Heute geschlossen: Wieso ist Wikipedia zu?

Das Internet hat die Musik­in­dustrie erlegt. Wer 2000 geboren ist, kann Fan einer Band sein und noch nie ein Album gekauft haben. Selbst jemand, der den ganzen Tag Musik hört, wird dank iTunes Match oder Spotify vermutlich deutlich weniger für Musik ausgeben als sein 1965 geborener Vater, dessen CD-Regal schon heute ein bisschen aus der Zeit gefallen wirkt. Konse­quen­ter­weise leben Bands deswegen heute weniger vom Tonträ­ger­verkauf. Als von Tournee­auf­tritten, und auch eine populärer Musiker verdient heute weniger als früher.

Die ins Äußerste gestei­gerte technische Repro­du­zier­barkeit nicht nur von Kunst­werken, sondern von allen medialen Inhalten wird nicht nur von Musikern, sondern auch von vielen anderen Urhebern beklagt. Das ist mehr als verständlich: Die Platt­formen verdienen – vor allem mit Werbung – viel Geld. Die, deren kreative Leistungen die Nutzer auf die Plattform locken, gehen oft genug ganz leer aus oder bekommen nur – siehe Musik­in­dustrie – Brosamen vom reich gedeckten Tisch der Plattformbetreiber.

Ein modernes Urheber­recht soll diesem Missstand begegnen. Hierfür ist der europäische Gesetz­geber zuständig. Mit einer Reform der Richt­linie 2001/29/EG  will die EU unter anderem Urhebern mehr Geld verschaffen. Dafür sollen die Platt­formen mehr in die Verant­wortung genommen werden. Derzeit können sie sich dann, wenn Dritte unerlaubt Inhalte hochladen, meistens auf das Teleme­di­en­gesetz (TMG) berufen, nach dessen § 10 sie nicht verpflichtet sind, die hochge­la­denen Inhalte zu überprüfen, sondern erst dann, wenn der Berech­tigte an sie heran­tritt, den Zugang zu diesen Inhalten sperren müssen. Die Kosten für die Rechts­ver­folgung durch den Dritten tragen die Platt­formen nicht.

Aber wo liegt nun das Problem, fragen sich manche Zeitungs­leser ebenso wie verant­wort­liche Politiker. Letztere vermuten hinter den Protesten Lobby­arbeit der Platt­formen oder gar Bots, also Maschinen, deren getwit­terte Meinungs­äu­ße­rungen nicht die Ansichten realer Menschen wider­spiegeln. Diese Unter­stellung regt Kritiker besonders auf. Sie fühlen sich von der Politik nicht ernst genommen. Tatsächlich ist es so, dass die Sorge eines erheb­lichen Teils der kriti­schen Öffent­lichkeit berechtigt sein dürfte. In Zukunft müssten praktisch alle relevanten Platt­formen dafür sorgen, dass keine Inhalte hochge­laden werden, an denen jemand anders Rechte hat. Ansonsten sollen sie haften, als hätten sie selbst das Urheber­recht verletzt. Das wäre teuer.

Praktisch soll dies über Lizenz­ver­ein­ba­rungen abgesi­chert werden. Nun sitzt bei YouTube bekanntlich nicht ein Heer von Mitar­beitern und überprüft, was hochge­laden wird. Dies sollen automa­ti­sierte Filter übernehmen, sogenannte Upload-Filter. Dies wird nun heftig kriti­siert. Die Upload-Filter seien nämlich nicht so gut, wie die Politiker im Europäi­schen Parlament glauben. Sie könnten insbe­sondere Satire und Parodien nicht erkennen. Soll heißen: Das, was z. B. Jan Böhmermann macht, könnte künftig nicht mehr auf Platt­formen hochge­laden werden. Die Ausein­an­der­setzung mit Inhalten Dritter – also nicht deren unerlaubte Verbreitung – würde schweren Schaden nehmen.

Viele fürchten auch, dass nicht nur Urheber­rechts­ver­stöße, sondern auch andere angeblich rechts­widrige Inhalte durch Upload­filter geblockt werden, also die Basis für eine digitale Zensur geschaffen wird. Dies würde das Internet und damit die politische Öffent­lichkeit tiefgreifend verändern. Diese Kritik teilen NGOs wie die Stiftung Netzpo­litik. Und eben auch die Wikipedia, die aus Protest heute abgeschaltet wurde.

