Agrar­recht: Unwirksame digitale Verkündung

Digita­li­sierung ist im Rechts­wesen weiterhin eine Heraus­for­derung. Ein Beispiel aus Baden-Württemberg zeigt das. Vor ein paar Wochen hat der Verwal­tungs­ge­richtshof in Mannheim  Landwirten recht gegeben, die mit einem Normen­kon­troll­antrag gegen eine Verordnung zum Gewäs­ser­schutz vorge­gangen sind. Erfolg hatten sie, weil Teile der Verordnung nicht wie gewohnt im Geset­zes­blatt verkündet wurden: Vielmehr waren die detail­lierten Karten zur Ausweisung bestimmter Schutz­ge­biete nur im Internet verfügbar gewesen.

Güllewage auf Grünland

Es ging um die Verordnung der Landes­re­gierung zu Anfor­de­rungen an die Düngung in bestimmten Gebieten zum Schutz der Gewässer vor Verun­rei­ni­gungen (VODüV­Ge­biete). Diese Verordnung dient zum Schutz der Gewässer vor Nährstoff­ein­trägen, insbe­sondere durch Nitrat- und Phosphat­ver­bin­dungen. In ihr werden sogenannte Nitrat­ge­biete und eutro­phierte Gebiete ausge­wiesen, in denen Beschrän­kungen für die landwirt­schaft­liche Nutzung bestehen. Vor allem dürfen dort Dünge­mittel nur in begrenztem Umfang ausge­bracht werden.

Die Antrag­steller machten in der Klage vor dem Verwal­tungs­ge­richtshof, der erstin­stanzlich für die Kontrolle unter­ge­setz­licher Normen zuständig ist, unter­schied­liche Verstöße geltend. Unter anderem würde es der Ermäch­ti­gungs­grundlage für den Erlass der Verordnung nicht den verfas­sungs­recht­lichen Anfor­de­rungen an die Bestimmtheit genügen.

Letztlich drangen sie beim Verwal­tungs­ge­richtshof mit einem anderen Grund durch: Die Verordnung sei nur teilweise im Gesetz­blatt verkündet worden, insbe­sondere würden die Karten im Maßstab von 1 : 5 000 ausschließlich online zur Verfügung gestellt. Die der Verkündung beigefügten Karten im Maßstab 1 : 1.250.000 reichten nicht, um eine auch nur grobe Umschreibung des Geltungs­be­reichs darzustellen.

Insofern war ein entsprach ein wesent­licher Teil der Verordnung nicht den gesetz­lichen Anfor­de­rungen an die Verkündung von Verord­nungen. Es wäre zwar möglich, entspre­chende Karten auch digital zu verkünden. Aller­dings ist dafür eine gesetz­liche Grundlage erfor­derlich. Vermutlich wäre das eine gute Idee, denn immerhin ist auch auf dem Land eine Verordnung im Internet besser verfügbar als im Geset­zes­blatt in der nächsten juris­ti­schen Bibliothek. (Olaf Dilling)

 

 

 

2023-04-06T22:03:32+02:006. April 2023|Allgemein, Naturschutz, Wasser|

Urteil gefällt, Eiche bleibt!

In Berlin-Mitte tobt seit einiger Zeit ein verwal­tungs­ge­richt­licher Kampf: Die Protago­nisten sind eine 220 Jahre alte Eiche und eine Tiefgarage, der sie Platz machen soll. Nun, hinter der Tiefgarage steht ein Hamburger Investor und hinter der Eiche eine Nachbar­schaft in der Dresdner Straße an der Grenze zwischen den Bezirken Mitte und Fried­richshain-Kreuzberg, genau dort, wo vor gut einer Generation noch die Mauer die Kieze trennte.

Juris­tisch ist die Sache eigentlich nicht so schwer: Der Investor hat als Eigen­tümer ein Baurecht und kann sich auf die Ausnahme nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 4 BaumSchVO berufen. Bei einem ansonsten zuläs­sigen Bauvor­haben, für das die Fällung des Baumes die Voraus­setzung ist, könnte die sonst zulässige Nutzung des Grund­stücks nicht oder nur unter wesent­lichen Beschrän­kungen verwirk­licht werden. In diesem Fall ist eine Ausnahme von dem ansonsten nach § 4 Abs. 1 BaumSchVO bestehenden Fällverbot zu gewähren. Die entspre­chende Geneh­migung erfolgt bei geneh­mi­gungs­pflich­tigen Bauvor­haben zugleich mit der Bauge­neh­migung durch die dafür zuständige Behörde.

