Neue StVO: Bewoh­ner­parken reloaded!

In den sogenannte „ruhenden Verkehr“ kommt inzwi­schen mehr und mehr Bewegung. Immer mehr Städte und Gemeinden erkennen, dass der Wildwuchs beim weitgehend kosten­losen Parken von Kfz im öffent­lichen Raum dazu führt, dass wertvolle Poten­tiale verschenkt werden. Das betrifft nicht nur das Parken als Quelle von Einkünften, sondern auch die Gestaltung des öffent­lichen Raums, der zunehmend von der wachsenden Zahl zugelas­sener Kfz dominiert wurde.

Aber natürlich spielt es für finanz­schwache Kommunen auch eine wichtige Rolle, dass der öffent­liche Raum nicht mehr verschenkt werden muss, sondern dass inzwi­schen eine kosten­de­ckende Ausge­staltung der Gebühren möglich ist. Das liegt an der Reform des Straßen­ver­kehrs­ge­setzes (StVG) im Jahr 2020, die bekanntlich mit der Obergrenze für das Anwoh­ner­parken in Höhe von 30,70 Euro aufge­räumt hat. So haben Länder und Kommunen nun viel größere Spiel­räume bei der Gestaltung der Gebühren für das Bewoh­ner­parken. Nur müssen dabei auch bestimmte Grund­sätze beachtet werden, die das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt in Leipzig inzwi­schen heraus­ge­stellt hat: So müssen sich Gebüh­ren­ordnung an den Ermäch­ti­gungs­normen orien­tieren, sie dürfen nicht willkür­liche Preis­sprünge beinhalten oder nach sozialen Kriterien unter­scheiden, die im Straßen­ver­kehrs­gesetz nicht vorge­sehen sind.

Neben dem Parken als Quelle von Einkünften wird es für viele Städte und Kommunen auch immer wichtiger, den öffent­lichen Raum für wertvollere Nutzungen bereit­zu­stellen als den ruhenden Verkehr. Schließlich ist es nicht einzu­sehen, dass ein Großteil des Raums in wertvollen Innen­stadt­lagen praktisch mit totem Kapital belegt ist, das besten­sfalls an einer von 23 Stunden am Tag bewegt wird oder in vielen Fällen ohnehin nur am Wochenende oder in den Ferien gebraucht wird. An seiner Stelle gibt es viele alter­native Nutzungen, sei es Flächen für den Fuß- und Fahrrad­verkehr, sei es Stadtgrün, das in den Zeiten des Klima­wandels eine ausglei­chende Funktion bei Hitze und Stark­regen hat oder seien es Flächen mit hoher Aufent­halts­qua­lität, die der Verödung der Innen­städte entge­gen­wirken können, für mehr Lebens­qua­lität sorgen und z.B. Kindern ein angemes­senes Umfeld bieten.

Dass Bewoh­ner­parken inzwi­schen nicht nur aus verkehrs­be­zo­genen Gründen, also bereits bestehendem Parkdruck, angeordnet werden kann, sondern auch präventiv, aus Gründen des Umwelt­schutzes und der geord­neten städte­bau­lichen Entwicklung, ist der letzten Reform der StVO zu verdanken, die demnächst in Kraft treten wird. Spätestens dann sollten sich Kommunen gut überlegen, ob sie die neuen Möglich­keiten, die das das Recht bietet, nicht nutzen sollten. Immerhin nimmt der ruhende Verkehr in dicht besie­delten Innen­stadt­lagen in Deutschland häufig bis zu 30 % ein. Dies ist nicht zwingend und verhindert in vielen Fällen andere Nutzungen, die mindestens ebenso wichtig sind, bei denen wir uns aber daran gewöhnt haben, dass für sie im öffent­lichen Raum nicht ausrei­chend Platz zur Verfügung gestellt wird. (Olaf Dilling)

 

