Block­chain II: Und was macht man nun damit?

Während sich zumindest verbal fast alle einig sind, dass die Block­chain technisch das Zeug hat, die Energie­wirt­schaft drastisch zu verändern, hört es bei der Frage, was genau sich denn ändern wird, oft schon auf.

Inter­essant sind in dieser Hinsicht Studien der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) und der Hochschule ESMT aus 2016 und der pwc im Auftrag der Verbrau­cher­zen­trale NRW, ebenfalls aus 2016. Beide Studien unter­suchen insbe­sondere, welche konkreten Anwen­dungs­felder die Block­chain bietet und kommen zum Ergebnis, dass sich insbe­sondere folgende Bereiche anbieten:

  • Zahlungs­verkehr ohne Banken (zB Bankymoon, Solarcoin mit einer energie­ba­sierten Währung), inter­essant insbe­sondere in Gegenden, in denen Banken nicht sicher oder nicht verfügbar sind. Oder man das Geld schlicht lieber spart.
  • Zahlungs­verkehr plus, also eine Organi­sation von Geldflüssen und flankie­renden anderen Leistungen, wie etwa Aufladen eines Elektro­autos, wie das Innogy­projekt Blockcharge.
  • Smart Contracts zur Organi­sation kleiner Netze, wie etwa das Brooklyn Microgrid, in dem Erzeuger und Abnehmer solarer Energie über in die Block­chain einge­bundene intel­li­gente Messein­rich­tungen den Strom­ver­trieb eigen­ständig organisieren.
  • Komplexe Anwen­dungen, die Smart Contracts und Zahlungen mitein­ander verbinden, wie etwa die Energie­da­ten­analyse und Energie­da­ten­bench­marking, Smart-Grid-Management, Handel von Grünstrom­zer­ti­fi­katen und Entscheidungsplattformen.

Doch ist das wirklich schon alles? Ist die Block­chain wirklich nur für den Vertrieb inter­essant? Ich meine nein: Denkt man über den techni­schen Mecha­nismus der Block­chain nach, so sind kaum Anwen­dungen denkbar, für die die Block­chain keine Rolle spielen könnte. Denn die Block­chain ist an sich ja erst einmal nichts als eine digitale Trans­aktion zwischen A und B. Der Unter­schied zu einer schlichten bilate­ralen Abrede  besteht allein darin, dass A und B in ein Netzwerk einge­bunden sind, das alle Trans­ak­tionen in diesem Netz dokumen­tiert. Zu diesem Zweck wird die Trans­aktion als Daten­block zusam­men­ge­fasst, so dass die grund­le­genden Infor­ma­tionen als ein kleines Daten­paket vorliegen. Dieses befindet sich nun aber nicht nur (wie bei bilate­ralen Verträgen) auf den Computern von A und B, wo es leicht manipu­liert werden könnte. Sondern verteilt auf unzäh­ligen Computern im Netzwerk, was eine Manipu­lation der erzeugten Pakete praktisch ausschließt. Findet nun über denselben Gegen­stand eine weitere Trans­aktion statt, wird diese jeweils an das bereits bestehende Daten­päckchen geheftet, so dass eine Kette von Daten­päckchen, eben eine Block­chain, entsteht. Da die Pakete verschlüsselt sind, kann nicht jeder Netzwerk­teil­nehmer auslesen, was A und B mitein­ander vereinbart haben, so dass durch die Verteilung zwar gewähr­leistet ist, dass keiner manipu­liert, aber trotzdem nicht jeder alles weiß.

Über eine solche Struktur kann aber fast alles, was die Energie­wirt­schaft leistet, als Infor­mation, als Verpflichtung oder als Zahlung abgebildet werden. Welches Kraftwerk produ­ziert wann? Die Block­chain könnte die Einsatz­rei­hen­folge anhand von wirtschaft­lichen Echtzeit­daten und gesetz­lichen Vorgaben berechnen und die Produktion aufrufen. Der Großhandel. Der Vertrieb, der in jedem Moment die wirtschaftlich günstigste Angebot aufrufen und so Kosten sparen könnte. Aber auch im Netzbe­trieb wäre es denkbar, Reser­ve­en­ergie, aber auch alle anderen Maßnahmen zur Unter­stützung der System­sta­bi­lität über eine Block­chain zu organi­sieren, die beispiels­weise Smart Contracts über verschiedene Währungen für unter­schied­liche Produkte wie etwa Base, Peak, Minuten­re­serve, Abwurflast etc. abschließen könnte.

Bräuchte man dann noch eine Trading, einen ausge­bauten Netzbe­trieb und würden Verbraucher überhaupt noch beim Stadtwerk unter­schreiben? Im nächsten Teil der kleinen Blogreihe zur Block­chain beschäftige ich mich mit der Frage, was den Stadt­werken dann eigentlich noch bleibt. Und wie die Energie­wirt­schaft aussehen könnte, wenn dieser Tornado über sie hinweg­ge­gangen sein wird.

