Gesundheit und Menschen­würde: Besuchs­recht im Pflegeheim

Aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie waren bereits im März zahlreiche Regelungen der Länder zum Besuch in Pflege­ein­rich­tungen und Kranken­häusern erlassen worden. Betroffen waren vor allem die Angehö­rigen von Senio­rinnen und Senioren. Aber auch Väter konnten beispiels­weise bei der Geburt ihres Kindes nicht dabei sein. Im Zusam­menhang mit den Locke­rungen der letzten Tage ist in vielen Bundes­ländern auch das Besuchs­recht in Pflege­heimen und Kranken­häusern wieder ermög­licht worden. Aller­dings bestehen weiterhin Einschrän­kungen. Und zwischen den Ländern bestehen oft erheb­liche Unterschiede.

So wurde in Berlin nach § 10 der Sechsten Verordnung zur Änderung der SARS-Cov-2-Eindäm­mungs­maß­nah­men­ver­ordnung (6. SARS-COV-2-EindmaßnV) vom 07. Mai 2020 geregelt, dass die Patienten, bzw. Bewohner von Einrich­tungen täglich von einer Person Besuch empfangen können, außer diese Person hat eine Atemwegs­in­fektion. Bei bestä­tigten COVID-19-Infek­tionen kann die Leitung der Einrichtung im Rahmen einer Gefähr­dungs­ein­schätzung das Besuchs­recht auch wieder einschränken oder ein Verbot aussprechen. In Sachsen-Anhalt kann das grund­sätzlich gegebene Besuchs­recht auch allein aufgrund einer Gefähr­dungs­ein­schätzung einge­schränkt werden. Dafür haben hier nicht nur Seelsorger, wie in Berlin, sondern auch recht­liche Betreuer oder Rechts­bei­stände ein unein­ge­schränktes Besuchsrecht.

Tatsächlich ist die Situation von Bewohnern oder Patienten, die ihre Rechte nicht selbst geltend machen können, verfas­sungs­rechtlich nicht unpro­ble­ma­tisch. Praktisch sind sie über Wochen und Monate alleine ohne Angehö­ri­gen­besuch und können die Einrichtung auch selbst in der Regel nicht verlassen. Gerade alten Leuten geht es oft nicht ums bloße Überleben oder um den Gesund­heits­schutz um jeden Preis. Vielmehr ist ihnen die Zuwendung durch ihre Angehö­rigen besonders wichtig. Wenn es um das Lebensende geht, zeigen Umfragen, dass es alten Menschen oft wichtiger ist, selbst­be­stimmt und würdevoll zu sterben, als inten­siven lebens­er­hal­tenden Maßnahmen unter­zogen zu werden.

In der politi­schen Diskussion wurde die letzten Wochen viel über Zielkon­flikte zwischen Gesundheit und Wirtschaft disku­tiert. Aller­dings ist die Fronstellung nicht so einfach. Zumindest sollte nicht unter den Tisch fallen, dass die Situation der Alten auch eine Abwägung zwischen Leben und Gesundheit auf der einen Seite und Menschen­würde und Freiheit erfordert (Olaf Dilling).