Verfas­sungs­be­schwerde zum Tempolimit

Der Erfolg den Klima­schützer vor knapp zwei Jahren vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) für eine konti­nu­ier­li­chere Errei­chung von Klima­zielen erstritten hatten, hat offenbar zu weiteren Verfas­sungs­be­schwerden ermutigt. Anfang diesen Jahres hat das BVerfG jeden­falls wieder über eine Verfas­sungs­be­schwerde mit ähnlicher Stoßrichtung entscheiden müssen: Die Beschwer­de­füh­renden wandten sich gegen die aus ihrer Sicht unzurei­chenden Klima­schutz­maß­nahmen der Bundesrepublik.

Autobahn bei Nacht

Exempla­risch griffen sie das Tempo­limit auf den Autobahnen heraus. Hier gäbe es eine Maßnahme, um das bestehende Defizit bei der Errei­chung der Klima­ziele im Verkehrs­sektor abzumildern. Dadurch werde gegen das Klima­schutz­gebot des Art. 20a GG und gegen Freiheits­rechte verstoßen. Der Gesetz­geber hätte hier besser abwägen sollen und hätte dann unter entspre­chender Berück­sich­tigung des Klima­schutz­gebots zu einem Tempo­limit kommen müssen.

Aller­dings wurde die Beschwerde offenbar nicht ausrei­chend begründet. Jeden­falls erlies  das BVerfG mit dieser Begründung einen Beschluss, in der die Beschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Darin räumt das BVerfG ein, dass das Klima­schutz­gebot bei Abwägungen des Staates an relativem Gewicht gewinne. Dies gelte nicht nur für Verwal­tungs- und Planungs­ent­schei­dungen, sondern auch für den Gesetzgeber.

Für die Beschwerde sei jedoch nicht ausrei­chend begründet worden, warum das Fehlen eines allge­meinen Tempo­limits eingriffs­ähn­liche Vorwirkung auf ihre Freiheits­grund­rechte entfalten könne. Auch die Annahme, dass der Verkehrs­sektor bis zum Jahr 2030 das ihm zugewiesene Emissi­ons­budget überschreiten werde, sei nicht ausrei­chend begründet worden. (Olaf Dilling)

2023-01-23T18:04:52+01:0023. Januar 2023|Umwelt, Verkehr|

Ungewollter Abfall­besitz

Die freiheit­liche Rechts­ordnung des Grund­ge­setzes räumt dem Willen der indivi­du­ellen Rechts­person eine zentrale Stellung ein. Ob im Vertrags­recht, im Sachen­recht, im Straf- und Ordnungs­wid­rig­kei­ten­recht und im Haftungs­recht: Entscheidend ist in diesen Rechts­ge­bieten grund­sätzlich der freie Wille, sei es beim Schließen von Verträgen, bei Verfügen über das Eigentum sowie bei den subjek­tiven Tatbe­ständen von Delikten, also bei Vorsatz und Fahrlässigkeit.

Im öffent­lichen Recht, und insbe­sondere im Umwelt- und Technik­recht, sieht es bisweilen anders aus. Hier gibt es zahlreiche Fälle von verschul­dens­un­ab­hän­giger Haftung. Oft ist das der Tatsache geschuldet, dass die Nutzer von Technik bisweilen unvor­her­sehbare Risiken für Dritte in Kauf nehmen und letztere daraus keinen Nachteil haben sollen.

Es gibt aber auch Fälle, in denen Einzelne mit verschul­dens­un­ab­hän­giger Haftung ein Opfer für die Allge­meinheit bringen. Ein Beispiel ist die Figur des Zustands­störers im Polizei- und Ordungs­recht. Ebenso wie der Verhal­tens­störer, der aufgrund seines Verhaltens für eine Gefahr verant­wortlich ist, kann auch der Zustands­störer von den Behörden als Adressat von Maßnahmen heran­ge­zogen werden, um eine Gefahr für die öffent­liche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden.

Aller­dings ist er nicht für ein bewusstes Verhalten verant­wortlich, sondern oft schlicht deswegen, weil eine Gefahr in seinem Verant­wor­tungs­be­reich entsteht. Genauer gesagt geht beim Zustands­störer die Gefahr von einer Sache aus, über die er die tatsäch­liche Sachherr­schaft inne hat.

Ein Beispiel dazu, das die Entkopplung vom Willen des Besitzers der Sache besonders gut zeigt, findet sich in der Recht­spre­chung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts (BVerwG): In dem vom BVerwG entschie­denen Fall hat ein Bremer Landwirt mit regel­mä­ßigen Überschwem­mungen seiner an der Weser gelegenen Nutzflächen zu kämpfen. Damit nicht genug, führen diese Überschwem­mungen dazu, dass auf den von ihm genutzten Flächen immer wieder große Mengen von Treibgut liegen bleiben.