2024-07-31T22:18:47+02:0031. Juli 2024|Kommentar, Verkehr|

Lenkungs­funktion und soziale Abfederung von Bewohnerparkgebühren

Die Gebühren für das Bewoh­ner­parken werden in vielen Kommunen derzeit relativ stark angehoben. Davor waren sie vielerorts so lange stabil geblieben, dass die Kosten für das Parken in den letzten 15 – 20 Jahren wie ein Fels in der Brandung von Inflation erschienen. Im Vergleich dazu sind die Kosten für den ÖPNV im gleichen Zeitraum erheblich gestiegen. Das lag nicht an dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage auf dem Markt für Stell­plätze bzw. Verkehrs­mittel. Vielmehr war bisher in der Gebüh­ren­ordnung für Maßnahmen im Straßen­verkehr (GebOSt) eine Deckelung von gut 30 Euro pro Fahrzeug und Jahr vorge­sehen. Diese Regelung ist nun aus guten Gründen aufge­hoben worden, auch um die Wettbe­werbs­fä­higkeit des ÖPNV zu sichern.

In Kommunen, die die Verkehrs­wende aktiv betreiben, wie z.B. Freiburg, wurden Gebüh­ren­sat­zungen erlassen, die die Gebühren nicht nur erheblich anheben, sondern auch ökolo­gische Lenkungs­wirkung entfalten sollen und einen sozialen Ausgleich herstellen sollen. So soll dort für die Mehrheit der Kfz eine durch­schnitt­liche Gebühr von 360,- EUR pro Jahr gezahlt werden. Je nach Länge der Fahrzeuge können jedoch auch Gebühren von 240,- EUR bzw. 480,- EUR fällig werden. Außerdem spielt für die Berechnung der Gebühr eine Rolle, ob ein Bewohner oder Haushalt bereits einen Bewoh­ner­park­ausweis für ein anderes Kfz beantragt hat. Unter bestimmten Voraus­set­zungen, z.B. Bezug von Sozial­leis­tungen oder eine mindestens 50% Behin­derung, können die Gebühren auch reduziert werden.

Gegen diese Satzung hat ein Bewohner einer Freiburger Bewoh­ner­parkzone einen Normen­kon­troll­antrag verbunden mit einem Eilantrag beim Verwal­tungs­ge­richtshof einge­reicht. Denn er war neben formalen Einwänden gegen die Satzung der Auffassung, dass die Parkge­bühren auf unzulässige Weise umwelt­po­li­tisch instru­men­ta­li­siert würden, um Leuten das Autofahren zu verleiden. Außerdem sei auch die soziale Kompo­nente der Gebüh­ren­be­rechnung nicht rechtens. Dadurch würden bestimmte Autofahrer privi­le­giert, was Grund­sätzen des Verkehrs­rechts wider­sprechen würde.

Das Gericht hat den Eilantrag in einem Beschluss abgelehnt. Die umwelt­po­li­tische Lenkungs­wirkung sei zulässig. Zwar seien Klima­schutz oder andere umwelt­recht­liche Zielset­zungen in der gesetz­lichen Grundlage, § 6a Abs. 5a StVG nicht aufge­führt. Es handele sich hier jedoch auch nur um einen beispiel­haften, offenen Katalog von Kriterien, die für die Bemessung der Gebühren eine Rolle spielen könnten. Im Übrigen habe der Gesetz­geber an anderer Stelle verschie­dentlich zum Ausdruck gebracht, dass diese Zielset­zungen ein legitimer Zweck des Verwal­tungs­han­delns sei.

Außerdem sei auch unter Äquiva­lenz­ge­sichts­punkten, also unter Berück­sich­tigung der tatsäch­lichen Kosten für die Allge­meinheit und des wirtschaft­lichen Nutzens für die Bewohner die Regelung nicht zu beanstanden. Dies zeigen vergleichbare Preise für private Stell­plätze und der Nutzen, den die Bewohner aus den Parkmög­lich­keiten ziehen können.

Auch was die sozialen Härte­fall­re­ge­lungen angeht, sei die Ausge­staltung der Gebühren rechts­konform. Dabei verweist das Gericht unter anderem auf die unter­schied­liche Leistungs­fä­higkeit und Angewie­senheit bestimmer Nutzer­gruppen, die dadurch ausge­glichen werde (Olaf Dilling).

2022-07-26T19:11:03+02:0026. Juli 2022|Verkehr|

Verkehrs­recht: An- oder Bewohnerzonen?

