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Petitionen und Beschwerden: Formlos, fristlos, fruchtlos?

In manchen Fällen kommen Bürger oder Unter­nehmen mit ihren Anliegen bei der Verwaltung nicht weiter. Typischer­weise wird ein Anwalt dann zu Wider­spruch oder Klage vor dem Verwal­tungs­ge­richt raten. Aber was tun, wenn das rechtlich nicht möglich ist, weil mit das Anliegen nicht durch subjektiv öffent­liche Rechte des Betrof­fenen geschützt ist oder wenn die Frist zu Wider­spruch oder Klage abgelaufen ist?

Mitunter bringen Mandanten dann eine „Dienst­auf­sichts­be­schwerde“ in Spiel. Wir raten in der Regel davon ab. Denn die Erfolgs­aus­sichten sind meist gering. Vor allem ist die Dienst­auf­sichts­be­schwerde gar nicht der geeignete Rechts­behelf, um eine erneute Prüfung in der Sache zu initi­ieren. Vielmehr geht es dabei lediglich um Beschwerden über persön­liches Fehlver­halten. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein Beamter anlässlich der Bearbeitung einer Akte, einen Antrag­steller beleidigt – ohne dass dies zu Fehlern bei der Bearbeitung führt. Die Dienst­auf­sichts­be­schwerde hat daher als Risiko und Neben­wirkung, dass der Beamte, der einmal nicht wunsch­gemäß entschieden hat, sich nun auch noch persönlich angegriffen und verletzt fühlt.

Wenn sich dagegen das Fehlver­halten direkt auf die Bearbeitung der Akte auswirkt, so dass der Beamte auch im Ergebnis falsch entscheidet, dann wäre eigentlich die Fachauf­sichts­be­schwerde das Mittel der Wahl. Im Rahmen der Fachauf­sichts­be­schwerde soll nämlich die Recht- und Zweck­mä­ßigkeit einer Maßnahme überprüft werden – gegebe­nen­falls auch von der Aufsichts­be­hörde. Dies macht daher schon eher Sinn, wenn es darum geht, ein Problem ohne übermäßige Schuld­zu­wei­sungen aus der Welt zu schaffen.

Sowohl Dienst- als auch Fachauf­sichts­be­schwerde beruhen übrigens beide auf dem Petiti­ons­recht in Art. 17 GG. Auch Petitionen können sich für Fälle eignen, in denen Wider­spruch oder Klage nicht möglich ist oder die Betrof­fenen aus anderen Gründen davor zurück­scheuen. Bei Missständen, die in die Zustän­digkeit der Landes­ver­waltung fallen, ist es in der Regel möglich, eine Petition beim Landtag einzu­reichen. Die Petition bietet die Möglichkeit, außerhalb des förmlichen Rechtswegs im Rahmen des rechtlich Zuläs­sigen Lösungen für Probleme zu finden, die den Bürgern unter den Nägeln brennen.

Was rechtlich zulässig ist, ist natürlich mitunter umstritten. Der Petiti­ons­aus­schuss muss dabei auch die Stellung­nahme der zustän­digen Landes­mi­nis­terien berück­sich­tigen. In einem von uns bearbei­teten Fall hatten wir einer Bürger­initiative bestätigt, dass Anordnung von Tempo 30 vor eine Schule in einer oberbaye­ri­schen Ortschaft rechtlich möglich sei. Obwohl der Fall relativ eindeutig ist, da ein Zugang der Schule direkt auf eine vielbe­fahrene Straße mit schmalen Gehwegen führt, hält das bayrische Innen­mi­nis­terium weiter dagegen. Es ist zu hoffen, dass der Petiti­ons­aus­schuss unabhängig entscheidet und die recht­liche Expertise würdigt. (Olaf Dilling)

2024-01-24T21:53:24+01:0024. Januar 2024|Allgemein|

VG Berlin: Eilantrag gegen Schul­straße abgelehnt

Seit einiger Zeit entstehen in Frank­reich, Öster­reich und inzwi­schen auch in Deutschland sogenannte Schul­straßen. Das sind Straßen­ab­schnitte oder Straßen rund um Schulen, die (zumindest zu manchen Zeiten) ganz dem Fuß- und Fahrrad­verkehr gewidmet sind. In Öster­reich gibt es für Schul­straßen sogar ein offizi­elles Verkehrs­zeichen, nachdem der neue § 76d vor weniger als zwei Jahren in die Öster­rei­chische StVO aufge­nommen worden ist.

Verkehrsschild aus Österreich mit zwei Schulkindern und der Aufschrift "Schulstraße".

In Deutschland dagegen müssen die Verkehrs­be­hörden mit dem altbe­kannten-berüch­tigten einge­schränkten Möglich­keiten arbeiten, die das Straßen­recht und das Straßen­ver­kehrs­recht so zur Verfügung stellt.

Es muss jedoch in einer Straße nicht immer erst zu schweren Verkehrs­un­fällen gekommen sein, damit die Einrichtung einer Schul­straße möglich ist. Zum Beispiel gibt es in Berlin-Mitte seit letztem Jahr eine erste Schul­straße, die dort „Schulzone“ genannt wird. Das passt insofern, als der entspre­chende Abschnitt der Singer­straße für Kraft­fahr­zeuge dauerhaft und rund um die Uhr gesperrt wurde, so dass dort aktuell eine Art Fußgän­gerzone besteht. Perspek­ti­visch soll sie Teil einer Fahrrad­straße werden, was bei der Ausweisung der Fußgän­gerzone bereits berück­sichtigt wurde.

