Von Bahnschwellen, Zauneidechsen und vom Abfallbegriff
Aus § 3 Abs.1 KrWG folgt, dass Abfall jeder Stoff und Gegenstand ist, derer sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Die rechtlichen Hürden, wann etwas damit Abfall ist, sind damit denkbar niedrig. Im Ergebnis lässt sich die Thematik darauf verengen, ob es für einen Stoff oder Gegenstand noch eine Zweckbestimmung gibt. Fehlt es an dieser, so lässt sich vielfach ein Entledigungswille annehmen. Die Abgrenzungsfragen, ob etwas Abfall ist (und der Behörde damit das Instrumentarium des § 62 KrWG eröffnet ist) sind dennoch im Einzelfall gar nicht so einfach zu beantworten. So fehlt zwar in § 3 Abs. 1 KrWG ein Hinweis auf eine etwaige Beweglichkeit. Aus § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG folgt indes, dass Böden am Ursprungsort (Böden in situ), einschließlich nicht ausgehobener, kontaminierter Böden und Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind, nicht dem Anwendungsbereich des KrWG unterfallen. Doch was ist tatsächlich (noch) ein Bauwerk?
Untechnisch bedeutet dies, dass es dann doch auf die Beweglichkeit für die Annahme eines Abfalls ankommt. Das VG Frankfurt (Oder) hat mit Urteil vom 06.12. 2023 – VG 5 K 259/20 – der Klage der Deutschen Bahn Netz AG gegen eine abfallrechtliche Ordnungsverfügung eines brandenburgischen Landkreises stattgegen. Neben Fragen der Zuständigkeit, des Naturschutzrechts und damit verbundenen Verfahrensfragen ging es auch um die Frage der Abfalleigenschaft von Gleisresten bestehend u.a. aus Schotter und mit Carbolineum getränkten alten Holzbahnschwellen. Die Gleise wurden schon vor Jahrzehnten entfernt. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts stellte dies sowohl früher als auch immer noch ein Bauwerk dar und kann damit kein Abfall sein. Hierzu sind wohl Fragen angebracht.
Zwar scheiterte die abfallrechtliche Ordnungsverfügung schon daran, dass die Zuständigkeit des Landkreises durch die speziellere, fachgesetzliche Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes verdrängt werde – was sicherlich noch in weiteren Instanzen zu klären sein dürfte. In vorliegendem Sachverhalt hatte die Klägerin diese Reste von Gleisanlagen sogar weitreichend mit Bodenmaterial überschüttet, um darauf ein Zauneidechsenhabitat zu errichten. Streitig war hierbei schon, was zuerst da war: das Bodenmaterial oder die Eidechsen.
Auch die Abfalleigenschaft dieses Bodenmaterials war zwar streitig, der Landkreis hierfür ausweislich des Urteils indes nicht zuständig. Das Verwaltungsgericht stützte sich jedoch hinsichtlich der streitigen Abfalleigenschaft der Gleisreste zudem darauf, dass die Gleisreste immer noch über eine Zweckbestimmung verfügen würden, da man von einer fiktiven eisenbahnrechtlichen Widmung ausgehen müsse. Sicherlich wird hier das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. (Dirk Buchsteiner)