2018-04-25T10:23:35+02:0024. April 2018|Digitales|

Block­chain I: Von Blogs zur Blockchain

Als ich Studentin war, gab es Zeitungen und Blogger. Zeitungen nahmen Blogger nicht ernst. Zeitungen waren die Öffent­lichkeit, Blogger waren Leute mit zuviel Zeit, die im Internet über ihre total egalen Privat­an­ge­le­gen­heiten schrieben. Ernst­hafte Leute mit Krawatten und Vorzim­merdame nahmen derlei Umtriebe gar nicht erst ernst.

Nun gut. Heute bin ich über 40 und zur re:publica 18 in der nächsten Woche erscheinen so um die 7.000 Leute (ich auch*). Die bekann­testen Blogger erreichen mehr Menschen als eine normale Zeitung, und für Leute, die heute so jung sind wie ich damals, sind Menschen Stars, die ihren Alltag für YouTube filmen. Die Zeitungen gibt es zwar noch. Aber von ihrem alten Selbst­be­wusstsein ist nicht viel übrig. Die Zeit ist nicht gänzlich über sie hinweg­ge­gangen, aber sie haben ihre Bedeutung als Flaschenhals und Mittelsmann zwischen Infor­mation, Unter­haltung und dem Bürger verloren. Es gibt keine klaren Grenzen mehr zwischen Sender und Empfänger. Wir alle sind je nach Gusto und Tagesform beides.

Disku­tiert die Energie­wirt­schaft über die Block­chain, muss ich an diese 20 Jahre alten Debatten denken. Wie die Zeitungen vor 20 Jahren glauben auch Energie­ver­sorger heute, dass sie nicht wegzu­denken wären. Zwar werden gegen­wärtig ständig irgendwo Vorträge über die Block­chain in der Energie­wirt­schaft gehalten, deren Fazit stets darin mündet, dass auch in Hinblick auf Strom Mittels­männer überflüssig seien. Statt dessen würden Unter­nehmer und Verbraucher gleich­zeitig Strom erzeugen, etwa über Solar­pa­neele auf dem Dach oder ein BHKW auf dem Betriebs­ge­lände. Und natürlich auch Strom verbrauchen. Der überschüssige Strom würde dann über die Block­chain, also ein dezen­trales System, das alle Trans­ak­tionen fälschungs­sicher dokumen­tiert, an andere Verbraucher verkauft. Weil die Block­chain für diese Trans­ak­tionen die Computer der Erzeuger und Verbraucher nutzt, wären Energie­ver­sorger schlag­artig überflüssig.

Sprich man nach diesen Vorträgen aller­dings beim Pausen­kaffee mit Energie­ver­sorgern, so wirken die insgesamt eher weniger alarmiert. Angesichts einer Techno­logie, die technisch bereits funktio­niert und nichts weniger als die eigene Abschaffung auslösen würde, ist diese Ruhe eigentlich nur mit Fanta­sie­lo­sigkeit zu erklären. Doch ebenso, wie Medien Ideen brauchen, wie sie in Zukunft bestehen sollen, sollte auch die Energie­wirt­schaft Modelle entwi­ckeln, welche Rolle sie künftig spielen könnte. Und wer das bezahlt.

Ob die Visionen einer stadt­werks­freien Zukunft wirklich eintreten, kann ich natur­gemäß ebenso wenig prognos­ti­zieren wie alle anderen Leute, auch wenn die vielleicht mit mehr Inbrunst so tun, als hätten sie eine Glaskugel im Keller. In den nächsten Tagen werde ich aber in einigen kurzen Texten Fragen ansprechen, die die Block­chain stellt, unter anderem: Was für Pilot­pro­jekte gibt es schon in Hinblick auf die Block­chain in der Energie­wirt­schaft? Welche Prozesse könnte sie unter­stützen oder übernehmen? Und wo kommen die heutigen Energie­ver­sorger in diesen Szenarien vor?

*Wenn Sie auch zur re:publica kommen, freue ich mich über einen Kaffee. Mailen Sie mir gern.

2018-04-23T22:01:48+02:0023. April 2018|Digitales|

Aus aktuellem Anlass: Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse und das UIG

Die Deutsche Umwelt­hilfe (DUH) hat sich vor Gericht ein weiteres Mal durch­ge­setzt. Das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Schleswig hat das Kraft­fahrt-Bundesamt (KBA) zur Offen­legung des gesamten Schrift­verkehr zwischen dem VW-Konzern und der Behörde verur­teilt, der im Herbst 2015 zur Anordnung des Rückrufs von Betrugs-Diesel-Pkw führte.

Zunächst hatte sich die Behörde darauf berufen, der gesamte Akten­inhalt sei als Betriebs- und Geschäfts­ge­heimnis anzusehen. Deswegen hatte sie der DUH auf eine erste richter­liche Entscheidung 581 vollständig geschwärzte Seiten übergeben. Dies ist laut VG Schleswig unzulässig. Ob es auch dabei bleibt? Zwar ist die Berufung laut ersten Presse­be­richten nicht eröffnet. Aber auch in diesem Fall ist es möglich, durch einen Berufungs­zu­las­sungs­antrag den Weg in die zweite Instanz doch zu erzwingen.

