Hupende Traktoren, gläserne Bienen?

Das Erliegen des gesamten öffent­lichen Lebens ist in Berlin besonders trostlos, wenn in regel­mä­ßigen Abständen im Regie­rungs­viertel Demons­tra­tionen von Corona­leugnern oder von Landwirten statt­finden. Denn wenn wir in der Stadt zur Zeit unterwegs sind, dann in den seltensten Fällen zum Vergnügen. Da ist es dann manchmal, bei allem Respekt vor der Demons­tra­ti­ons­freiheit, ein unfrei­wil­liger Halt besonders unangenehm oder gar die Gefahr, in unkon­trol­lier­baren Menschen­mengen angesteckt zu werden.

Membeth, CC0, via Wikimedia Commons

Wobei bei den Demons­tra­tionen der Landwirte immerhin keine massen­haften Infek­tionen zu befürchten sind. Denn die Landwirte halten, allein durch die Größe ihrer Fahrzeuge bedingt, jeweils gehörigen Abstand, wenn sie hupend mit Traktoren durch die Stadt fahren, Banner mit sich führend, auf denen Sprüche stehen wie „Maisfelder binden mehr CO2 als Wälder!“ Wenn der Kohlen­stoff vom Maisacker nur auch so lange wie im Wald gebunden bliebe. Aber er wird sehr bald wieder von Mastschweinen und von Schnitzel essenden Konsu­menten verstoffwechselt.

Grund zum Demons­trieren haben die Bauern zur Zeit offenbar immer. Nachdem es eine ganze Weile primär um die Dünge­ver­ordnung und um den Preis­druck ging, demons­trieren sie nun auch gegen Maßnahmen zum Insek­ten­schutz. Denn die Bundes­re­gierung hat in dieser Tage hierzu einen Gesetzes- und Verord­nungs­entwurf auf den Weg gebracht. Nun könnte man denken, auch Bauern haben ein Interesse an Insekten. Schließlich sähe es beispiels­weise mit der Apfel­ernte schlecht aus, wenn es keine Bienen mehr gäbe. Das Branchen­ma­gazin „agrar­heute“ sieht es offenbar leiden­schaftslos und berichtete schon vor geraumer Zeit von Forschungen über Bestäu­bungs­drohnen, die Bienen ersetzen könnten. Bisher stehen aber noch wirklich erfolg­reiche Feldver­suche aus.

Insofern vielleicht gar nicht schlecht, dass die Bundes­re­gierung – letztlich auch zum Wohl der Landwirt­schaft – die Insekten mit einem Paket von Maßnahmen retten will:

Dem Entwurf des neuen Insek­ten­schutz­ge­setzes entspre­chend sollen mehr Biotope als bisher unter Schutz gestellt werden: Auch arten­reiches Grünland, Streu­obst­wiesen, Stein­riegel und Trocken­mauern können in Zukunft als wichtige Lebens­räume auch gesetzlich geschützt werden.

Weiterhin soll durch das Gesetz die Licht­ver­schmutzung zunächst in Natur­schutz­ge­bieten und Natio­nal­parks einge­dämmt werden. Auch die Nutzung von Himmel­strahlern und Insek­ten­ver­nich­t­er­lampen außerhalb geschlos­sener Räume soll stark einge­schränkt werden. Insofern können die Landwirte auch nicht mit Recht behaupten, dass Gründe des Insek­ten­sterbens, die nicht in ihrer Verant­wortung liegen, nicht adres­siert würden.

Weiterhin soll die Pflan­zen­schutz-Anwen­dungs­ver­ordnung geändert werden, um drei weitere wesent­liche Inhalte des Aktions­pro­gramms Insek­ten­schutz von 2019 umzusetzen:

# Erstens soll die Anwendung von glypho­sat­hal­tigen Pflan­zen­schutz­mitteln zum Ablauf des Jahres 2023 beendet werden. Bis zu diesem „Komplett­aus­stieg“ gelten neue deutliche Einschrän­kungen des Einsatzes solcher Totalherbizide.

# Zweitens wird in ökolo­gisch besonders schutz­be­dürf­tigen Gebieten die Anwendung von Herbi­ziden und solchen Insek­ti­ziden, die Bienen und Bestäuber gefährden, verboten werden. Ergänzt wird dies durch auf Landes­ebene entwi­ckelte koope­rative Konzepte, die die Landwirte für den Verzicht auf Pflan­zen­schutz­mittel belohnen sollen.

# Drittens gilt ein neuer Mindest­ab­stand zu Gewässern für sämtliche Pflanzenschutzmittel.

Insofern gibt es doch Hoffnung, dass die Dystopie gläserner Bienen nicht so bald Wirklichkeit wird (Olaf Dilling).

