Kohle braucht halt länger: LG Essen weist RWE-Klage zu Datteln ab
Ob ein riesiger Steinkohle-Monoblock überhaupt noch in die Erzeugungslandschaft passt, war auch vor 15 Jahren schon sehr umstritten. Allerdings – und das sprach unbestritten für den Brontosaurier – sollte Datteln IV es E.ON (heute Uniper) ermöglichen, ältere, noch emissionsintensivere Kraftwerke abzuschalten. Irgendwo muss der Strom ja herkommen.
Doch von Anfang an stand das Kraftwerk unter keinem guten Stern. Statt wie geplant 2011 in Betrieb zu gehen, hob das OVG Münster mit Entscheidung aus 2009 (Az.: 10 D 121/07.NE)die planerische Grundlage der damals in Bau befindlichen Anlage auf. Die Anlage stand weder an der richtigen Stelle, noch war sie mit den Vorgaben des Landesentwicklungsplans (LEP) vereinbar, außerdem waren der Kühlturm wohl zu hoch und weder der Störfall noch die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes ausreichend berücksichtigt worden. Das OVG Münster eröffnete der E.ON noch nicht einmal die Revision, was das BVerwG auch noch bestätigte (BVerwG 4 BN 66.09).
Noch im selben Jahr stoppte das OVG Münster die Bauarbeiten, indem es die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen zwei (wenn auch nicht drei) Teilgenehmigungen feststellte (8 B 1342/09. AK, 8 B 1343/09.AK, 8 B 1344/09.AK). Im Sommer 2012 fiel – wieder vorm OVG Münster – der Vorbescheid (8 D 38/08.AK), und auch gegen diese Entscheidung gab es keine Revision. E.ON wollte ungefähr zeitgleich zumindest die Genehmigung für die Vorgängeranlage behalten und widerrief deswegen eine Verzichtserklärung hinsichtlich der Altgenehmigung für die Vorgängeranlage. Aber auch damit scheiterte das Unternehmen vorm OVG Münster (8 D 47/11.AK).
Doch schließlich kamen – vermeintlich – bessere Zeiten für das Kraftwerk in NRW. Mithilfe eines Zielabweichungsverfahrens konnte doch 2014 eine wirksame planerische und genehmigungsrechtliche Grundlage für das Kraftwerk geschaffen werden. Die Klage einer benachbarten Gemeinde gegen die Zielabweichungsentscheidung scheiterte 2016 vorm VG Gelsenkirchen (9 K 4438/14).
Doch auch heute – sieben Jahre nach der geplanten Inbetriebnahme – fließt kein Strom. Erst kürzlich musste die Betreiberin mitteilen, dass der Dampferzeuger schadhaft ist und die Inbetriebnahme wohl erst frühestens Ende 2018 stattfinden kann. Es könne nicht alles „auf Anhieb klappen“, ließ die Unternehmenssprecherin verlautbaren. Kein Wunder, dass angesichts der jahrelangen Verzögerungen auch der Stromkunde RWE kein Interesse mehr an der Anlage hatte. RWE versuchte 2016, den Bezugsvertrag über rund ein Drittel der Stromproduktion der Anlage zu kündigen. Ein weiterer Grund war der gegenüber der Preisvereinbarungen im Vertrag deutlich nach unten abweichende heutige Strompreis.
Doch Uniper nahm die Kündigung nicht hin und zog per Feststellungsklage vors LG Essen (3 O 28/2017). Dieses entschied nun : Mitgefangen, mitgegangen, mitgehangen. Die Kündigung des RWE ist unwirksam, der Bezugsvertrag bleibt. In diesem Zusammenhang sind mündliche Äußerungen des Gerichts interessant: Die Verzögerungen seien zwar untypisch lang. Mit Blick auf Umweltaspekte sei aber auch eine solche Verzögerung noch einzurechnen. Jahrelange Klagen mit wie hier siebenjährigen Verzögerungen sind also in der Energiewelt die neue Normalität, auf die sich Unternehmen einzustellen haben.
Nun liegt es nahe, dass das Lieferverhältnis zwischen Uniper und RWE nach dem diese Woche verkündeten Deal sich ohnehin ganz anders gestalten wird, als bei Vertragsschluss absehbar. Ob es eine Klärung dieser neuen Normalität in einer neuen Instanz geben wird, wird deswegen erst die Zukunft zeigen.