Inzwi­schen hat auch die Berufungs­in­stanz, also das Oberver­wal­tungs­ge­richt Berlin-Brandenburg vor wenigen Tagen entschieden, dass der Baum gefällt werden darf. Die Mitglieder der Bürger­initiative hat das nicht überzeugt. Sie sind weiterhin der Meinung, dass der alte Baum schon zur Bewahrung eines angenehmen Stadt­klimas nicht weichen darf. Zumal es um eine Tiefgarage geht, in der nur sechs Pkws Platz finden. Zur Fällung blieben nur wenige Tage, da Anfang März die Schonzeit aufgrund des Vogel­schutzes anfängt und eine Fällung vorher erfolgen müsste.

Nun gab es eine Art „Plot-Change“, also eine unvor­her­ge­sehene Wendung der Geschichte: Der Investor soll – nachdem der Protest erheb­liche Resonanz auch in der überre­gio­nalen Presse gefunden hat – inzwi­schen mitge­teilt haben, dass der Baum nun doch nicht gefällt werden soll. Das zeigt, dass Fälle nicht immer nur vor Gericht entschieden werden. Warum die Entscheidung des Investors erst kurz nach Obsiegen in der Berufung fiel, ist unklar, könnte aber an strate­gi­schen Überle­gungen hinsicht­liche der Verfah­rens­kosten liegen. (Olaf Dilling)

2023-02-27T19:55:12+01:0027. Februar 2023|Naturschutz, Rechtsprechung|

Nach der Vertiefung ist vor der Vertiefung

Die meisten deutschen Seehäfen sind eigentlich Fluss­häfen. Die einzige Ausnahme ist der Jade-Weser-Port in Wilhelms­haven und auch das ist eigentlich fast ein Fluss­hafen, da entlang der Kaje das Wasser aus dem Jadebusen zweimal am Tag kräftig in Meer strömt – auch wenn es sich angesichts der relativ geringen Größe des namens­ge­benden Flüss­chens Jade praktisch um Salz- und nicht Brack­wasser handelt.

Containerschiff und Lotse auf Fluss mit Hafenanlagen

Nun gibt es fast regel­mäßig bis in die letzte gericht­liche Instanz Stress, wenn die Flüsse, also insbe­sondere Weser oder Elbe, für die Seeschiff­fahrt angepasst werden sollen. Dies ist aus Sicht der Reede­reien und Häfen­ver­wal­tungen nötig, damit die großen Contai­ner­schiffe, die vornehmlich aus China große Mengen Güter nach Deutschland trans­por­tieren, weiter in deutsche Häfen einlaufen können. Da diese Schiffe immer größer und breiter werden, müssen die Fahrrinnen entspre­chend mitwachsen.

Bei der Elbver­tiefung hatte das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt im Juni 2020 grünes Licht gegeben: Die Elbver­tiefung ist daher eigentlich seit Anfang diesen Jahres formell abgeschlossen. Jetzt hat die Wasser- und Schiff­fahrts­ver­waltung des Bundes für 01.12.2022 angeordnet, dass die Elbe bis zum Hamburger Hafen nur noch einge­schränkt nutzbar ist: Um einen Meter wird die bisher angepeilte Tiefe nicht erreicht. Grund dafür ist, dass es immer wieder zu Erosion der Böschungen kommt und in der Elbe aufgrund der verän­derten Tidendy­namik mehr Sand und Schlick als zuvor sedimentiert.

Die Probleme, die daraus entstehen, resul­tieren nicht nur in verstärkten Aktivi­täten beim Ausbaggern, sondern auch bei der Entsorgung des erheblich mit Schad­stoffen belas­teten Schicks. Nach dem Willen Hamburgs soll dieser vor der politisch zu Hamburg gehörenden, aber vom Nieder­sä­chi­schen Wattenmeer umgebenen Vogel­schutz­insel Scharhörn gelagert werden. In einem „Schlick­gipfel“ soll zwischen Hamburg, Nieder­sachsen, Schleswig-Holstein und dem Bund geklärt werden, wie mit der Verschli­ckung des Elbfahr­wassers und anderen Infra­struk­tur­pro­blemen rund um den Hafen ungegangen werden soll. Auch Umwelt­schutz­ver­bände beanspruchen bei den Gesprächen dabei zu sein. Vielleicht eine gute Idee, wenn es hilft, langwierige Gerichts­ver­fahren zu vermeiden. (Olaf Dilling)

2022-11-28T18:12:40+01:0028. November 2022|Naturschutz, Umwelt, Verkehr|