 

 

2021-02-10T19:45:35+01:0010. Februar 2021|Naturschutz, Umwelt|

Torf – ein verbor­gener ökolo­gi­scher Schatz!

Während alle Welt über brennende und gerodete Regen­wälder debat­tiert, wird oft vergessen, dass es auch in Deutschland bedrohte Urland­schaften gibt, die zugleich wirksame CO2-Speicher sind – die Moore! Und damit nicht genug: Unter den Äckern und Wiesen der norddeut­schen Tiefebene liegen große Mengen von Torf, fossilen organi­schen Materials, die sich durch Entwäs­serung und Sauer­stoff­zufuhr nach und nach zersetzen. Dabei werden große Mengen CO2 frei. Nach Schät­zungen des Umwelt­bun­des­amtes sind die CO2-Emissionen aus landwirt­schaftlich genutzten Böden beachtlich: Sie machen mehr als ein Drittel der gesamten landwirt­schaft­lichen Treib­haus­gas­emis­sionen aus. Hinzu kommen Emissionen ungenutzter, entwäs­serter Moorflächen, beispiels­weise bei Moorbränden, sowie Emissionen durch den weiterhin mancherorts betrie­benen Torfabbau. Insgesamt sollen laut dem Natur­schutzbund jährlich in Deutschland ca. 44 Millionen Tonnen CO2-Äquiva­lente aus entwäs­serten Moorböden freige­setzt werden. Das sind etwa fünf Prozent der Gesamt­emis­sionen. Der nach Deutschland impor­tierte Torf ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

Nun ist das Thema Moorschutz bislang etwas gewesen, für das sich vor allem Natur­schützer, Heimat­freunde und der Fremden­verkehr begeistern konnte. Gerade in struk­tur­schwachen Gegenden ist dies – direkt gesagt – keine gute Voraus­setzung, um die breite Bevöl­kerung zu gewinnen. Zumal zu Zeiten, in denen landwirt­schaft­liche Flächen wieder zu einem knappen Gut geworden sind, ist der Druck zur Inten­si­vierung der Nutzung groß. Daher wurden inzwi­schen nachhaltige Konzepte für Moore und Moorböden entwi­ckelt, die Klima­schutz, Ökologie und Ökonomie zusammen bringen sollen.

Das Thema firmiert unter dem etwas sperrigen Schlagwort der „Paludi­kultur“. Letztlich geht es dabei einfach um Pflan­zen­pro­duktion, die ohne Entwäs­serung oder sogar mit der Wieder­vernässung von (ehema­ligen) Moorge­bieten kompa­tibel ist. Dadurch wird der Schatz unter der Erde bewahrt, der fossile CO2-Speicher in Form von Torfboden. Zugleich wird die Fläche oberir­disch auf nachhaltige Weise genutzt, zum Beispiel für die Produktion von Schilf oder Rohrkolben, aus denen sich Dämmstoffe herstellen lassen, nachhaltige Torfmoos­pro­duktion für den Gartenbau oder zum Anbau von Heidel‑, Preisel- oder Moosbeeren. Auch die Beweidung wieder­vernässter Flächen mit Wasser­büffeln ist möglich. Zugleich bieten diese Nutzungs­formen oft auch einen Mehrwert für den Biotop- und Arten­schutz, auch wegen der damit verbunden Hebung des Grund­was­ser­spiegels in der weiteren Umgebung.

Aller­dings ist der recht­liche Rahmen bisher nicht an diese Nutzungs­formen angepasst. So sieht das Natur­schutz­recht zwar gemäß § 14 Abs. 2 Bundes­na­tur­schutz­gesetz (BNatSchG) eine Privi­le­gierung für landwirt­schaft­liche Nutzungen vor. Daher ist das Bestellen von Maisä­ckern auf Moorböden grund­sätzlich von der natur­schutz­recht­lichen Eingriffs­re­gelung ausge­nommen. Lediglich beim Umbruch von Dauer­grünland gibt es Beschränkungen.

Dagegen fallen viele Nutzungs­formen der Paludi­kultur bisher nicht unter das Landwirt­schafts­pri­vileg. Zu diesem Ergebnis kommt ein im März diese Jahres veröf­fent­lichter natur­schutz­recht­licher Aufsatz von Judith Schäfer und Christina Lechtape in der Zeitschrift für Umwelt­recht (ZUR). Demnach gehe die Wieder­vernässung von bishe­rigem Dauer­grünland und Wieder­her­stellung einer Moorfläche über die privi­le­gierte Boden­nutzung hinaus. Darüber hinaus könnten sogar Kompen­sa­ti­ons­pflichten auf den Betreiber zukommen. Gelöst werden könne dies durch die Figur der sogenannten Selbst­kom­pen­sation: Es sei nämlich davon auszu­gehen, dass der ökolo­gische Wert der Fläche in der Gesamt­bilanz zumindest erhalten bleibt.

