Die Gemeinderatssitzung mit Claqueuren
Gemeinderatssitzungen unterliegen dem Grundsatz der Öffentlichkeit, der eine Ausprägung des Demokratieprinzips auf kommunaler Ebene ist. Um das mal zu veranschaulichen: Sagen wir, durch eine deutsche Großstadt führt eine Bundesstraße, die zu einer Autobahn ausgebaut werden soll. Bei der Gemeinderatssitzung in der die Sache auf der Tagesordnung steht, wird entsprechend Andrang erwartet, so dass die Verwaltung beschließt, Eintrittskarten zu vergeben. Zum Teil werden die an die im Gemeinderat vertretenen Parteien nach Proporz vergeben, zur Weiterverteilung an Interessierte, zum Teil an die Presse, zum Teil an den Bürgermeister und andere Funktionsträger. Am Ende können unter anderem vier Mitglieder einer Bürgerinitiative kommen, die für den Ausbau ist, die Bürgerinitiative, die sich dagegen ausspricht, geht dagegen leer aus.
So geschehen im November 2015 in Gelsenkirchen. Das dortige Verwaltungsgericht hatte auf die Klage einer Ratsfraktion hin, zunächst die Gemeinderatsbeschlüsse für unwirksam erklärt, da sie unter Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zustandegekommen seien. Denn die Vergabe der Eintrittskarten sei willkürlich gewesen, bzw. es sei zu einer gezielten Steuerung der politisch vertretenen Meinungen im Zuschauerraum gekommen. In Folge könne eine Beeinflussung bei der Abstimmung der einzelnen Ratsmitglieder und Fraktionen nicht ausgeschlossen werden.
Gegen diese Entscheidung wurde zunächst Berufung beim OVG Münster und schließlich Revision beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Diese Gerichte haben dem Verwaltungsgericht grundsätzlich zugestimmt, dass es zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit gekommen ist. Allerdings seien die Beschlüsse dadurch nicht unwirksam geworden. Denn die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes führt nach Auffassung der Gerichte nur bei schweren Verstößen zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse. So etwa wenn überhaupt keine Sitzungsöffentlichkeit hergestellt wird. Bei der streitgegenständlichen Gemeinderatssitzung war aber immerhin ein Teil der Eintrittskarten frei an interessierte Bürger ohne Ansehung der Person vergeben worden. Daher hatte die Einschränkung der Sitzungsöffentlichkeit letztlich keine Folgen für die gefassten Beschlüsse.
Für Kommunen bedeutet diese Rechtsprechung, dass bei der Vergabe knapper Plätze für die Öffentlichkeit möglichst nach Kriterien vergeben werden sollen, die Chancengleichheit sicherstellen. Etwa „first come, first serve“ (Olaf Dilling).