Auch Umparken ist Parken

Das Straßen­recht und die zentrale Kategorie des Gemein­ge­brauchs bietet immer wieder Anlass für Versuche, die Benutzung des öffent­lichen Straßen­raums einzu­schränken. Letztes Jahr hatte das Verwal­tungs­ge­richt (VG) Hannover über einen Fall zu entscheiden, in dem eine Kommune einem Abschlepp­un­ter­nehmen untersagt hatte, auf Privat­park­plätzen unzuläs­si­ger­weise abgestellte Pkws auf öffent­liche Parkplätze umzusetzen.

Das Abschlepp­un­ter­nehmen hatte den betrof­fenen Kfz-Haltern zunächst nicht gesagt, wo es die falsch geparkten Autos abgestellt hatte. Dadurch konnte es Druck auf die Halter ausüben, die Abschlepp­kosten zu bezahlen. Der Bürger­meister der Gemeinde war der Auffassung, dass dies ein schwer­punkt­mäßig kommer­zi­eller Zweck sei. Die Verkehrs­funktion des Parkens würde dagegen in den Hinter­grund treten. Das hätte zur Konse­quenz, dass das Umparken sich nicht im Rahmen des Gemein­ge­brauchs bewegen würde. Vielmehr sei es eine gebüh­ren­pflichtige Sonder­nutzung. Daher unter­sagte er die Praxis.

Dagegen klagte das Unter­nehmen vor dem VG Hannover und bekam recht. Denn nach Aufassung des Gerichts richte sich die recht­liche Beurteilung des Umsetzens nicht nach Straßen­recht, sondern nach den Vorgaben der Straßen­ver­kehrs-Ordnung. Das Parken der Kraft­fahr­zeuge sei hinsichtlich seiner Zuläs­sigkeit ausschließlich nach den straßen­ver­kehrs­recht­lichen Vorschriften, also insbe­sondere § 12 StVO, zu beurteilen. Nur wenn ein Fahrzeug nicht zum Verkehr zugelassen oder nicht betriebs­bereit sei, könne eine Ausnahme vom Gemein­ge­brauch vorliegen. Dass derjenige, der Fahrzeuge auf Parkplätzen abstellt, dabei auch gewerb­liche Inter­essen verfolgt, spreche primär nicht gegen das Parken.

Das Abschlepp­un­ter­nehmen habe im Übrigen ein Interesse daran, dass die Kosten übernommen und das Fahrzeug wieder in Betrieb genommen würde. In der Regel würden die Fahrzeuge auch innerhalb weniger Stunden ausgelöst.

Inter­essant ist diese Entscheidung deshalb, weil sie zeigt, dass die Definition des Gemein­ge­brauchs auf Landes­ebene nur einen engen Spielraum aufweist. Im Grunde ist nach der Recht­spre­chung weitgehend durch das Straßen­ver­kehrs­recht festgelegt, was zum Gemein­ge­brauch zählt und was Sonder­nutzung genehmigt werden muss. Dadurch werden den Gestal­tung­s­piel­räumen von Ländern und Kommunen relativ enge grenzen gesetzt (Olaf Dilling).

2021-05-27T23:38:28+02:0027. Mai 2021|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Der gesperrte Parkplatz

Nicht nur Ampeln, auch Verkehrs­zeichen können für Unklarheit sorgen. Jeden­falls gibt es eine Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Schwerin, die dies deutlich macht. Darin geht es um einen großen Parkplatz, der in der Nähe des Bahnhofs gelegen ist. Wegen eines Fußball­spiels und eines dort geplanten Polizei­ein­satzes war der Parkplatz vorsorglich gesperrt worden.

Mit dem Verkehrs­zeichen 250 aus der Anlage 2 zur StVO. Im Volksmund heißt dieses Schild „Durch­fahrt verboten“. Die offizielle Bezeichnung ist dagegen „Verbot für Fahrzeuge aller Art“. Das Schild war mit Zusatz­zeichen versehen, die darauf hinwiesen, dass die Sperre an einem bestimmten Datum und nur von 15 bis 18 Uhr wirksam sein solle.

Was aus der Beschil­derung nicht hervorging: Ob zu dieser Zeit neben dem Ein- und Ausfahren auch das Parken verboten sein soll. Und tatsächlich standen zur Zeit des Polizei­ein­satzes hier einige Autos, die deshalb abgeschleppt wurden. Da einer der Kfz-Halter seinen Gebüh­ren­be­scheid angefochten hat, musste sich das Verwal­tungs­ge­richt mit der Frage befassen. Und es kam zu dem Schluss, dass das Zeichen „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ tatsächlich neben dem fließenden auch den ruhenden Verkehr betrifft.

