Friedhof der verges­senen Gerichtsurteile

In Berlin-Kreuzberg sind im Vikto­riapark diesen Sommer Gedenk­tafeln für Gerichts­ent­schei­dungen einge­weiht worden, die vor ca. 140 Jahren ergangen sind. In dem Zusam­menhang hat der Initator der Tafeln, der Bezirks­ver­ordnete und Staats­rechtler Dr. Timur Husein, auch angeregt, das öffent­liche Gedenken auch bezüglich weiterer Gerichts­ent­schei­dungen zu pflegen. In der Legal-Tribune-Online wurden bereits die Elfes-Urteil-Straße oder ein Brokdorf-Beschluss-Boulevard ins Spiel gebracht. Für Nicht­ju­risten ist das wohl eine eher abwegige Vorstellung.

Luftbild des Viktoriaparks mit Kreuzbergdenkmal

Tatsächlich haben die Kreuzberg-Entschei­dungen aber zu Recht Rechts­ge­schichte gemacht. Hinter­grund ist das polizei­liche Verbot in der Methfes­sel­straße in Berlin-Kreuzberg große Miets­häuser zu errichten. Das Verbot hatte den Hinter­grund, dass auf dem Kreuzberg im heutigen Vikto­riapark ein Denkmal von Schinkel an die Befrei­ungs­kriege erinnert. Dieses Denkmal wäre durch die Bebauung verdeckt worden. Das Verbot sollte also lediglich ästhe­ti­schen Gründen dienen.

Das damalige Preus­si­schen Oberver­wal­tungs­ge­richt entschied, dass es nicht Aufgabe der Polizei sei, ein solches Verbot zu erlassen, denn die Aufgabe der Polizei sei die Gefah­ren­abwehr. Zudem sei auch die Polizei an Gesetz und Recht gebunden. Insofern wird die Entscheidung auch heute noch in Polizei­rechts­vor­le­sungen als ein Ursprung von Rechts­staat­lichkeit referiert.

Das Kreuz­berg­denkmal ist übrigens heute noch sichtbar. Das liegt daran, dass es später unter erheb­lichem techni­schen Aufwand auf eine Art gemau­ertes Podest gesetzt wurde. Manchmal hat eben doch nicht das Recht, sondern die Technik das letzte Wort (Olaf Dilling).