Im vorläu­figen Rechts­schutz: Kammer­ge­richt stoppt Vergabe für Stromnetz Berlin nicht

Erinnert sich noch jemand daran, dass der Betrieb des Strom­netzes Berlin neu vergeben werden sollte? Im Jahre 2011 hatte das Land das Verga­be­ver­fahren für sein Stromnetz initiiert, da die Konzes­sionen für Strom und Gas im Dezember 2014 auslaufen sollten. Seitdem ist viel Wasser die Spree herun­ter­ge­flossen. Heute immerhin hat das Kammer­ge­richt Berlin in zweiter Instanz schon einmal – im sog. „Eilver­fahren“ – beschlossen, dass das Konzes­sio­nie­rungs­ver­fahren nicht gestoppt wird. Hinter­grund ist ein Antrag auf Unter­bre­chung des Verfahrens gem. § 47 V EnWG im einst­wei­ligen Rechts­schutz, mit dem Vattenfall gegen das Land Berlin bereits letztes Jahr vor dem Landge­richt unter­legen war.

Vattenfall hatte seinen Antrag mit Rügen gegen die Auswahl­kri­terien begründet. Diese seien diskri­mi­nierend und intrans­parent. Das Verfahren solle bis zur Erstellung neuer, recht­mä­ßiger Kriterien ausge­setzt werden. Demge­genüber hat das Gericht nun entschieden, dass nicht festzu­stellen sei, dass die von dem Land Berlin formu­lierten Anfor­de­rungen an die Eignung der Bieter in dem gegen­wär­tigen Verfah­rens­stadium gegen das Diskri­mi­nie­rungs­verbot oder das Trans­pa­renz­gebot verstießen. Die in den Verfah­rens­briefen angege­benen Kriterien und Vorgaben für die Auswahl des künftigen Konzes­sionärs seien weder intrans­parent noch diskriminierend.

Durch die Novelle des Energie­wirt­schafts­ge­setzes von 2017 sollen sich Beschwerden bezüglich der Konzes­si­ons­vergabe stärker auf das Verfahren und nicht nur auf das Auswahl­er­gebnis beziehen. Dadurch sollte verhindert werden, dass der unter­legene Bieter in der gericht­lichen Anfechtung der endgül­tigen Auswahl­ent­scheidung eine umfas­sende Überprüfung verlangen kann. Den verschie­denen Stufen des Verga­be­ver­fahrens entsprechen nach der neuen Rechtslage Rügeo­b­lie­gen­heiten, die, wenn sie ungenutzt verstreichen, zum Ausschluss der Rügemög­lichkeit führen (Präklusion). Wegen dieser Präklu­si­ons­wirkung hat das Kammer­ge­richt, anders als das erstin­stanzlich mit dem Antrag befasste Landge­richt, das Verfahren auf die gerügten Verstöße nicht nur überschlägig, sondern umfassend und detail­liert geprüft. Zugleich wurden Rügen, die den späteren Verfah­rens­schritt der Auswahl des Betreibers betrafen, wie z.B. das Vorbringen, die Verga­be­stelle sei nicht neutral, der landes­eigene Betrieb werde bevorzugt und das Land Berlin missbrauche seine Markt­macht, (noch) nicht zum Gegen­stand der Prüfung durch das Kammer­ge­richt gemacht.

Am wenigsten dürfte die fortdau­ernde Verzö­gerung Vattenfall stören. Denn der Energie­konzern hält aktuell die Konzession und fährt satte Gewinne ein, solange das Stromnetz Berlin noch nicht ander­weitig vergeben worden ist. Nun sollte der Auswahl des künftigen Netzbe­treibers im Prinzip nichts mehr entge­gen­stehen, oder etwa nicht? Nun, mit Vattenfall konkur­riert Energie Berlin, ein landes­ei­gener Betrieb. Das Ergebnis der Vergabe wird insofern mit Spannung erwartet – oder genauer gesagt… der Ausgang des nun wohl noch zu erwar­tenden Eilver­fahrens hinsichtlich der Auswahl­ent­scheidung. Der Terminus vorläu­figer Rechts­schutz dürfte durch die Novelle des Energie­wirt­schafts­ge­setzes eine ganz neue Bedeutung bekommen.