Ob das die Politik beein­druckt? Die Äußerungen auch maßgeb­licher Politiker wie der MdE Axel Voss aus den letzten Tagen lassen nicht nur an ihrer Offenheit zweifeln. Sondern teilweise sogar am Sachver­stand der Akteure, wenn in häufig verwendete Schlag­worte in Zusam­menhang mit einer Suchan­frage, wie sie bei Google auftauchen, als eigene Suchrubrik missdeutet werden. Bis jetzt jeden­falls läuft die Reform der Urheber­richt­linie wie geplant durch. Nächste Woche finden dann die finalen Abstim­mungen im Europäi­schen Parlament statt. Am Wochenende soll protes­tiert werden. Wer die Kritik teilt, aber nicht gleich auf die Straße gehen will, kann hier unter­schreiben. Oh, und wer eine gut lesbare Zusam­men­fassung der bestehenden Kritik­punkte sucht, dem sei dieses Interview mit der MdE Julia Reda empfohlen.

2019-03-21T09:17:08+01:0021. März 2019|Allgemein, Digitales|

Keine Frist­ver­kürzung beim Messstellenaustausch

Die Älteren unter uns erinnern sich: Bis 1998 galten für den Strom­ver­trieb Gebiets­fest­le­gungen. In Oberal­theim zum Beispiel durfte man damals nur bei den Stadt­werken Oberal­theim Strom und Gas beziehen. Die Libera­li­sierung hat dem ein Ende gemacht. Seither kann jeder Versorger bundesweit liefern. Das ist aber noch nicht alles. Auch das Messwesen wurde 2008 libera­li­siert. Man muss also Messein­rich­tungen nicht durch den grund­zu­stän­digen Messstel­len­be­treiber einbauen, betreiben und warten lassen. Sondern kann eine ander­weitige Verein­barung nach § 5 oder 6 Messstel­len­be­triebs­gesetz (MsBG) abschließen.

Das Meßwesen soll aber nicht nur liberaler, sondern auch intel­li­genter werden, also künftig die techni­schen Möglich­keiten der Digita­li­sierung nutzen. Deswegen enthält Kapitel vier des MsBG eine Reihe von ergän­zenden Rechten und Pflichten in Zusam­menhang mit dem Messstel­len­be­trieb mit modernen Messein­rich­tungen und intel­li­genten Messsys­temen. Hier ordnet nun der § 37 Abs. 2 MsBG an, dass spätestens drei Monate von der Ausstattung der Messstelle mit modernen Messein­rich­tungen die Betrof­fenen Anschluss­nutzer, ‑nehmer, Anlagen­be­treiber und Messstel­len­be­treiber zu infor­mieren sind. Sie sind dabei auf die Möglichkeit zur freien Wahl eines Messstel­len­be­treibers hinzuweisen.

Diese Drei-Monats-Frist hat Westnetz 2017 nach Ansicht des Landge­richts (LG) Dortmund missachtet. Westnetz hatte erst zwei Wochen vor dem geplanten Einbau infor­miert. Zwar enthielt das Schreiben einen Hinweis auf die Drei-Monats-Frist mit dem Vermerk, dass Betroffene dem vorge­zo­genen Termin wider­sprechen können. Nach Ansicht der Kammer reicht das aber nicht, um den Anfor­de­rungen des Gesetzes zu genügen. Westnetz stelle Wettbe­werber und Kunden damit vor vollendete Tatsachen und greife in die Wertung des Gesetz­gebers ein, der sich die Sache ja nun anders vorge­stellt hat. Eine Einwil­ligung in eine Frist­ver­kürzung müsse vor der Benennung eines Termins vorliegen und nicht im selben Schreiben erst erbeten werden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechts­kräftig. Sie ist inhaltlich jedoch überzeugend. Die Entscheidung unter zeitlichen Druck wollte der Gesetz­geber gerade nicht. Es wäre mithin überra­schen, wenn das Oberlan­des­ge­richt die Sache anders sehen würde. Aber Überra­schungen erlebt man ja immer wieder (LG Dortmund, Az.: 25 O 282/18).

2019-03-15T14:13:41+01:0015. März 2019|Digitales, Gas, Strom|

Neues von der facebook-Fanpage

Erinnern Sie sich noch an die EuGH-Entscheidung zu facebook-Fanpages und an den Ärger, den Herr Valk von den Stadt­werken Oberal­theim damit hatte?

