Akteneinsicht wegen Tierschutz
Die Anpassung des Umweltrechts an Europa hat die deutschen Verwaltung den Bürgern ein gutes Stück weit geöffnet. Die Aarhus-Konvention von 1998 hat drei Säulen: Zugang zu Umweltinformationen, Beteiligung und Mitwirkung von Verbänden und Zugang zu Gerichten. Wer einen Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen stellt, braucht nicht einmal ein rechtlich geschütztes Interesse. Im Prinzip soll sich jeder bei den Behörden informieren können. Der Zugang zum Umweltinformationen ist ein effektives Korrektiv für eine Verwaltung, die dem Gesetzgeber oft mit dem Vollzug der umweltrechtlichen Vorschriften hinterherhinkt. Auch Mauscheleien zwischen Unternehmen und Behörden werden durch den Zugriff der Öffentlichkeit verringert.
Im neuen Jahrtausend ist nicht nur die Umweltverwaltung einer stärkeren öffentlichen Kontrolle ausgesetzt. Seit 2005 gibt es mit dem Informationsfreiheitsgesetz eine vergleichbare Regelung für Zugang zu allen möglichen Informationen bei Bundesbehörden. Seit 2008 wurde außerdem mit dem Verbraucherinformationsgesetz (VIG) auf Lebensmittelskandale reagiert. Seither müssen Informationen über bestimmte Lebens- und Futtermittelerzeugnisse und sicherheitsrelevante Verbraucherprodukte von der Verwaltung herausgegeben werden.
Vor ein paar Tagen hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einen Fall entschieden, in dem es um Verbraucherinformationen über Verstöße gegen Tierschutzvorschriften in einer Geflügelschlachterei ging. Die Geflügelschlachterei hatte ursprünglich behauptet, dass es gar nicht um Verbraucherschutz ginge, sondern dass letztlich Tierschutzverbände sie schlecht machen wollten. Schon die Vorinstanzen hatten geklärt, dass es darauf nicht ankommt. Außerdem waren die Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen nie offiziell per Verwaltungsakt festgestellt worden. Das BVerwG entschied, dass auch unabhängig von einem Verwaltungsakt Ansprüche auf Informationszugang bestehen können. Außerdem seien nicht nur produktbezogene, also direkt für die Gesundheit des Verbrauchers relevante Informationen, sondern auch Informationen über hygienische oder tierschutzbezogene Misstände in der Produktionsstätte im Sinne des VIG relevant.
Zuvor hatte im Juli das OVG Münster in einem ähnlichen Fall anders entschieden. Hier hatte ein Tierschutzverband auf Akteneinsicht über einen Schweinezuchtbetrieb geklagt. Allerdings nicht unter Berufung auf das VIG, sondern auf das nordrhein-westfälische „Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereinigungen“. Die Richter hatten die Tierschützer schlicht und ergreifend darauf hingewiesen, dass das Gesetz seit Ende 2018 außer Kraft getreten sei. Ob – wie vom BVerwG – auch ein Anspruch aus dem Verbraucherinformationsgesetz geprüft wurde, geht aus der Pressemitteilung nicht hervor.