Der Landwirt ist nun der Auffassung, dass dieses Treibgut, das ihn bei der Bewirt­schaftung behindert und seine Erträge mindert, von der Stadt beseitigt werden soll. Die Stadt ist dagegen anderer Auffassung. Und das BVerwG hat ihr letztlich recht gegeben: Im Fall, der nach alter Rechtslage noch nach Kreis­lauf­wirt­schafts- und Abfall­gesetz (KrW-/AbfG) zu entscheiden war, begründet das BVerwG, warum der Landwirt nach §§ 3 Abs. 6 KrW-/AbfG (a.F.) als Besitzer des Treibguts einzu­stufen ist.

Anders als im bürger­lichen Recht sei für den Abfall­besitz lediglich die tatsäch­liche Sachherr­schaft entscheidend. Nicht dagegen käme es auf einen Besitz­be­grün­dungs­willen an. Mit anderen Worten kann Abfall eine Art aufge­drängten Besitz darstellen, für den der Landwirt auch dann haftet, wenn er nie etwas damit zu tun haben wollte. Die Folge ist, dass er gemäß § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG (a.F) zur Sammlung und Überlassung des Abfalls gegenüber dem öffentlich-recht­lichen Entsor­gungs­träger verpflichtet ist.

Die Haftung des Zustandstörers wird gerade in Fällen von Altlasten, bei denen der aktuelle Eigen­tümer für die Verfeh­lungen von Vorei­gen­tümern haften muss, nachvoll­zieh­ba­rer­weise oft als ungerecht empfunden. Daher muss die Inanspruch­nahme des Eigen­tümers nach der Recht­spre­chung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) verhält­nis­mäßig und zumutbar sein. Insofern gibt es hier doch eine Korrektur, so dass es sich bei Altlasten oder aufge­drängtem Abfall­besitz lohnt, eine genauere Prüfung vorzu­nehmen (Olaf Dilling).

 

2022-03-24T23:58:16+01:0024. März 2022|Allgemein, Umwelt|

Klima­klage gegen Länder nicht angenommen

Wir hatten hier letzten Sommer schon einmal über Klima­klagen gegen mehrere Bundes­länder berichtet, die vor dem Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt (BVerfG) anhängig gemacht worden waren. Inzwi­schen wurden die Klagen allesamt vom BVerfG in einem Nicht­an­nah­me­be­schluss nicht zur Entscheidung angenommen.

Bei den Klagen hatten mehrere Minder­jährige unter­stützt durch einen Umwelt­verband gegen die Landes­kli­ma­schutz­ge­setze in Baden-Württemberg, Bayern, Nieder­sachsen, Nordrhein-Westfalen geklagt. Außerdem wollten sie dagegen vorgehen, dass die Landes­ge­setz­geber in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt gesetz­liche Festle­gungen bisher gänzlich vermieden hätten.

Bereits beim Einreichen der Klage war zum einen unklar, ob die Kläger tatsächlich in eigenen Rechten betroffen sein können. Dies vor allem vor dem Hinter­grund, dass das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt auch bei der erfolg­reichen Klima­klage gegen den Bund nicht von einer Schutz­pflicht des Staates ausge­gangen war. Vielmehr hatte der Erste Senat des BVerfG argumen­tiert, dass angesichts einer Festlegung von Klima­zielen in § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2, eine gerechte Aufteilung der daraus resul­tie­renden Lasten erfor­derlich sei. Mit anderen Worten dürfen wir heute nicht auf Kosten der nächsten Genera­tionen CO2 verbrauchen, sondern müssen auf einen ausge­wo­genen Reduk­ti­onspfad achten.

Die Länder sind, so hat das BVerfG nun festge­stellt, von dieser Pflicht nicht gleicher­maßen betroffen. Denn den einzelnen Landes­ge­setz­gebern sei keine wenigstens grob überprüfbare Gesamt­re­duk­ti­ongröße vorge­geben, die sie – auch auf Kosten grund­rechtlich geschützter Freiheit – einzu­halten hätten. Damit entfällt auch die rechtlich vermit­telte eingriffs­ähn­liche Vorwirkung von bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugelas­senen oder tatsächlich erfol­genden Emissionen. Diese hatte das BVerfG für die Bundes­ebene noch angenommen, hinsichtlich der Länder besteht sie nach dem Beschluss des BVerfG dagegen nicht (Olaf Dilling).

2022-02-09T22:53:51+01:009. Februar 2022|Allgemein, Umwelt|