Verkehr: Über Dunkel-Dunkel-Anlagen, Grünpfeile und Induktionsschleifen

Neulich habe ich darüber geklagt als Fußgänger und Radfahrer ein halbes Leben an roten Ampeln auf Autofahrer zu warten. Ein Professor für Verkehrs­wesen hat mich darauf hinge­wiesen, dass es für mein Problem durchaus Lösungen gäbe. Die seien nur nicht so bekannt und könnten öfter angewendet werden. Das liegt vielleicht auch an ihren etwas obskuren Namen. Denn wer weiß schon, was z.B. eine „Dunkel-Dunkel-Anlage“ ist?

Weibliches Ost-Ampel-"Männchen"

Eigentlich ganz einfach: Es sind Fußgän­ger­ampeln, also Licht­zei­chen­an­lagen, die im Standard­modus in beide Richtungen dunkel sind, also kein Signal geben. Nur bei Bedarf kann ein Signal angefordert werden, mit der Folge, dass nach dem Drücken der Taste durch Fußgänger die Ampel zunächst für Fußgänger „rot“ ist (bzw „gelb“ für Kfz) und dann nach einer Wartezeit auf „grün“ umschlägt. Solange die Ampel dunkel ist, können Fußgänger die Fahrbahn passieren, soweit sie frei ist. Sie haben also die Wahl zwischen einer schnellen und einer sicheren Querung. Besonders für vulnerable Verkehrs­teil­nehmer wie Kinder, ältere oder behin­derte Menschen ist die Möglichkeit hilfreich, das Signal anzufordern. Entgegen geläu­figen Vorur­teilen sind diese Ampeln nach einer Unter­su­chung des Bundes­an­stalt für Straßen und Verkehrs­wesen (BASt) nicht weniger sicher als „normale“ Lichtzeichenanlagen.

Diese Ampel­schal­tungen, die sozusagen „auf Standby“ sind, könnten auch da eine Option sein, wo sie bisher nachts oder am Wochenende oft schlicht ausge­schaltet werden. Dort ist es dann für unsichere Verkehrs­teil­nehmer nicht möglich, alleine die Straße zu überqueren oder es kommt bei hohem Kfz-Aufkommen zu langen Warte­zeiten für Fußgänger.

Die sogenannten „Bettel­ampeln“, die ihre Signale auf Anfor­derung geben, sind keineswegs zwingend auf die Anfor­de­rungen von Fußgängern angewiesen. Denn möglich ist es auch über Induk­ti­ons­schleifen, die in den Asphalt einge­lassen sind, wartende Fahrzeuge zu erkennen. Entspre­chende Kfz-Bettel­ampeln würden sich insbe­sondere an wenig genutzten Kfz-Abzwei­gungen über viel genutzte Fuß- oder Radwege anbieten. Ob von der Möglichkeit in Deutschland überhaupt Gebrauch gemacht wird, würde uns inter­es­sieren. Wenn Sie eine solche Schaltung kennen, würde uns ein Hinweis in den Kommen­taren freuen!

Entzündet hatte sich die Ampel-Diskussion mit dem Professor übrigens an einem weiteren Feature: Dem Grünpfeil für Radfahrer. Dieser ist in § 37 Abs. 2 Satz 10 StVO ausdrücklich als Möglichkeit erwähnt. Sinnvoll ist er vor allem an Licht­zei­chen­an­lagen, die primär den Kfz-Verkehr regeln. Denn dort können Radfahrer relativ gefahrlos bei „rot“ rechts abbiegen, ohne dass es zu wesent­lichen Behin­de­rungen oder Gefähr­dungen mit dem Quer- oder Längs­verkehr kommt. Insbe­sondere der Längs­verkehr ist durch nach rechts abbie­gende Radfahrer nicht betroffen bzw. steht ohnehin wegen des roten Signals. Weniger Sinn hat der Pfeil dort, wo es um Fußgän­ger­ampeln geht, die ohnehin nur auf Anfor­derung signa­li­sieren. Denn dort kommt es auch am ehesten zu Konflikten mit dem Fußverkehr.

Schon früher hatten wir einmal über eine besondere Ampel für Fußgänger geschrieben. Insgesamt gibt es Möglich­keiten zur Nutzung von Licht­zei­chen­an­lagen, die dem Rad- und Fußverkehr mehr Sicherheit und mehr Freiheit bieten. Sie werden nur oft nicht genutzt. (Olaf Dilling)

2025-05-31T09:38:37+02:0027. Mai 2025|Allgemein, Verkehr|

Warum Kinder­räder nicht als Fahrräder gelten, dafür aber Pedelecs

Der urbane öffent­liche Verkehrsraum ist heiß umkämpft. Manchmal ist es nicht so einfach immer den Überblick zu behalten, wer und was sich da alles so tummelt. Insbe­sondere, wenn es um neue Formen von Elektro­mo­bi­lität geht: Was gibt es da alles, welche Regeln gelten und wie ändern sich angesichts techni­scher Innova­tionen die Konflikt­lagen und die Regeln?