Auch dass das Betreiben der Kulturen unter die Land- bzw. Forst‑, bzw Fische­rei­wirt­schaft falle, solle gesetzlich geklärt werden. Hier gehen die Autorinnen der Studie mögli­cher­weise ein bisschen zu weit im Identi­fi­zieren von Problemen: Denn dass auch der Anbau von Biomasse wie Schilf oder die Beweidung durch Wasser­büffel eine landwirt­schaft­liche Nutzungen sind, dürfte geklärt sein (Olaf Dilling).

 

2020-11-16T13:42:55+01:0016. November 2020|Naturschutz, Umwelt|

Dünge­ver­ordnung: Umwelt­recht im Zeichen der Coronakrise

Heute sollte eigentlich der Umwelt­aus­schuss des Bundesrats über die Dünge­ver­ordnung beraten. Wie wir bereits berich­teten, hatte die Bundes­re­gierung der Kommission Ende letzten Jahres einen Entwurf vorgelegt. Und dieser Entwurf hat tatsächlich in Brüssel Gnade gefunden. Nachdem der Europäische Gerichtshof zuvor auf Betreiben der Kommission immer wieder Mängel in der deutschen Umsetzung der Wasser­rah­men­richt­linie gefunden hatte.

Diese Mängel betrafen insbe­sondere die Landwirt­schaft als den Haupt­ver­ur­sacher der Nährstoff­ein­träge in die Gewässer. Daher stand die Novelle der Dünge­ver­ordnung im Zentrum der Umsetzung. In ihr waren unter anderem strengere Regeln für das Düngen  in Hanglagen und für Gewäs­ser­rand­streifen vorge­sehen. Außerdem eine Deckelung der Gesamt­menge an Nitrat pro Hektar. Die Landwirte befürchten Ertrags­ein­bußen und zusätz­liche Bürokratie. Nicht zuletzt wegen der Reform der Dünge­ver­ordnung hatten in den letzten Monaten immer wieder Landwirte mit Traktoren in deutschen Innen­städten demonstriert.

Auf der anderen Seite drohen tägliche Straf­zah­lungen in sechs­stel­liger Höhe an die EU, die auf Deutschland zukommen könnten. Außerdem Grenz­wert­über­schrei­tungen beim Nitrat in weiten Teilen Deutsch­lands, die auch zu einer Erhöhung der Trink­was­ser­kosten führen. Nicht zuletzt trägt die Düngung über das Freisetzen von Lachgas indirekt auch im erheb­lichen Maß zum Klima­wandel bei.

Angesichts dieser starken politi­schen Inter­essen auf beiden Seiten ist es kein Wunder, dass die Reform politisch heftig umstritten ist, und die Länder zahlreiche Änderungs­vor­schläge einbringen wollen. Auch wenn sowohl Landwirte als auch Klima­schützer zur Zeit allein schon angesichts der aktuellen Einschrän­kungen des Versamm­lungs­rechts nicht mehr den öffent­lichen Raum und die aktuelle Diskussion beherrschen.

Am Montag sollte schon der Landwirt­schafts­aus­schuss des Bundesrats über den Entwurf beraten haben. Angesichts der akuten Anste­ckungs­gefahr hat der Bundesrat jedoch alle Sitzungen ausge­setzt. Sowohl der Landwirt­schafts­aus­schuss als auch der Umwelt­aus­schuss entscheiden über die Vorlage daher im Umfrageverfahren.

Dies ist nach § 43 der Geschäfts­ordnung des Bundes­rates (GO-BR) eigentlich nur dann vorge­sehen, wenn der Vorsit­zende die mündliche Beratung einer Vorlage für entbehrlich hält. Auf Antrag eines Landes könnte eine Sitzung zwar im Prinzip erzwungen werden. Aller­dings ist das angesichts der aktuellen Pandemie nicht zu erwarten. Auch wenn es sicherlich mehr als genug politi­schen Spreng­stoff für mündliche Beratungen gäbe.

Der stell­ver­tre­tende FDP-Frakti­ons­vor­sit­zende des Bundes­tages Dürr hat mittler­weile vorge­schlagen, wegen der Corona­krise die Dünge­ver­ordnung zugunsten der Landwirt­schaft auszu­setzen. So richtig überzeugend ist das insofern nicht, als wegen der dann zu erwar­tenden Straf­zah­lungen die ohnehin angeschla­genen Wirtschaft vermutlich stärker leiden würde. Und auch auf Dauer dürfte sich ein nachhal­tiger Umgang mit Boden, Grund­wasser und Klima für die Bürger auszahlen (Olaf Dilling).

2020-03-19T18:55:55+01:0019. März 2020|Umwelt, Wasser|