Preis­kon­trolle in der Fernwärme

Herrn Abusch ist die Fernwärme in Oberal­theim zu teuer. Er schreibt seit Jahren an die Stadt­werke Oberal­theim, die SWO, eigentlich immer, wenn er eine Rechnung bekommt. Steigen die Preise, wird auch seine Tonlage schriller. Bisher hat er zwar immer gezahlt. Aber als eines Tages eine Klage auf dem Tisch der Justi­tiarin Birte Berlach liegt, ist auch niemand erstaunt.

Herr Abusch klagt zum einen* auf die Herab­setzung der Preise. Er weist darauf hin, dass die Fernwär­me­preise in Unter­al­theim deutlich unter denen in seiner Heimat­stadt liegen. Das trifft sogar zu. Aber ist das auch wirklich ein Argument?

Fakt ist jeden­falls: Für Fernwär­me­preise gibt es keine Preis­kon­trolle wie für die Gas- und Strom­preise in der Grund­ver­sorgung. Für diese hat der Gesetz­geber eine Preis­kon­trolle vorge­sehen, aber für die Fernwärme gilt das nicht. Warum das so ist, hat der Bundes­ge­richtshof (BGH) mit einem Urteil vom 17.12.2012 einmal recht grund­legend auseinandergenommen.

Natürlich bedeutet das nicht, dass die SWO bei ihrer Preis­ge­staltung nun völlig frei ist.  Es gilt das Kartell­recht. Dieses ist in Deutschland im GWB geregelt. Es gilt für markt­be­herr­schende Unter­nehmen. Ein markt­be­herr­schendes Unter­nehmen ist die SWO auf jeden Fall, denn schließlich bietet in Oberal­theim sonst niemand Fernwärme an. Wegen der bestehenden Fernwär­me­satzung, die einen Anschluss- und Benut­zungs­zwang enthält, gibt es – mit engen Einschrän­kungen – auch keine anderen Möglich­keiten, seine Wohnung zu heizen.

Herr Abusch fühlt sich von der SWO ausge­beutet. In der Tat verbietet das GWB den sogenannten „Ausbeu­tungs­miss­brauch“, also einen spezi­ellen Missbrauch einer markt­be­herr­schenden Stellung. Als Indiz für einen solchen Missbrauch führt Herr Abusch die Preise in Unter­al­theim an.

Frau Berlach und die Rechts­an­wältin der SWO seufzen. Sie haben Herrn Abusch im Laufe der Jahre schon mehrfach geschrieben, dass die Verhält­nisse in Unter­al­theim ganz andere sind. Schließlich gibt es dort eine große Raffi­nerie, die indus­trielle Abwärme sehr günstig an die Stadt­werke Unter­al­theim abgibt. Hätte auch die SWO eine so günstige Wärme­quelle, die Preise wären auch in Oberal­theim ganz andere.

Herr Abusch aber bleibt bei seiner Meinung. Wenn die SWO keine günstige Wärme­quelle hat, dann sei das eben deren Problem, meint er. Doch zum Glück sieht das Landge­richt Oberal­theim das anders: Bei einer Vergleichs­markt­be­trachtung sticht die SWO nicht negativ heraus. Schon ein Blick auf die Ergeb­nisse der letzten Sektor­un­ter­su­chung durch die Landes­kar­tell­be­hörde zeigt vielmehr, dass die SWO voll im Schnitt liegt. Auch der Blick auf die Preis­bil­dungs­fak­toren zeigt schon auf den ersten Blick, dass die SWO ihre markt­be­herr­schende Position nicht ausge­nutzt hat. Im Ergebnis – dies stellt die Anwältin der Stadt­werke in der mündlichen Verhandlung klar – ist ihre Marge sogar geringer als die der Stadt­werke Unter­al­theim. Herr Abusch hat also Pech: Er verliert den Prozess und muss auch noch die Kosten tragen.

*zum anderen verlangt Herr Abusch Geld zurück, weil er die Preis­an­pas­sungs­klausel für unwirksam hält. Zu diesem Antrag aber nächste Woche mehr.

 

2018-04-27T12:20:29+02:0027. April 2018|Wärme|

Darf der Wärme­ver­sorger einseitig Preise ändern?

Die Fernwär­me­ver­sorgung ist ein Massen­ge­schäft und ganz ähnlich wie in der Strom- und Gasgrund­ver­sorgung trägt der Gesetz­geber dem Rechnung. So gibt es auch bei Wärme zum Beispiel den Vertrags­schluss durch Entnahme. Eine weitere Regelung, um das Massen­ge­schäft handhabbar zu halten, enthält § 4 Abs. 2 der AVBFern­wärmeV. Hier heißt es nämlich:

Änderungen der allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen werden erst nach öffent­licher Bekanntgabe wirksam.“

Mit anderen Worten: Anders als beim Brötchenkauf kann der Versorger allge­meine Versor­gungs­be­din­gungen nicht nur durch Angebot und Annahme durch den Kunden ändern, sondern sie einseitig öffentlich bekannt­geben. Sie gelten dann auch, wenn der Kunde sie nicht wahrnimmt oder nicht will.