Das deutsche Verkehrs­recht unter­schiedet grund­sätzlich zwischen (nicht-motori­sierten) Fahrrädern und Kraft­fahr­zeugen. Diese Unter­scheidung ist inzwi­schen stark relati­viert. denn viele Fahrräder sind inzwi­schen (hilfs-)motorisiert (was sie nicht in jedem Fall zu Kraft­fahr­zeugen bzw Kraft­rädern macht). Und es gibt im Übrigen viele neue Elektro­kleinst­fahr­zeuge. Für die gibt es zum Teil wieder andere Regeln.

Aber von Anfang an: Warum ist es überhaupt wichtig, zwischen Fahrrädern, Kfz und anderen Fahrzeugen zu unter­scheiden? Zunächst einmal, weil für sie unter­schied­liche Regeln gelten, z.B. über die Benut­zungs­pflicht von Fahrrad­wegen. Eine Definition des Fahrrads findet sich in § 63a Straßen­ver­kehrs-Zulas­sungs-Ordnung (StVZO). Dort heißt es im Absatz 1:

Ein Fahrrad ist ein Fahrzeug mit mindestens zwei Rädern, das ausschließlich durch die Muskel­kraft auf ihm befind­licher Personen mit Hilfe von Pedalen oder Handkurbeln angetrieben wird.“

Da stellen sich gleich Anschluss­fragen, beispiels­weise: Ist ein Einrad also kein Fahrrad? Nein, ein Einrad ist tatsächlich ein „Spiel­gerät“ gemäß § 24 Abs. 1 StVO und entspre­chend § 16 Abs. 2 StVZO, genau­ge­nommen gilt das auch für Kinder­räder, die von diesen Normen ebenfalls von den Regeln für den Fahrzeug­verkehr ausge­nommen sind. Für sie gilt nicht die Benut­zungs­pflicht nach § 2 Abs. 4 StVO, die für Fahrräder immer dann gilt, wenn ein Radweg mit einem entspre­chenden Verkehrs­zeichen angeordnet ist.

Wie ist es mit Pedelecs? Sie gelten nach § 63a Abs. 2 StVZO als Fahrräder, wenn sie lediglich einen „elektro­mo­to­ri­schen Hilfs­an­trieb“ oder ein „Trethilfe“ haben. Die techni­schen Details sind ebenfalls in dieser Norm zu finden. Wenn sie einen stärkeren Motor haben, der sie insbe­sondere schneller als 25 km/h fahren lässt, dann handelt es sich um sogenannte S‑Pedelecs, die genau genommen Kraft­räder bzw Kraft­fahr­zeuge sind. Mit ihnen muss man daher grund­sätzlich auf der Kfz-Fahrbahn fahren. Aller­dings gibt es davon inzwi­schen auch Ausnahmen. Zum Beispiel dürfen in NRW Kommunen Radwege für S‑Pedelecs freigeben. Den Erlass gibt es aufgrund der Anfrage eines Bürgers gemäß Infor­ma­ti­ons­frei­heits­gesetz auf der Plattform „Frag den Staat“.

Als Fahrräder im Sinne der StVO gelten übrigens auch bestimmte E‑Lastenräder, die äußerlich eher Klein­trans­portern ähneln als Fahrrädern. Es kommt hier auch darauf an, dass ihr Motor der Tretun­ter­stützung (§ 63a Abs. 2 StVZO) dient und sie bestimmte Dimen­sionen nicht gemäß § 32 Abs. 9 StVZO nicht überschreiten: 1 m Breite und 4 m Länge bei einer maximalen Höhe von 2,50 m.

Und wie ist es mit den E‑Rollern? Das sind ja offen­sichtlich keine Fahrräder. Dürfen sie also als „Spiel­geräte“ auf dem Gehweg fahren? Nein, es sind Elektro­kleinst­fahr­zeuge. Für sie gibt es eine spezielle Verordnung. Darin ist in § 10 u.a. geregelt, dass für sie im Wesent­lichen die gleichen Verkehrs­flächen wie für den Radverkehr bestimmt sind. Aller­dings werden sie in anderer Hinsicht auch wie Kraft­fahr­zeuge behandelt. Überall dort wo Kraft­verkehr verboten ist, sind auch sie verboten.

Insgesamt haben die Fahrräder Gesell­schaft bekommen und es ist nur recht, wenn die Radver­kehrs­in­fra­struktur mit dem steigenden Bedarf mitwächst. Zugleich gibt es neue Gefähr­dungen für Fußgänger, so dass auch auf den Gehwegen mehr Platz geschaffen werden sollte. (Olaf Dilling)

2025-05-20T15:12:33+02:0019. Mai 2025|Verkehr|

Kosten des Rückbaus von „Protected Bike Lanes“

Im Homeoffice in Toronto hat mich gestern überra­schend ein Verkehrs­planer aus der Stadt Guelph in Ontario kontak­tiert, dass ein gemein­samer Bekannter aus Deutschland mit Familie zu Besuch käme. Mein guter Bekannter Michael aus Bremen, der auch im Verkehr­sektor beratend tätig ist. Welch freudige Überra­schung! Wir fahren morgen gemeinsam mit ein paar weiteren radbe­geis­terten Toron­to­nians auf den geschützten Radfahr­streifen, die Olivia Chow, die Bürger­meis­terin der größten Stadt Kanadas auf vielen großen Straßen in den letzten Jahren hat einrichten lassen.

