Verhältnis zum Primär­roh­stoff. „Vollzug mit Augenmaß“ heißt es zwar von Behör­den­seite, aber vielfach sind die Entsorger mit ihren Problemen allein. Im Wettbewerb mit „Frisch­ge­stein“ gerät der MEB dann preislich auch ins Hinter­treffen: Viel Aufwand für wenig Ertrag? Wie gut, dass wenigstens die öffent­liche Hand in Ausschrei­bungen auf MEB besteht. Oder?

In der Praxis sehen wir aller­dings, dass ein MEB den Anfor­de­rungen der EBV entsprechen mag und damit sicher­ge­stellt ist, dass sein Einsatz keine schäd­lichen Auswir­kungen auf Boden und Grund­wasser hat. Dennoch erscheinen MEB so manchem öffent­lichen Auftrag­geber irgendwie suspekt, so dass sie trotz entspre­chender Eignung für den gewünschten Verwen­dungs­zweck im Rahmen der Ausschreibung ausge­schlossen werden. Gerade hier muss sich etwas ändern. Mehr Mut zu MEB und weniger Diskri­mi­nierung! Schließlich kann es nicht Sinn und Zweck sein, dass es anstelle einer Stärkung der Kreis­lauf­wirt­schaft im Ergebnis dann doch zu einer Stoff­strom­ver­schiebung Richtung Deponie kommt. (Dirk Buchsteiner)

 

2024-08-23T18:36:20+02:0023. August 2024|Abfallrecht|

Alles Abfall oder?

Die Frage wie lange (minera­lische) Abfälle noch Abfälle bleiben ist immer wieder Grund für kontro­verse Diskus­sionen mit (Überwa­chungs-) Behörden. Aus Sicht der Behörden ist es natürlich besser, wenn die Geltung des Abfall­rechts möglichst laaaange erhalten bleibt, dann greift nämlich das scharfe behörd­liche Instru­men­tarium des § 62 KrWG. Dies muss jedoch bei weitem nicht immer richtig sein. Die Recht­spre­chung zu § 5 KrWG und zu abfall­recht­lichen Anord­nungen in diesem Kontext ist jedoch weiterhin eher dünn. Begrü­ßenswert ist daher das Urteil des VG Köln vom 22.12.2023 (- 9 K 1267/20 – ), wobei es in diesem Fall vor allem um den Adres­saten abfall­recht­licher Pflichten ging.

Im Sachverhalt ging es um RC-Material, dass der spätere Kläger zum Befes­tigen eines Wirtschaftsweg im Landschafts­schutz­gebiet (auf einem der Stadt E. gehörenden Grund­stück) verwendet hatte. Dieses Material hatte er zuvor als „RCL 0–45“-Bauschutt erworben. Aus Sicht der Behörde handelte es sich bei dem Bauschutt und Erdaushubs jedoch um Abfall. Recycling­ma­te­rialien, wie die vorliegend verwen­deten, seien regel­mäßig mit Schad­stoffen belastet. Ihre Verwendung zur Befes­tigung eines Weges sei keine ordnungs­gemäße und schadlose Verwertung im Sinne des KrWG. Darüber hinaus verstoße die Auftragung auf den Boden auch gegen Wasser­recht und sei im Landschafts­schutz­gebiet verboten. Die Behörde erließ eine Ordnungs­ver­fügung gegen den „Handlungs­störer“. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Erfolg.

Das Verwal­tungs­ge­richt ließ kein gutes Haar an der Ordnungs­ver­fügung. Die ausdrücklich „nach den Vorschriften des Abfall­rechts“ erlassene Anordnung könne schon nicht auf Vorschriften des Wasser- oder Natur­schutz­rechts gestützt werden, zumal diese die ordnungs­gemäße Entsorgung und deren Nachweis gar nicht regeln. Es könne zudem dahin­stehen, ob die Tatbe­stands­vor­aus­set­zungen des § 62 KrWG überhaupt vorliegen. Das Gericht hat insofern bereits erheb­liche Zweifel an der – andau­ernden – Abfall­ei­gen­schaft (vgl. § 5 Abs. 1 KrWG) des vom Kläger auf dem Grund­stück aufge­brachten Recycling­ma­te­rials und an der Verant­wort­lichkeit des Klägers für die Erfüllung abfall­recht­licher Verpflich­tungen (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 3 Nr. 8, 9 KrWG).

Die Anord­nungen waren aber jeden­falls deshalb rechts­widrig, weil der Beklagte die gesetz­lichen Grenzen des Ermessens überschritten und von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermäch­tigung nicht entspre­chenden Weise Gebrauch gemacht hat, vgl. § 114 Satz 1 VwGO. Die Behörde hatte jeden­falls bei Erlass des Bescheids grund­legend verkannt, wer überhaupt als Adressat einer Verfügung nach § 62 KrWG in Betracht kommt und somit bei der Störer­auswahl zu berück­sich­tigen ist. Die Kategorie des Handlungs­störers ist dem KrWG fremd. Soweit an ein konkretes Verhalten angeknüpft wird, gilt dies nur für die Erzeugung von Abfällen. Der Kläger hat aber selbst offen­kundig keine Abfälle erzeugt. Dies behauptet auch der Beklagte nicht. Er wirft ihm vielmehr die Verwendung von Abfällen vor. Diese stellt aber nach dem KrWG keinen Anknüp­fungs­punkt für die Inanspruch­nahme dar. Der Beklagte hatte jedoch auch die übrigen in Betracht kommenden Adres­saten der Ordnungs­ver­fügung nicht zutreffend und erschöpfend ermittelt. (Dirk Buchsteiner)

2024-03-07T20:26:42+01:007. März 2024|Abfallrecht, Umwelt, Verwaltungsrecht|