In den letzten Jahren – so zumindest meine Wahrnehmung – war es in der Praxis verhält­nis­mäßig unumstritten, dass auch Preis­gleit­klauseln und Preise zu den allge­meinen Versor­gungs­be­din­gungen gehören. Warum auch nicht. Sie sind schließlich allgemein, weil sie für alle von der AVBFern­wärmeV überhaupt erfassten Kunden­ver­hält­nisse gelten. Sie sind zweifellos Bedin­gungen, zu denen versorgt wird. Der Wortlaut spricht damit jeden­falls dafür. Und auch der Sinn und Zweck der Norm, denn die Schwie­rig­keiten, dem Massen­ge­schäft gerecht zu werden, gelten natürlich auch hier. Zudem ist syste­ma­tisch auch kein Grund ersichtlich, wieso in der Strom- und Gasgrund­ver­sorgung einseitige Preis­än­de­rungen möglich sein sollten (vgl. nur BGH, Urt. v. 25.11.2015, Az. VIII ZR 360/14), aber in der Fernwärme nicht. Dem Kunde bleibt es hier wie dort ohnehin unbenommen, die Preise gerichtlich kontrol­lieren zu lassen und Rückfor­de­rungs­an­sprüche zu stellen, entweder wegen fehler­hafter Preis­an­pas­sungs­klauseln oder wegen Verstößen gegen das Kartellrecht.

Zwei Entschei­dungen aus dem letzten Jahr stellt dies nun in Frage. Das LG Darmstadt hat auf Betreiben von Verbrau­cher­schützern zwei Entschei­dungen erlassen, in denen es ein Recht zur Änderung einer Preis­gleitung nach § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV verneint. 

Im konkreten Fall einer 2015 neu einge­führten Preis­gleit­klausel aus Hessen wurde nicht nur die Wirksamkeit der neuen Preis­an­pas­sungs­klausel angefochten, weil sie gegen § 24 Abs. 4 der AVBFern­wärmeV verstoßen würde. Sondern auch ihre Wirksamkeit. Überra­schend stellte sich das LG Darmstadt hierbei auf die Seite des Verbraucherverbandes.

In der überra­schend knappen Entscheidung findet sich die Begründung für diese Rechts­an­sicht fast ganz am Ende. Hier heißt es recht lakonisch nur:

Außerdem besteht die Möglichkeit, die grund­sätz­liche Änderung der Kosten­struk­turen im Rahmen von Änderungs­kün­di­gungen mit den Kunden zu verein­baren. Soweit es dennoch bei so langfristig abgeschlos­senen Verträgen zu Verän­de­rungen der Gewinn oder Kosten­struk­turen kommt, ist dieses Risiko solchen langfris­tigen Verträgen immanent, aber kein Grund dafür, eigen­mächtige Vertrags­än­de­rungen nur einer Vertrags­partei zu erlauben.“

Dem Gericht fehlt also ein guter Grund, einseitige Änderungen der vertrag­lichen Grund­lagen als zulässig anzusehen. Doch trifft dies wirklich zu? Schließlich existiert mit § 4 Abs. 2 AVBFern­wärmeV doch eine Regelung, die genau dies erlaubt. Wenn ein Gericht sich entscheidet, Preise nicht wie andere allge­meine Vertrags­be­stim­mungen zu behandeln, wäre eine Darlegung zu erwarten, wieso hier eine im Regelwerk selbst nicht angelegte Diffe­ren­zierung vorge­nommen wird. So lässt die Entscheidung den Leser ratlos zurück. Vielleicht – hoffentlich – wird die Berufung es richten.

2018-03-13T10:24:19+01:0013. März 2018|Wärme|

BGH entscheidet (mal wieder) über Fernwärmepreisklauseln

Es ist klar: in zehn Jahren ändert sich eine Menge. Natürlich auch die wirtschaft­lichen Grund­lagen für die Belie­ferung mit Fernwärme: Brenn­stoff­kosten schwanken. Tarif­ab­schlüsse verändern die Kosten von Arbeits­kraft. Auch die Kosten der Hardware, also vor allem von Leitungen und dem erzeu­genden Heizkraftwerk selbst, bleiben nicht gleich. Die für meist gleich zehn Jahre abgeschlos­senen Fernwär­me­lie­fer­ver­träge können also keinen für die gesamte Laufzeit verbind­lichen Festpreis ausweisen. Deswegen verwenden Versorger regel­mäßig Preis­än­de­rungs­klauseln, aus denen sich anhand einer mathe­ma­ti­schen Formel ergibt, wie der ursprünglich verein­barte Preis sich im Laufe der Zeit verändert.

