Kohle­aus­stieg: Schwierige Diffe­ren­zierung zwischen Stein- und Braunkohle

Wir erinnern uns: Die Kohle­kom­mission plant den Abschied von der Kohle ausgehend vom Jahr 2022 mit dem Ziel, 2038 keine Kohle mehr zu verstromen.

Ein Geset­zes­entwurf, der die Instru­mente und Kriterien für den Ausstieg regeln soll, existiert bisher nur für Stein­kohle. Der Entwurf des Bundes­wirt­schafts­mi­nis­te­riums sieht Ausschrei­bungen nach den §§ 10ff. des Entwurfs vor, die 2020 beginnen sollen. Der Entwurf sieht vor, dass die Betreiber von Stein­koh­le­ka­pa­zi­täten Gebote für die Still­legung gegen eine aus Bundes­mitteln fließende Stein­koh­le­kom­pen­sation abgeben, und dieje­nigen den Zuschlag erhalten, die die geringsten Kosten für die Still­legung bieten können und gleich­zeitig für die Netzsta­bi­lität nicht unbedingt nötig sind. Reicht das nicht aus, wird beginnend mit den ältesten Anlagen gesetzlich reduziert (§§ 26ff des Entwurfs). Neue Stein­koh­le­an­lagen sollen gesetzlich verboten werden (§ 38 des Entwurfs).

Für Braun­kohle gibt es keine entspre­chenden Pläne. Man spricht aktuell intensiv mit den Betreibern. Aber bis jetzt sind die Pläne wohl noch nicht soweit gediehen, dass eine auch nur halbwegs konsen­suale Regelung auch nur im Ansatz erkennbar wäre. Das ist für die Bundes­re­gierung mögli­cher­weise ein Problem: Denn der Betreiber Vattenfall klagt bereits vor einem inter­na­tio­nalen Schieds­ge­richt in Washington wegen seiner Atomkraft­werke. Gelingt keine Konsens­lösung, beginnt mögli­cher­weise das nächste Tauziehen mit ungewissem Ausgang um die Braun­koh­le­kraft­werke der Vattenfall im Osten.

Ob diese konsen­suale Lösung kommt, steht um so mehr in den Sternen, als die Bundes­re­gierung nicht frei darin ist, den Ausstieg zu erkaufen. Denn Geldzah­lungen an die Braun­koh­le­be­treiber sind mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit als Beihilfen zu dekla­rieren. Die Juristen des Umwelt­schutz­ver­bandes Client Earth haben deswegen durchaus beden­kens­werte Argumente auf ihrer Seite, wenn sie die Verein­barkeit hoher Entschä­di­gungs­zah­lungen an die Braun­koh­le­be­treiber mit dem europäi­schen Beihil­fen­recht verneinen. Sie argumen­tieren hierzu mit dem Alter der meisten Anlagen, die voll abgeschrieben sein dürften, und der geringen Renta­bi­lität, die dazu führen könnte, dass Entschä­di­gungen als Vorteil und nicht als Schadens­aus­gleich gesehen würden, weil sie die Einbuße durch den Verlust wertmäßig übersteigen.

Ein weiterer Punkt wird bisher wenig disku­tiert: Gibt es für die Braun­kohle in den Augen von Verfas­sungs­richtern und Kommis­si­ons­be­amten einen allzu „roten Teppich“ aus Geld auf dem Weg zur Still­legung, stellt sich die Frage, ob weniger großzügige Regeln für die Stein­kohle dem Gleich­be­hand­lungs­gebot des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen. Dieses verlangt, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt wird. Nun ist es aber keineswegs so, dass irgend­welche rechtlich belast­baren Gründe objektiv dafür sprechen, Braun­kohle weniger hart anzufassen als Stein­kohle. Es ist damit auch nicht auszu­schließen, dass neben der EU-Beihil­fe­auf­sicht auch das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt sich zur Umsetzung der Pläne der Kohle­kom­mission noch einmal äußert.

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2019-10-30T00:17:16+01:0030. Oktober 2019|Energiepolitik, Strom, Umwelt|

OVG Münster erklärt plane­rische Grundlage für Neubau in Nieder­außem für unwirksam

Was für eine Ohrfeige. Die RWE Power AG wollte das bestehende Braun­koh­le­kraftwerk Nieder­außem in Bergheim ausbauen. Der vorhandene Bestand ist geneh­mi­gungs­rechtlich den Anfor­de­rungen der ab 2021 geltenden Grenz­werte nicht mehr gewachsen. Deswegen sollten vier ältere Kraft­werks­blöcke ersetzt werden.