Vor ein paar Tagen hat das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Berlin den Eilantrag eines an der Straße liegenden Betriebs abgelehnt (Beschluss vom 10.01.2024, Az VG 1 L 408/23). Der Antrag schei­terte bereits an der Zuläs­sigkeit. Denn der Betrieb hatte sich auf seinen Anlie­ger­ge­brauch und private Parkplätze berufen. Er hatte aber von einer anderen, nicht gesperrten Straße einen Zugang zu den auf seinem Betriebs­ge­lände vorhan­denen Stell­plätzen. Das Verwal­tungs­ge­richt begründete seine Ablehnung damit, dass ein weiterer, bloß der Bequem­lichkeit oder der Leich­tigkeit dienender Zugang nicht durch den sogenannten Anlie­ger­ge­brauch geschützt sei. Nur der notwendige Zugang zu einem Grund­stück sei davon umfasst.

Auch der Gemein­ge­brauch von Straßen, also die allge­meine Benutzung für den fließenden und ruhenden Verkehr, insbe­sondere die Nutzung öffent­licher Parkplätze, ist ebenfalls nicht vor Einschrän­kungen durch das Straßen­recht geschützt. Das geht bereits aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 2 Berliner Straßen­gesetz (BerlStrG) hervor.

Die Fußgän­gerzone wurde vom Bezirksamt Mitte im Wege einer Teilein­ziehung einge­richtet. Diese straßen­recht­liche teilweise Entwidmung hat gegenüber straßen­ver­kehrs­recht­lichen Anord­nungen den Vorteil, dass keine Gefah­renlage begründet werden muss. Vielmehr kann die Einrichtung der Fußgän­gerzone durch eine Teilein­ziehung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 BerlStrG mit überwie­genden Gründen des öffent­lichen Wohls begründet werden.

Die Entscheidung zeigt, dass eine Einrichtung von Schul­straßen rechtlich zulässig sein kann und sich notfalls auch vor Gericht vertei­digen lässt. (Olaf Dilling)

2024-01-16T18:42:29+01:0016. Januar 2024|Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|

Straßen­blo­ckaden als legale Protestform?

Straßen­blo­ckaden sind ein von Protes­tie­renden gern genutztes Mittel im politi­schen Meinungs­kampf. Davon betroffene Autofahrer sind davon in der Regel weniger begeistert. Wie legitim und legal Straßen­blo­ckaden sind, wird angesichts der Bauern­pro­teste auch dieses Jahr wieder heiß disku­tiert. Nachdem im letzten Jahr ausgiebig die Proteste der letzten Generation sowohl in der Presse auch in Gerichts­sälen thema­ti­siert worden waren, zeigen sich nun sowohl Gemein­sam­keiten als auch Unter­schiede in der Beurteilung.

Aktuell zeigt eine Eilent­scheidung des Oberver­wal­tungs­ge­richts (OVG) Berlin-Brandenburg, dass Straßen­blo­ckaden, auch wenn sie über einen längeren Zeitraum andauern, nicht per se verboten oder gar kriminell sein müssen. Ausgangs­punkt war die geplante Blockade von sechs Autobahnab- und ‑zufahrten in Brandenburg durch Landwirte, die gegen den Abbau von Subven­tionen und Steuer­erleich­te­rungen protes­tieren wollen. Die zuständige Behörde hatte den Versamm­lungs­leitern Auflagen erteilt, u.a. sollten die Blockaden im 30-minütigen Wechsel zwischen Blockade und Freigabe stattfinden.

Das VG hat im Eilver­fahren die aufschie­bende Wirkung des Wider­spruchs wieder­her­ge­stellt. Die Beschwerde des Antrag­gegners vor dem OVG blieb ohne Erfolg. Das OVG begründete seine Entscheidung mit der Bedeutung der Versamm­lungs­freiheit gemäß Art. 8 GG. In der Abwägung dürfe die Leich­tigkeit des Straßen­ver­kehrs, insbe­sondere die Aufrecht­erhaltung eines gewissen Verkehrs­flusses zwar nicht völlig zurück­stehen. Angesichts einer angemel­deten Dauer von 7 Stunden und einer Sicher­stellung der Durch­fahrt von Polizei, Feuerwehr und Rettungs­fahr­zeugen sei die Gefahr erheb­licher Einschrän­kungen von der Antrags­gegner nicht hinrei­chend dargelegt worden. Denn es stünden ausrei­chend Bundes- und Landes­straßen zur Verfügung auf die ausge­wichen werden könne.

Auch im Zusam­menhang mit Klima­pro­testen haben einige Gerichte klarge­stellt, dass nicht jede Straßen­blo­ckade strafbar sei. Der Tatbe­stand der Nötigung erfordere eine einzel­fall­be­zo­genen Würdigung aller Tatum­stände, so etwa das Kammer­ge­richt Berlin. Aller­dings wurde schon bei weitaus weniger einschnei­denden und dauer­haften Blockaden eine Straf­barkeit angenommen. An sich ist verständlich, dass das OVG die Versamm­lungs­freiheit angesichts ihres Verfas­sungs­rangs stark gewichtet. Aller­dings muss dies dann für alle Protes­tie­renden unabhängig von ihren politi­schen Anliegen gelten. (Olaf Dilling)

2024-01-10T13:02:21+01:0010. Januar 2024|Allgemein, Kommentar, Rechtsprechung, Verkehr, Verwaltungsrecht|