Parkraum­be­wirt­schaftung gilt als ein wichtiges Instrument der Verkehrs­wende. Denn die Nutzung von öffent­lichem Raum durch parkende Kraft­fahr­zeuge ist bisher höchst ineffi­zient und verdrängt andere Verkehrs­arten. Zudem ist der Parkdruck in städti­schen Wohnquar­tieren in den letzten Jahrzehnten immer weiter angestiegen.

Neben Parkuhren ist das sogenannte „Anwoh­ner­parken“ eine Möglichkeit, um die Probleme zu entschärfen. Gemeint ist die Einrichtung von Zonen in Wohnge­bieten, in denen nur die Anwohner, bzw. Bewohner eines bestimmten Wohnge­bietes parken dürfen. Dafür können in dem betrof­fenen Viertel Parkver­bots­schilder aufge­stellt werden, die mit dem Zusatz versehen sind: Bewohner mit entspre­chendem Parkausweis frei.

Nun gibt es mit dem Bewoh­ner­parken ein recht­liches Problem: Die sogenannte „Präferenz- und Privi­le­gi­en­feind­lichkeit“ des derzei­tigen Straßen­ver­kehrs­rechts. Damit ist gemeint, dass der Gemein­ge­brauch grund­sätzlich allen zur Verfügung stehen soll. Das Bundes­ver­wal­tungs­ge­richt (BVerwG) hatte 1998 daher in einer Grund­satz­ent­scheidung festge­stellt, dass das Anwoh­ner­parken unzulässig sein soll, wenn es zu einer flächen­de­ckenden oder mosaik­ar­tigen Einrichtung entspre­chender Zonen in Innen­städten kommt (BVerwG 107, 38 ff.). Begründet hat das BVerwG die Entscheidung mit der Ermäch­ti­gungs­grundlage für das per Rechts­ver­ordnung geregelte Anwoh­ner­parken im Straßen­ver­kehrs­gesetz: Der Gesetz­geber habe das Instrument in § 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG (a.F.) als Ausnahme vorgesehen.

Das BVerwG war außerdem der Auffassung, dass aus dem Begriff des Anwohners eine enge räumliche Verbindung zwischen Wohnung und Pkw-Abstell­platz folge. Gemeint sei ein Nahbe­reich, der in aller Regel nicht mehr als zwei bis drei Straßen umfasse. 

Daraufhin wurde der Gesetz­geber tätig und hat die Ermäch­ti­gungs­grundlage, den aktuellen § 6 Abs. 1 Nr. 15 StVG, refor­miert. Inzwi­schen wird daher offiziell von Bewoh­ner­parken gesprochen (auch wenn der alte Name umgangs­prachlich oft weiter verwendet wird). Daher hat sich der räumliche Bezug erweitert, so dass größere Zonen möglich sind. Auch die flächen­de­ckende Parkraum­be­wirt­schaftung ist seither nicht mehr unzulässig.

Kürzlich gab es wieder ein Gerichts­ver­fahren zu dem Thema, diesmal am Sächsi­schen Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG). Das OVG entschied, dass ein Bewoh­ner­park­be­reich in Leipzig zu groß dimen­sio­niert sei. Dabei gab es dem Antrag­steller im Eilver­fahren, einer Steuer­be­ra­ter­kanzlei, recht. Diese hatte sich auf die Verwal­tungs­vor­schrift zu § 45 StVO berufen, in der „auch in Städten mit mehr als 1 Mio. Einwohner“ eine maximale Ausdehnung von 1000 m vorge­sehen ist.

Nun ist notorisch umstritten, ob sich Bürger vor Gerichten auf Verwal­tungs­vor­schriften berufen können. Denn sie werden in der Regel nicht als formelles Recht einge­stuft, sondern sollen der Verwaltung als Ausle­gungs­hilfe dienen. Aller­dings fand das OVG Hinweise in den Geset­zes­ma­te­rialien zur Ermäch­ti­gungs­grundlage im StVG. Daraus wurde deutlich, dass bereits der Gesetz­geber eine entspre­chende Größen­be­grenzung geplant hatte (Olaf Dilling).

2024-10-09T02:08:08+02:0019. Oktober 2020|Allgemein|