Bei der Ausge­staltung dieser Klausel ist ein Versorger nicht frei. § 24 Abs. 4 der AVB-FernwärmeV setzt Preis­än­de­rungs­klauseln einen verbind­lichen Rahmen. Hiernach gilt, dass Preis­gleit­klauseln so ausge­staltet sein müssen, dass sie zum einen die Kosten­ent­wicklung bei der Erzeugung und Bereit­stellung der Fernwärme abbilden müssen, das sogenannte Kosten­element. Als auch zum anderen die Verhält­nisse auf dem Wärme­markt angemes­senen Nieder­schlag finden müssen, was vom sogenannten Markt­element abgebildet wird. Es spielt also eine wichtige Rolle, wie sich die Kosten des konkreten Versorgers entwi­ckeln. Aber es kommt auch darauf an, wie sich völlig abstra­hiert vom einzelnen Unter­nehmen die Kosten für die Beheizung von Wohnräumen generell entwi­ckeln, also nicht nur bezogen auf Fernwärme, sondern bezogen auf alle Möglich­keiten, einen Raum zu beheizen. Trans­parent, also für den Kunden rechne­risch komplett nachvoll­ziehbar, soll die Klausel auch noch sein.

Doch gesicherte Recht­spre­chung, an der sich der Versorger orien­tieren kann, liegt bisher nicht im selben Maße vor, wie bei mit der in dieser Beziehung heiklen und leiden­schaftlich umstrit­tenen Grund­ver­sorgung mit Gas oder Strom. Umso aufmerk­samer ist die Entscheidung des Bundes­ge­richtshof (BGH) vom 19. Juli 2017 (VIII ZR 268/15) zu lesen, in der das höchste deutsche Zivil­ge­richt sich zu Preis­an­pas­sungs­klauseln in der Fernwärme erneut zu Wort meldet.

 

In dem vorlie­genden Fall bezog der Fernwär­me­ver­sorger die Wärme nicht aus einer eigenen Anlage. Sondern er kaufte sie von einem Vorlie­fe­ranten. Dies entspricht einer gängigen Praxis, die regel­mäßig die Frage aufwirft, wie diese Kosten als Kosten­element denn nur in einer trans­pa­renten Formel unter­zu­bringen sind. Das Unter­nehmen, um das es in diesem Fall ging, griff zu einer verbrei­teten Methode: Es wurde geschaut, welcher Brenn­stoff beim Vorlie­fe­ranten einge­setzt wurde. Sodann wurde ein Index des Statis­ti­schen Bundesamts, der die Kosten­ent­wicklung dieses Brenn­stoffs abbildet, in der Formel unter­ge­bracht, ganz so, als würde das Unter­nehmen selbst mit diesem Brenn­stoff Wärme erzeugen. Der BGH sieht diese Methode – das wird viele Unter­nehmen schmerzen – jedoch in Randziffer 33ff. nicht als ausrei­chend an. Seiner Ansicht nach fordert § 24 Abs. 4 AVBFern­wärmeV eine Orien­tierung der Preis­an­pas­sungs­klausel an den tatsäch­lichen eigenen Bezugs­kosten. Dies wirft natürlich Probleme auf, wenn diese eigenen Bezugs­kosten nicht mit einem weiter­ga­be­fä­higen Index gleiten, sondern frei verhandelt werden. Solche (vom BGH nicht entschie­denen) Konstel­la­tionen sind nicht selten. Aber wie um alles in der Welt soll ein oft jährlich neu verhan­delter Preis sich trans­parent in der Klausel wiederfinden?

Auch zum Markt­element hat der BGH sich erneut geäußert. In der Klausel, die im Streit stand, hatte der Versorger den Wärme­markt durch den Index für leichtes Heizöl (HEL) abgebildet. Das Berufungs­ge­richt, das LG Würzburg, empfand dies als ausrei­chend und berief sich dabei auf den BGH. Dieser stellte nun in den Randziffern 54ff. klar: Er habe sich in der Vergan­genheit keineswegs dahin­gehend ausge­sprochen, dass HEL den Wärme­markt hinrei­chend reprä­sen­tiert. Ob dem so ist, müsste im Einzelfall ermittelt werden, würde aber zunehmend kritisch beurteilt.

Keine absolute Klarheit also für Versorger wie Verbraucher. Doch was bedeutet diese Entscheidung und für die Praxis? Mehr und mehr verdichtet sich zum einen, dass HEL als allei­niger Faktor für das Markt­element keine sichere Bank mehr darstellt, auch wenn der BGH es nicht in Bausch und Bogen verwirft. Und in Konstel­la­tionen, in denen ein Versorger Fernwärme kauft, um sie dann weiter zu verkaufen, muss das einzelne Unter­nehmen einen tiefen Blick in die eigenen Bezugs­ver­träge werfen und dann, wenn sich diese schlichtweg nicht in einer trans­pa­renten Formel unter­bringen lassen, über andere Möglich­keiten nachdenken, die Kosten­ent­wicklung abzubilden. Es ist also Maßschnei­derei gefragt, wenn es darum geht, Preis­glei­tungen richtig auszugestalten.

2018-02-04T12:39:07+01:004. Februar 2018|Wärme|