Kosten des Rückbaus von „Protected Bike Lanes“
Im Homeoffice in Toronto hat mich gestern überraschend ein Verkehrsplaner aus der Stadt Guelph in Ontario kontaktiert, dass ein gemeinsamer Bekannter aus Deutschland mit Familie zu Besuch käme. Mein guter Bekannter Michael aus Bremen, der auch im Verkehrsektor beratend tätig ist. Welch freudige Überraschung! Wir fahren morgen gemeinsam mit ein paar weiteren radbegeisterten Torontonians auf den geschützten Radfahrstreifen, die Olivia Chow, die Bürgermeisterin der größten Stadt Kanadas auf vielen großen Straßen in den letzten Jahren hat einrichten lassen.
Leider sollen diese Protected Bike Lanes, wenn es nach Doug Ford geht, dem Premier der Provinz Ontario, bald verschwinden. Wir hatten darüber letztes Jahr schon mal berichtet. Inzwischen hat Ford ein Gesetz durch das Parlament von Ontario verabschieden lassen, das Fahrradwege auf Kosten von Kfz-Spuren nur noch mit Zustimmung der Provinz erlaubt. Außerdem sollen drei der wichtigsten Radfahrstreifen (auf Bloor, Yonge und University Avenue) beseitigt werden. Die dafür vorgesehenen Kosten belaufen sich auf 48 Millionen Kanadische Dollar (ca. 30 Mio Euro). Im Übrigen sieht das Gesetz, es heißt „Reducing Gridlock, Saving You Time Act“, auch vor, dass Radfahrer und deren Angehörige, die nach Beseitigung der Radwege überfahren werden, keinen Schadensersatzanspruch gegen die Provinz oder ihren Premier haben.
Inzwischen hat eine Studentin der Universität Toronto und ein Fahrradkurier eine Eilentscheidung (injunction) erwirkt, die vorerst verhindern soll, dass die Radwege auf kostspielige Weise beseitigt werden, bevor das Gericht erkennt, dass sie zum Schutz von Leben und Gesundheit der Klagenden hätten bleiben müssen. Sehr zum Unmut des rechtspopulistischen Premiers, der kurz darauf die richterliche Unabhängigkeit in Frage gestellt und gefordert hat, dass die Richter in Zukunft in Kanada ebenso wie in den USA gewählt werden sollten.
Aber kommen wir zurück zu deutschen Fällen. Auch hier gibt es umstrittene Protected Bike Lanes. Wir hatten mal über einen Radfahrstreifen in Mönchengladbach berichtet, der von einem Autofahrer im Eilverfahren erfolgreich angefochten worden war. Inzwischen ist das Verfahren auch vor dem Oberverwaltungsgericht Münster entschieden worden, das die Entscheidung des VG Düsseldorf aufrechterhalten hat. Die Stadt Mönchengladbach hat die Protected Bike Lane inzwischen zurückgebaut. Das war ziemlich teuer.
Glücklich sind wir über die Entscheidung des OVG Münster nicht. Denn das Gericht räumt in seiner Entscheidung ein, dass die Straßenverkehrsbehörde den geschützten Radfahrstreifen auf einer anderen Rechtsgrundlage, die inzwischen auch in Kraft ist, nämlich dem § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 StVO hätte begründen können. Diese Rechtsgrundlage unterscheide sich aber in ihren Voraussetzungen so sehr von der straßenverkehrsrechtlichen Generalklausel (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StVO), dass die Behörde sie nachträglich nicht austauschen konnte.
Mit anderen Worten, die Stadt musste den Radweg für viel Geld abbauen. Und um alles noch mal richtig zu machen, müsste sie ihn nun, da er an dieser Stelle im Grunde für den Radverkehr alternativlos ist, auf neuer Rechtsgrundlage wieder aufbauen. So fordern unsere Mandanten das in einer Petition und so hatten wir es auch in unserem Gutachten vorgeschlagen. Nun, das Gericht hat außer der aus seiner Sicht falschen Rechtsgrundlage auch noch einige Details der Durchführung moniert. Das hätte man aus unserer Sicht aber ohne große Schwerigkeiten beheben können.
Unser Rat an Kommunen ist, in Zukunft gleich die richtige Rechtsgrundlage zu wählen. Die besagte Bereitstellung angemessener Flächen für die Fahrrad- und Fußverkehr gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 StVO. Grundlage dafür ist in der Regel ein Gesamtkonzept, das die positiven Auswirkungen für den Umwelt‑, Klima- und Gesundheitsschutz oder die Förderung der geordneten städtebaulichen Entwicklung in den Blick nimmt. Die Stadt Mönchengladbach konnte das bei Einrichtung der Protected Bike Lane allerdings noch nicht, denn die neue Rechtsgrundlage trat erst im Oktober letzten Jahres in Kraft. (Olaf Dilling)