Das zwischen­staat­liche Recht wird aktuell auf extreme Weise heraus­ge­fordert. Man mag darüber streiten, wie viele von seinen Wahlver­sprechen der US-Präsident Trump wirklich erfolg­reich umsetzen kann. Eins ist sicher… er hat schon in wenigen Tagen seiner Amtszeit maximal Porzellan in den inter­na­tio­nalen Bezie­hungen zerschlagen. Um nur drei Beispiele zu nennen:

  • Wer hätte vor Kurzem gedacht, dass Fragen der terri­to­rialen Integrität von NATO-Partnern Teil der Verhand­lungs­masse zwischen den USA und dem Rest der Welt werden? 
  • Seit Jahrzehnten wurde eine Welthan­dels­ordnung auf- und ausgebaut, die auf der Besei­tigung von Handels­hemm­nissen beruht. Das war oft umstritten, gerade bezüglich nicht-tarifärer Hemmnisse, aber bezüglich der tarifären Handels­hemm­nisse, der Zölle, bestand weitgehend Konsens. Im Rahmen der WTO, in Freihan­dels­ab­kommen wie NAFTA (jetzt CUSMA) und innerhalb des EU Binnen­markts wurden sie abgebaut. Durch Trumps Drohung mit Straf­zöllen, erleben Zölle wieder eine Renais­sance – und führen zu Abschottung von Märkten.
  • Klar ist nun auch, dass sich die USA an das Pariser Abkommen weder gebunden fühlen, noch überhaupt menschen­ge­machte Klima­ver­än­derung als ein relevantes Thema ansehen: Infor­ma­tionen darüber wurden inzwi­schen von Regie­rungs­web­seiten entfernt.

Diese Heraus­for­derung stellt damit viele Selbst­ver­ständ­lich­keiten in Frage, die uns in den letzten knapp 80 Jahren gewiss schienen: Verknüpft mit dem Völker- und Europa­recht war zumindest im sogenannten globalen „Westen“, in West- und Nordeuropa, in Nord- und Teilen Südame­rikas, in Australien und Neuseeland, nicht nur eine lange Periode relativen Friedens. Auch das Versprechen eines prospe­rie­renden Welthandels, der Entwick­lungs­zu­sam­men­arbeit bei der Armuts­be­kämpfung, der Bildung, der Gesundheit und in techni­schen Dingen, des Schutzes von Menschen­rechten und der Umwelt waren Ziele des Völkerrechts.

Dass kein simpler Zusam­menhang zwischen den Verhei­ßungen in völker­recht­lichen Verträgen und dem tatsäch­lichen Verhalten der Staaten besteht, war dabei stets klar. Denn weder im EU-Recht und schon gar nicht auf völker­recht­licher, globaler Ebene gibt es eine zentra­li­sierte Staats­gewalt, die das Recht im Zweifel durch­setzen könnte. Das Völker­recht und übrigens auch das EU-Recht sind also stets darauf angewiesen, dass sich die Staaten daran halten und bereits sind, gemeinsam Verstöße sanktio­nieren. Dafür müssen sie eigene Kosten in Kauf nehmen.

Solange diese Bereit­schaft, sich nach Völker­recht zu richten und Verstöße zu sanktio­nieren, grund­sätzlich existiert, kann es Geltung für sich beanspruchen. Angesichts dieser Bereit­schaft verliert das Recht durch einzelne Verstöße, selbst wenn sie unsank­tio­niert bleiben, nicht an Geltung. So ist es im Übrigen auch in natio­nalen Rechts­ord­nungen. Auch hier wird Recht nicht immer konse­quent umgesetzt und trotzdem fühlen wir uns in aller Regel daran gebunden.

Was sich aber in den letzten Wochen seit Trumps Amtsan­tritt geändert hat, ist die offen­sicht­liche Missachtung des Völker­rechts durch mächtigste Land der Welt. Die USA haben lange für sich in Anspruch genommen, als Garant einer liberalen Weltordnung für Demokratie, Markt­wirt­schaft und Menschen­rechte zu stehen. Das spätestens seit der Wiederwahl von Trump Vergangenheit.

Heißt das, dass man das Völker­recht, und damit das Pariser Abkommen, die WTO nun vergessen kann? Nun, wenn die USA nicht mehr die Rolle übernimmt, die Weltordnung aufrecht zu erhalten, dann wird das Völker­recht umso wichtiger. Aller­dings ist es natürlich zutreffend, dass Recht, um wirksam zu sein, durch­ge­setzt werden muss. Daher müssen die Staaten kollektiv Gegen­macht organi­sieren, um das Verstöße gegen das Völker­recht sanktio­nieren zu können. Es stimmt schon, „might makes right“. Aber man sollte nicht unter­schätzen, dass die Betrof­fenheit durch Rechts­ver­stöße Allianzen mobili­sieren kann, die sich dann machtvoll selbst­be­haupten können.

Diese Empörung führt zunächst einemal zu neuen Konflikt­linien und birgt ihrer­seits Gefahren für den Weltfrieden. Wenn die betrof­fenen Staaten zusam­men­halten, sich solida­risch verhalten und etablierte Struk­turen wie die UN (oder innerhalb Europas die EU) nutzen, um ihre Konflikte zu lösen, kann verhindert werden, dass sich der Konflikt zu einem Flächen­brand ausweitet. Organi­sa­tionen wie die United Nations mit dem UN Environ­mental Programme sowie IPCC, aber auch die WTO und bezogen auf europäische Konflikte die EU werden daher in den nächsten Jahren wichtiger denn je, um Frieden zu garan­tieren. (Olaf Dilling)