Aus aktuellem Anlass: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und das UIG
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat sich vor Gericht ein weiteres Mal durchgesetzt. Das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zur Offenlegung des gesamten Schriftverkehr zwischen dem VW-Konzern und der Behörde verurteilt, der im Herbst 2015 zur Anordnung des Rückrufs von Betrugs-Diesel-Pkw führte.
Zunächst hatte sich die Behörde darauf berufen, der gesamte Akteninhalt sei als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis anzusehen. Deswegen hatte sie der DUH auf eine erste richterliche Entscheidung 581 vollständig geschwärzte Seiten übergeben. Dies ist laut VG Schleswig unzulässig. Ob es auch dabei bleibt? Zwar ist die Berufung laut ersten Presseberichten nicht eröffnet. Aber auch in diesem Fall ist es möglich, durch einen Berufungszulassungsantrag den Weg in die zweite Instanz doch zu erzwingen.
Doch was hat es mit dem Umweltinformationsanspruch auf sich, der hier erfolgreich geltend gemacht wurde? § 3 Abs. 1 Umweltinformationsgesetz (UIG) gewährt jedermann das Recht auf freien Zugang zu Umweltinformationen. Jedermann meint hier wirklich jeder. Auch der Kreis der informationspflichtigen Stellen, die laut Gesetz zur Information verpflichtet sind, ist außerordentlich groß und umfasst keineswegs nur Behörden im engeren Sinne des Wortes, sondern zB auch die Deutsche Bahn, wenn sie öffentliche Aufgaben erfüllt. Dass das KBA als Behörde verpflichtet ist, steht außer Frage.
Nun wird kaum jemand etwas dagegen haben, dass Behörden Informationen bekanntgeben müssen, die sie haben. Heikel wird es erst dann, wenn man sich vergegenwärtigt, dass in den seltensten Fällen die Behörden die Umstände verursacht haben, die der Bürger wissen will. In aller Regel geht es um Vorgänge in Unternehmen, die in Berichten oder Schriftwechseln zu den Behörden gelangt sind.
Nun gibt kein Unternehmen gern Interna bekannt. Zum einen aus Angst vor Konkurrenten, die zB auf Rezepturen oder Marktdaten schließen könnten. Zum anderen, um eine ohnehin kritische Öffentlichkeit nicht noch zusätzlich zu munitionieren. Deswegen hat der Gesetzgeber mit § 9 Abs. 1 UIG eine Regelung geschaffen, die Behörden das Recht zur Informationsverweigerung gibt, u. a. dann, wenn die Umweltinformationen, die jemand verlangt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten.
In der Praxis wird diese Regelung weidlich ausgenutzt. Viele Unternehmen halten fast alles, was sie tun, für geheim und dringen deswegen auf möglichst komplette Schwärzungen. Andere Unternehmen haben tatsächlich etwas zu verstecken. Ohne abschließend beurteilen zu können, zu welcher Kategorie der Volkswagen Konzern gehört: Offenbar ist das Geheimhaltungsinteresse dort so groß, dass man sich lieber mit einer – gegenüber dem KBA angeregten – Komplettschwärzung verdächtig macht, als dem engagierten Verband zu geben, was er will.
Doch erfolgversprechend ist diese Strategie nicht. Bei Behörden, die nichts mit Umwelt zu tun haben, werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 6 des Informationsfreiheit-Gesetzes (IFG) nur veröffentlicht, wenn der Betroffene zugestimmt hat. In schönstem Juristendeutsch des Bundesverwaltungsgerichts sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse „alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.“
Aber das UIG ist großzügiger. Hiernach dürfen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auch gegen den Willen des betroffenen Unternehmens veröffentlicht werden, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das Unternehmensinteresse an Geheimhaltung überwiegt. Dies bejaht die Rechtsprechung dann, wenn „mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse hinausgeht, das bereits jeden Antrag rechtfertigt.“ Dass dies hier vorliegt, liegt angesichts der Skandalwirkung und der praktischen Auswirkungen auf Millionen Autofahrer jedenfalls durchaus nahe.
Was bedeutet das nun für die Praxis? Wer Grund zur Neugierde hat – oder auch einfach so neugierig ist – kann sich nun auch auf diese Entscheidung berufen. Als Unternehmen, das umweltbezogene Geheimnisse hat, sollte man deswegen bereits frühzeitig mit den Behörden abstimmen, wie auf Informationsansprüche reagiert werden sollte und sich dabei sorgfältig hinterfragen, was wirklich geheim ist und was getrost an die Öffentlichkeit gelangen kann. Gefährlich ist jedenfalls Mauern und Abschotten, denn das erhöht die Gefahr, dass man am Ende weitgehender zur Offenlegung verurteilt wird, als unbedingt hätte sein müsse.