Leider sollen diese Protected Bike Lanes, wenn es nach Doug Ford geht, dem Premier der Provinz Ontario, bald verschwinden. Wir hatten darüber letztes Jahr schon mal berichtet. Inzwi­schen hat Ford ein Gesetz durch das Parlament von Ontario verab­schieden lassen, das Fahrradwege auf Kosten von Kfz-Spuren nur noch mit Zustimmung der Provinz erlaubt. Außerdem sollen drei der wichtigsten Radfahr­streifen (auf Bloor, Yonge und University Avenue) beseitigt werden. Die dafür vorge­se­henen Kosten belaufen sich auf 48 Millionen Kanadische Dollar (ca. 30 Mio Euro). Im Übrigen sieht das Gesetz, es heißt „Reducing Gridlock, Saving You Time Act“, auch vor, dass Radfahrer und deren Angehörige, die nach Besei­tigung der Radwege überfahren werden, keinen Schadens­er­satz­an­spruch gegen die Provinz oder ihren Premier haben.

Inzwi­schen hat eine Studentin der Univer­sität Toronto und ein Fahrrad­kurier eine Eilent­scheidung (injunction) erwirkt, die vorerst verhindern soll, dass die Radwege auf kostspielige Weise beseitigt werden, bevor das Gericht erkennt, dass sie zum Schutz von Leben und Gesundheit der Klagenden hätten bleiben müssen. Sehr zum Unmut des rechts­po­pu­lis­ti­schen Premiers, der kurz darauf die richter­liche Unabhän­gigkeit in Frage gestellt und gefordert hat, dass die Richter in Zukunft in Kanada ebenso wie in den USA gewählt werden sollten.

Aber kommen wir zurück zu deutschen Fällen. Auch hier gibt es umstrittene Protected Bike Lanes. Wir hatten mal über einen Radfahr­streifen in Mönchen­gladbach berichtet, der von einem Autofahrer im Eilver­fahren erfolg­reich angefochten worden war. Inzwi­schen ist das Verfahren auch vor dem Oberver­wal­tungs­ge­richt Münster entschieden worden, das die Entscheidung des VG Düsseldorf aufrecht­erhalten hat. Die Stadt Mönchen­gladbach hat die Protected Bike Lane inzwi­schen zurück­gebaut. Das war ziemlich teuer.

Glücklich sind wir über die Entscheidung des OVG Münster nicht. Denn das Gericht räumt in seiner Entscheidung ein, dass die Straßen­ver­kehrs­be­hörde den geschützten Radfahr­streifen auf einer anderen Rechts­grundlage, die inzwi­schen auch in Kraft ist, nämlich dem § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 StVO hätte begründen können. Diese Rechts­grundlage unter­scheide sich aber in ihren Voraus­set­zungen so sehr von der straßen­ver­kehrs­recht­lichen General­klausel (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO), dass die Behörde sie nachträglich nicht austau­schen konnte.

Mit anderen Worten, die Stadt musste den Radweg für viel Geld abbauen. Und um alles noch mal richtig zu machen, müsste sie ihn nun, da er an dieser Stelle im Grunde für den Radverkehr alter­na­tivlos ist, auf neuer Rechts­grundlage wieder aufbauen. So fordern unsere Mandanten das in einer Petition und so hatten wir es auch in unserem Gutachten vorge­schlagen. Nun, das Gericht hat außer der aus seiner Sicht falschen Rechts­grundlage auch noch einige Details der Durch­führung moniert. Das hätte man aus unserer Sicht aber ohne große Schwe­rig­keiten beheben können. 

Unser Rat an Kommunen ist, in Zukunft gleich die richtige Rechts­grundlage zu wählen. Die besagte Bereit­stellung angemes­sener Flächen für die Fahrrad- und Fußverkehr gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 StVO. Grundlage dafür ist in der Regel ein Gesamt­konzept, das die positiven Auswir­kungen für den Umwelt‑, Klima- und Gesund­heits­schutz oder die Förderung der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung in den Blick nimmt. Die Stadt Mönchen­gladbach konnte das bei Einrichtung der Protected Bike Lane aller­dings noch nicht, denn die neue Rechts­grundlage trat erst im Oktober letzten Jahres in Kraft. (Olaf Dilling)

2025-05-16T15:41:43+02:0016. Mai 2025|Rechtsprechung, Verkehr|