Um es kurz zu rekapi­tu­lieren: Am 5. Juni 2018 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer viel beach­teten Entscheidung sich mit sogenannten facebook-Fanpages befasst. Es geht also um diese Seiten bei facebook, mit denen sich Unter­nehmen oder öffent­liche Organi­sa­tionen kostenlos präsen­tieren und in Kontakt mit ihren Kunden treten können. Eine schöne Sache eigentlich, wenn nur nicht das Geschäfts­modell von facebook darin bestehen würde, möglichst viele Daten zu sammeln – und das mit Hilfe von Cookies nicht nur von facebook-Nutzern, sondern auch von Kunden, die mit facebook ansonsten gar nichts am Hut haben. In seinem Urteil hat der EuGH festge­stellt, dass nicht nur facebook für das Sammeln und Verar­beiten der Daten verant­wortlich ist, sondern auch die Betreiber der Fanpage eine Mitver­ant­wortung haben. Das hat die deutschen Daten­schützer natürlich gefreut, denn an facebook, dessen europäi­scher Sitz in Irland ist, kommen sie schlicht nicht ran.

Herr Valk war dagegen weniger begeistert. Schließlich war es ihm ein Anliegen, dass die Stadt­werke Oberal­theim mithalten können und bei einem jungen Kunden­stamm wahrge­nommen werden, der sich auf den sozialen Netzwerken bewegt. Facebook zu verlassen kam daher nicht in Frage. Anderer­seits profi­tierte er zwar von der statis­ti­schen Auswertung seiner Kunden­daten durch facebook, den sogenannten insights, hatte ansonsten nichts mit der Daten­ver­ar­beitung durch facebook zu tun. Er konnte insofern auch keinerlei Einfluss darauf nehmen, dass dabei alles mit rechten Dingen zugeht. Herrn Valk blieb insofern nichts übrig, als auf eine weitere Klärung der Rechtslage zu warten; ein unbefrie­di­gender Zustand für einen Vertriebs­leiter, der die Dinge ansonsten gern etwas offen­siver angeht. Inzwi­schen hat sich zwar einiges getan, ob es aber reicht, um den Stadt­werken Oberal­theim und anderen Unter­nehmen Sicherheit zu bieten?

Zunächst hatte die Daten­schutz­kon­ferenz, in der sich die Daten­schutz­be­hörden des Bundes und der Ländern abstimmen, unmit­telbar nach seinem Erscheinen auf die Konse­quenzen des Urteils aufmerksam gemacht: Die Daten­schutz­grund­ver­ordnung (DSGVO) fordert bei gemein­samer Verant­wort­lichkeit eine Verein­barung nach Artikel 26 DSGVO zwischen den Betei­ligten über die Verteilung der Pflichten. Als die Daten­schutz­kon­ferenz drei Monate später erneut zusam­mentrat, war facebook, von kosme­ti­schen Details abgesehen, aller­dings noch untätig geblieben. Daher wurden die Fanpages für illegal erklärt und die Verein­barung erneut angemahnt.

Auf die Mahnung hin legte Facebook ein paar Tage später eine Verein­barung vor, das sogenannte „Page Controller Addendum“. Mit dieser Zusatz­ver­ein­barung erkennt facebook zum einen die geltende Rechtslage an und übernimmt die Haupt­ver­ant­wortung für den Daten­schutz, dazu zählt insbe­sondere die Erfüllung von Infor­ma­ti­ons­pflichten, Betrof­fe­nen­rechten, Melde­pflichten und Daten­si­cherheit. Die Fanpage-Betreiber müssen klären, dass eine Rechts­grundlage für die Verar­beitung der Insights-Daten besteht. In dem Zusam­menhang stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise Kunden oder Besucher der Fanpage über die Daten­ver­ar­beitung im Zusam­menhang mit ihrem Besuch infor­miert werden müssen. Weiterhin müssen die Betreiber den Verant­wort­lichen für die Daten­ver­ar­beitung der Seite benennen und sonstige geltende recht­liche Pflichten erfüllen. Schließlich müssen die Betreiber alle Nutzer­an­fragen oder Anfragen der Aufsichts­be­hörden per Formular an Facebook weiter­leiten und bei der Klärung der Anfragen kooperieren.

Herrn Valk hat die insights-Verein­barung mit Facebook zwar schon mal abgeschlossen, richtig befriedigt hat ihn die Lösung jedoch noch nicht. Sorge bereitet ihm unter anderem die Ankün­digung seiner zustän­digen Daten­schutz­be­hörde, die Daten­schutz­kon­for­mität von Fanpages in der Verwaltung und bei ausge­wählten Unter­nehmen zu prüfen. Erste Städte sollen die Konse­quenz gezogen und sich aus Facebook verab­schiedet haben. Soweit will Herr Valk nicht gehen. Er wartet lieber noch auf die Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG). Der EuGH hatte nämlich noch nicht das letzte Wort gesprochen, sondern nur im Vorla­ge­ver­fahren Fragen beant­wortet, die für ein Urteil des BVerwG streit­ent­scheidend sind.

2019-01-21T15:27:02+01:0021. Januar 2019|Datenschutz, Digitales|