Ordnungswidrigkeiten: Was folgt aus folgenlosen Anzeigen?
An sich ist die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten immer noch Sache der Behörden. Die sind dazu berufen „von Amts wegen“ gegen Rechtsverstöße einzuschreiten.
Allerdings ist bekannt, dass die Polizei- und Ordnungsbehörden häufig gar nicht genug „Manpower“ haben, um ihrer Aufgabe halbwegs flächendeckend nachzukommen. Daher gibt es immer wieder Konflikte, wenn Verkehrsteilnehmer durch rechtswidriges Verhalten andere behindern oder gefährden. Nicht selten ist dies eine Quelle von Nötigung oder sogar Gewalt im Straßenverkehr.
Nun, Selbstjustiz sollte eigentlich durch das Gewaltmonopol und die zivilisatorischen Errungenschaften des Rechtsstaates überwunden sein. Aber der Firnis der Zivilisation ist bekanntlich dünn. Und bricht regelmäßig auf, wenn sich die Polizei fein raushält und die Bürger das Recht selbst in die Hand nehmen.
Insofern ist es durchaus sinnvoll, dass die zuständigen Verwaltungsbehörden nicht nur von Amts wegen auf den Plan treten (oder dem Ort des Geschehens fernbleiben). Sondern dass es für Privatpersonen auch noch die Möglichkeit gibt, Ordnungswidrigkeiten anzuzeigen. Auch wenn das von interessierten Kreisen manchmal als Denuziantentum denunziert wird, dient das Anzeigen von Ordnungwidrigkeiten durch Betroffene eigentlich der Befriedung von Konflikten. Die dann in der Folge nämlich rechtsförmig ausgetragen werden.
Aber was folgt eigentlich, wenn ein Rechtsverstoß zur Anzeige gebracht wird? Hat der Anzeigende eine Möglichkeit, sich über den Ausgang des Verfahrens zu informieren? Gibt es Möglichkeiten die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zu erzwingen?
Nun können Privatpersonen zwar Ordnungswidrigkeiten anzeigen. Ob die zuständigen Behörden tatsächlich ein Bußgeldverfahren einleiten, liegt gemäß § 47 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG) in ihrem Ermessen. Die Anzeigenden haben keine herausgehobene Position im Verfahren, sie geben quasi eine Anregung zur Ermittlung durch die zuständige Behörde und sind gegebenenfalls als Zeugen für den Rechtsverstoß relevant. Auf das laufende Verfahren können sie jedoch kaum Einfluss nehmen.
Dagegen kommt der Täter der Ordnungswidrigkeit aufgrund seines Akteneinsichtsrechts in der Regel an die persönlichen Daten des Anzeigestellers. Als potentielle Zeugen finden sie mit ihrer Anschrift nämlich in der Regel Eingang in die von der Behörde geführte Akte. Dadurch sind Anzeigeerstatter immer wieder Repressalien durch die Angezeigten ausgesetzt.
Gemäß 46 Abs. 1 OWiG sind auf das Bußgeldverfahren auch die Vorschriften über das Strafverfahren anzuwenden, soweit das OWiG nichts anderes bestimmt. Nach §§ 158, 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) muss die zuständige Behörde daher auch bei Anzeigen den Sachverhalt auf Hinweise für das Erfüllen des Bußgeldtatbestandes untersuchen. Erst dann kann die nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob eine Einstellung nach § 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG in Frage kommt.
Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Anzeigen systematisch nicht nachgegangen wird, gibt es unter Umständen doch eine Handhabe für die von den Rechtsverletzungen betroffenen. Abhilfe schaffen könnten gegebenfalls eine Dienstaufsichtsbeschwerde und wenn dies nichts hilft, u.U. Fachaufsichtsbeschwerde bei der übergeordneten Verwaltungseinheit.
In machen Fällen kann auch ein Anspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz dafür sorgen, Licht in das Dunkel nicht oder uneinheitlich vollzogener Rechtsvorschriften zu bringen. Insofern, auch wenn es manchmal so scheint, sind die Bürger der Untätigkeit der Verwaltung bei massiven und wiederholten ungeahndeten Rechtsverstößen nicht schutzlos ausgeliefert (Olaf Dilling).