Doch was hat es mit dem Umwelt­in­for­ma­ti­ons­an­spruch auf sich, der hier erfolg­reich geltend gemacht wurde? § 3 Abs. 1 Umwelt­in­for­ma­ti­ons­gesetz (UIG) gewährt jedermann das Recht auf freien Zugang zu Umwelt­in­for­ma­tionen. Jedermann meint hier wirklich jeder. Auch der Kreis der infor­ma­ti­ons­pflich­tigen Stellen, die laut Gesetz zur Infor­mation verpflichtet sind, ist außer­or­dentlich groß und umfasst keineswegs nur Behörden im engeren Sinne des Wortes, sondern zB auch die Deutsche Bahn, wenn sie öffent­liche Aufgaben erfüllt. Dass das KBA als Behörde verpflichtet ist, steht außer Frage.

Nun wird kaum jemand etwas dagegen haben, dass Behörden Infor­ma­tionen bekannt­geben müssen, die sie haben. Heikel wird es erst dann, wenn man sich verge­gen­wärtigt, dass in den seltensten Fällen die Behörden die Umstände verur­sacht haben, die der Bürger wissen will. In aller Regel geht es um Vorgänge in Unter­nehmen, die in Berichten oder Schrift­wechseln zu den Behörden gelangt sind.

Nun gibt kein Unter­nehmen gern Interna bekannt. Zum einen aus Angst vor Konkur­renten, die zB auf Rezep­turen oder Markt­daten schließen könnten. Zum anderen, um eine ohnehin kritische Öffent­lichkeit nicht noch zusätzlich zu munitio­nieren. Deswegen hat der Gesetz­geber mit § 9 Abs. 1 UIG eine Regelung geschaffen, die Behörden das Recht zur Infor­ma­ti­ons­ver­wei­gerung gibt, u. a. dann, wenn die Umwelt­in­for­ma­tionen, die jemand verlangt, Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse enthalten.

In der Praxis wird diese Regelung weidlich ausge­nutzt. Viele Unter­nehmen halten fast alles, was sie tun, für geheim und dringen deswegen auf möglichst komplette Schwär­zungen. Andere Unter­nehmen haben tatsächlich etwas zu verstecken. Ohne abschließend beurteilen zu können, zu welcher Kategorie der Volks­wagen Konzern gehört: Offenbar ist das Geheim­hal­tungs­in­teresse dort so groß, dass man sich lieber mit einer – gegenüber dem KBA angeregten – Komplett­schwärzung verdächtig macht, als dem engagierten Verband zu geben, was er will.

Doch erfolg­ver­spre­chend ist diese Strategie nicht. Bei Behörden, die nichts mit Umwelt zu tun haben, werden Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse nach § 6 des Infor­ma­ti­ons­freiheit-Gesetzes (IFG) nur veröf­fent­licht, wenn der Betroffene zugestimmt hat. In schönstem Juris­ten­deutsch des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts sind Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse „alle auf ein Unter­nehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offen­kundig, sondern nur einem begrenzten Perso­nen­kreis zugänglich sind und an deren Nicht­ver­breitung der Rechts­träger ein berech­tigtes Interesse hat.“

Aber das UIG ist großzü­giger. Hiernach dürfen Betriebs- und Geschäfts­ge­heim­nisse auch gegen den Willen des betrof­fenen Unter­nehmens veröf­fent­licht werden, wenn das öffent­liche Interesse an der Bekanntgabe das Unter­neh­mens­in­teresse an Geheim­haltung überwiegt. Dies bejaht die Recht­spre­chung dann, wenn „mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allge­meine Interesse hinausgeht, das bereits jeden Antrag recht­fertigt.“ Dass dies hier vorliegt, liegt angesichts der Skandal­wirkung und der prakti­schen Auswir­kungen auf Millionen Autofahrer jeden­falls durchaus nahe.

Was bedeutet das nun für die Praxis? Wer Grund zur Neugierde hat – oder auch einfach so neugierig ist – kann sich nun auch auf diese Entscheidung berufen. Als Unter­nehmen, das umwelt­be­zogene Geheim­nisse hat, sollte man deswegen bereits frühzeitig mit den Behörden abstimmen, wie auf Infor­ma­ti­ons­an­sprüche reagiert werden sollte und sich dabei sorgfältig hinter­fragen, was wirklich geheim ist und was getrost an die Öffent­lichkeit gelangen kann. Gefährlich ist jeden­falls Mauern und Abschotten, denn das erhöht die Gefahr, dass man am Ende weitge­hender zur Offen­legung verur­teilt wird, als unbedingt hätte sein müsse.

2018-04-22T12:03:38+02:0022. April 2018|Allgemein, Verwaltungsrecht|