In fast allen Fällen ist dies auch verständlich. Denn wie soll man irgendwo parken, wenn man nicht zuerst irgendwie dort hinge­fahren ist. Aller­dings ist dies bei tempo­rären Straßen­sperren nicht ganz so eindeutig. Denn der Autofahrer steckt ja in der Regel nicht drin und kann oft nicht sagen, aus welchen Gründen eine temporäre Sperre ausge­sprochen wird. Das Gericht hatte jedoch sowohl die Anlage zur StVO genau gelesen, in der Fahrzeuge und nicht etwa die Durch­fahrt mit diesen Fahrzeugen verboten ist. Außerdem hat es in den Gesetz­ge­bungs­ma­te­rialien gefunden, dass der Gesetz­geber genau dies gewollt hatte: nämlich auch den ruhenden Verkehr mit diesem Schild zu verbieten.

Wir finden die Entscheidung des Gerichts zwar nachvoll­ziehbar. Aber ganz ehrlich gesagt, im Verkehr mit dem Schild hätten wir ohne Kenntnis der Recht­spre­chung auch nicht gewusst, dass neben dem Durch­fahren auch das Parken verboten ist (Olaf Dilling).

2021-04-12T23:34:39+02:0012. April 2021|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Oppor­tu­ni­täts­prinzip: Das zugedrückte Auge des Gesetzes?

Rechts­staat­lichkeit kann manchmal gnadenlos sein. Umgekehrt ist Gnade oft Ausdruck von Willkür, die dem Rechts­staat fremd ist. Das gilt jeden­falls für das Straf­recht. Denn wo schwer­wie­gende Geset­zes­ver­stöße verübt werden, kann der Staat nicht anders als einschreiten.

Bei Ordnungs­wid­rig­keiten, also zum Beispiel Falsch­parken, aber aktuell auch Verstößen gegen Corona-Maßnahmen, ist das anders. Der Staat kann gegen die Rechts­ver­stöße vorgehen, muss dies aber nicht in jedem Fall. So besagt es das sogenannte Oppor­tu­ni­täts­prinzip, das in § 47 Abs. 1 Satz 1 des Ordnungs­wid­rig­keits­ge­setzes (OWiG) verankert ist. Demnach liegt die Verfolgung von Ordnungs­wid­rig­keiten im pflicht­ge­mäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde.

Für manche Ordnungs­be­hörden ist das Oppor­tu­ni­täts­prinzip eine feine Sache. Sie verstehen es in vielen Fällen sehr weit. Manchmal werden bestimmte Ordnungs­wid­rig­keiten über längere Zeit gar nicht verfolgt. Zum Beispiel aufge­setztes Falsch­parken auf Gehwegen.

Bürger, die sich darüber aufregen und entspre­chende Verstöße bei den Ordnungs­be­hörden anzeigen, werden mit dem Hinweis abgespeist, dass die Behörden gerade wichti­geres zu tun hätten. So ganz falsch ist das nicht. Denn genau das besagt das Oppor­tu­ni­täts­prinzip: Dass die Behörden selbst entscheiden können, wie sie ihre (zumeist) knappen Ressourcen einsetzen, um Recht und Ordnung durchzusetzen.

Aller­dings ist das Oppor­tu­ni­täts­prinzip auch kein Freibrief für Willkür. Etwa, wenn immer nur bestimmte Menschen wegen Ordnungs­wid­rig­keiten heran­ge­zogen werden und andere nicht. Oder wenn die vom Gesetz­geber beschlos­senen Regeln gänzlich leer zu laufen drohen, weil jahrelang bestimmte Ordnungs­wid­rig­keiten nicht verfolgt werden. Oder wenn per Runderlass eines Ministers oder Senators Regeln gesetzt werden, die geltendem Recht zuwider laufen. Das darf nicht sein, denn es geht ja, wie aus dem genannten § 47 OWiG hervorgeht, um pflicht­ge­mäßes, nicht etwa um freies Ermessen.

In einer Entscheidung des Bayri­schen Oberlan­des­ge­richts vom vorletzten Jahr wurde das schön auf den Punkt gebracht:

Gerade bei der Verfolgung von massenhaft im Straßen­verkehr began­genen Ordnungs­wid­rig­keiten seien die vorhan­denen gesetz­lichen Vorbe­wer­tungen zu beachten. Daraus folge, dass es etwa eine Gleichheit im Unrecht und ein hieraus abgelei­teter Anspruch auf Nicht­ver­folgung und damit Nicht­ahndung auch im Verkehrs­ord­nungs­wid­rig­kei­ten­recht nicht geben könne.

Das zeigt, dass die oft geäußerte Vorstellung, dass Fehlver­halten von den Behörden geduldet werde, im Rechts­sinne nicht zutreffend sein kann. Aber wie wir alle wissen, klaffen zwischen Rechtslage und Rechts­wirk­lichkeit oft erheb­liche Lücken (Olaf Dilling).

2021-03-11T00:08:27+01:0011. März 2021|Verkehr|