Doch nicht nur politisch weht dem Plan eine Erwei­terung des Kraft­werks der eiskalte Wind ins Gesicht. Mit Datum vom 15.11.2018 hat das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Münster auch die planungs­recht­lichen Grundlage für unwirksam erklärt.

Bereits 2011 war die erfor­der­liche Änderung des Regio­nal­plans bei der Bezirks­re­gierung Köln beantragt und von dessen Regio­nalrat beschlossen worden. 2014 beschloss die Stadt Bergheim einen vorha­ben­be­zo­genen Bebau­ungsplan und eine Änderung des Flächen­nut­zungs­plans. Die auf diesen Grund­lagen fußenden Antrags­un­ter­lagen für das immis­si­ons­schutz­recht­lichen Geneh­mi­gungs­ver­fahren liegen seit 2016 der Bezirks­re­gierung Köln vor.

Das gegen den Bebau­ungsplan „Anschluss­fläche Braun­koh­le­kraftwerk Nieder­außem“ flugs geklagt wurde, ist schon fast nicht mehr der Rede wert. Schließlich wurde in den letzten Jahren quasi jedes Kraftwerk Gegen­stand von Verwal­tungs­pro­zessen. In diesem Fall strengten zwei Anwohner ein Normen­kon­troll­ver­fahren beim zustän­digen OVG Münster an.

Noch liegen die Gründe nicht vor. Das Gericht teilt jedoch bereits jetzt mit, dass das Urteil auf einem ganzen Strauß von Gründen beruht. Der Bebau­ungsplan sei schon formell nicht ordnungs­gemäß zustande gekommen, weil die Öffent­lichkeit nur unzurei­chend darauf hinge­wiesen worden sei, welche umwelt­be­zo­genen Infor­ma­tionen der Stadt vorgelegt hätten. Außerdem sei der Bebau­ungsplan wegen eines Verstoßes gegen den Regio­nalplan fehlerhaft. Dieser war zwar gerade deswegen geändert worden, um das, was nicht passte, passend zu machen. Das Gericht stellte aller­dings fest, dass diese Änderung des Regio­nal­plans ihrer­seits unwirksam war. Im Regio­nalplan stand nämlich, dass für die Feuerungs­wär­me­leistung am Kraft­werks­standort eine Obergrenze von 9.300 MW festgelegt worden sei. Klima­schutz­be­zogene Festlegung seien jedoch in Regio­nal­plänen rechts­widrig. Dies begründet das Gericht mit einem Vorrang von BImSchG und TEHG. Damit lebt die Vorgän­ger­fassung des Regio­nal­plans wieder auf. Nach dieser sollte dort, wo RWE die Kraft­werks­er­wei­terung errichten wollte, Ackerland sein. Auf für die Landwirt­schaft bestimmten Flächen kann man ein Braun­koh­le­kraftwerk natürlich nicht errichten.

Wie der Hergang ganz genau war und was in den Unter­lagen steht, ist uns nicht bekannt. Wir können deswegen nicht abschließend beurteilen, ob die Öffent­lich­keits­be­tei­ligung wirklich viel zu lax gehandhabt wurde. Wenn dem so war, so ist dies sicherlich ein grober Schnitzer. Durchaus nicht selbst­ver­ständlich ist aller­dings die Position, dass Klima­schutz­be­lange in Regio­nal­plänen nichts zu suchen hätten. Wir sind also ausge­sprochen gespannt auf die Gründe und auf das sich wahrscheinlich anschlie­ßende Revisi­ons­ver­fahren. Den Weg zum Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt hat – das ist nicht selbst­ver­ständlich – das OVG Münster wegen grund­sätz­licher Bedeutung immerhin zugelassen.

Aber mögli­cher­weise zieht RWE ja auch gar nicht nach Leipzig zum BVerwG. Dass das Kraftwerk jemals gebaut wird, ist ja angesichts des wohl bevor­ste­henden Kohle­aus­stiegs nicht so besonders wahrscheinlich.

2018-11-19T00:34:32+01:0019. November 2018|Energiepolitik, Strom, Verwaltungsrecht|