Die Schutz­schrift – Vorsorge bei drohender einst­wei­liger Verfügung

Im Unter­neh­mens­alltag, besonders bei Energie­ver­sorgern kann es schnell passieren: Jemand droht, schnell eine einst­weilige Verfügung gegen Sie zu beantragen – vielleicht, weil es Streit um eine angekün­digte oder bereits erfolgt Unter­bre­chung der Energie­ver­sorgung gibt oder weil ein Wettbe­werber ein bestimmtes Verhalten als unlauter ansieht.

Eine einst­weilige Verfügung ist ein gericht­licher Eilbe­schluss, der oft ohne Anhörung der Gegen­seite erlassen wird. Das bedeutet: Sie erfahren im schlimmsten Fall erst von dem gericht­lichen Verbot, wenn es schon ergangen ist – ohne dass Sie Ihre Sicht schildern konnten.

Hiergegen kann mit einer sog. Schutz­schrift vorge­beugt werden. Eine Schutz­schrift ist ein vorbeu­gender Schriftsatz, den man vorsorglich bei Gericht hinter­legen kann, wenn man damit rechnet, dass ein Gegner mögli­cher­weise eine einst­weilige Verfügung beantragen wird. Mit ihr teilt man dem Gericht vorab die eigene Sicht der Dinge mit. So soll verhindert werden, dass eine Verfügung erlassen wird, ohne dass die Gegen­seite jemals gehört wurde. Man könnte sagen, man reicht bei Gericht eine Vertei­digung ein, noch bevor man überhaupt angegriffen wurde.

Seit 2016 gibt es ein zentrales elektro­ni­sches Schutz­schrif­ten­re­gister in Deutschland. Anwälte können dort bundesweit eine Schutz­schrift einstellen. Das hat den Vorteil, dass bei Rechts­strei­tig­keiten, die vom Gegner vor mehreren möglichen Gerichten anhängig gemacht werden könnten, nicht bei jedem Gericht gesondert eine eigene Schutz­schrift hinterlegt werden muss.

Kommt es tatsächlich zu einem Antrag auf einst­weilige Verfügung, sollte das Gericht automa­tisch prüfen, ob zu diesem Fall bereits eine Schutz­schrift vorliegt. Wenn ja, muss das Gericht sie berück­sich­tigen, bevor es entscheidet. Das Gericht kann dann entweder den Antrag des Gegners sofort zurück­weisen, oder eine mündliche Verhandlung ansetzen, bei der beide Seiten gehört werden. Ohne Schutz­schrift hätte das Gericht mögli­cher­weise direkt die Verfügung erlassen – ein empfind­licher Nachteil für die betroffene Person oder das Unternehmen.

In der Praxis funktio­niert das nach unserer Erfahrung so Mittelgut, da es leider passieren kann, dass Gerichte eine hinter­legte Schutz­schrift nicht beachten. In diesem Fall hilft es dann nur, Rechts­mittel gegen die einst­weilige Verfügung einzulegen.

(Christian Dümke)

2025-08-29T11:27:14+02:0029. August 2025|Allgemein, Wettbewerbsrecht|

Von Bonushoppern, Kunden­rück­kehrern und Datenschutzbehörden

Der Gesetz­geber hat eigentlich sehr viel getan, um Kunden den Wechsel des Energie­ver­sorgers möglichst einfach zu machen. So muss dieser Wechsel selbst­ver­ständlich für den Kunden unent­geltlich erfolgen, das Verfahren für den Wechsel des Liefe­ranten darf drei Wochen, gerechnet ab dem Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung zur Netznutzung durch den neuen Liefe­ranten bei dem Netzbe­treiber, nicht überschreiten (§ 20a EnWG) und bei jeder Preis­an­passung steht dem Kunden ein Sonder­kün­di­gungs­recht zu.

Die Versorger setzen sogar noch ein drauf und bieten vielfach attraktive Wechsel- und Neukun­denboni für wechsel­willige  Kunden. Das schreibt das Gesetz nicht vor. Der preis­be­wusste Wechsel­kunde also der Liebling des Marktes? Nicht so ganz. Denn einigen Versorgern scheint die Gruppe der allzu preis­be­wussten Wechsel­kunden gleich­zeitig ein Dorn im Auge zu sein.

So wurde jetzt bekannt, dass der Versorger Vattenfall wohl Vertrags­schlüsse mit Kunden ablehnte, die bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Liefer­ver­hältnis mit Vattenfall hatten und von dort zu einem anderen Versorger gewechselt waren. Betroffen sollen rund 500.000 Kunden gewesen sein. Solche „Rückkehrer“ sind jetzt nicht durchweg unbeliebt. Viele unserer Mandanten bemühen sich z.B. sogar aktiv, verlorene Kunden wieder zurück­zu­ge­winnen. Bei Vattenfall sah man das jedoch offenbar anders und lehnte die erneute Belie­ferung der vermeint­lichen „Bonushopper“ ab.

Proble­ma­tisch an der ganzen Aktion war aus Sicht der Daten­schutz­be­hörde der Umstand, dass Vattenfall zum Heraus­filtern der besagten Kunden auf noch im System vorhandene Bestands­daten zurück­ge­griffen hatte. Dies wertete die Daten­schutz­be­hörde als unzulässig und verhängte ein Bußgeld in Höhe von 900.000,00 EUR. Vattenfall räumte den Vorfall auch ein.

Die grund­le­gende Praxis von Vattenfall wurde aller­dings nicht beanstandet, wobei diese Frage auch nicht in den Zustän­dig­keits­be­reich der Daten­schutz­be­hörden fallen würde. Vattenfall recht­fertigt das Vorgehen der Kunden­prüfung und Ablehnung im Rahmen einer Presse­mit­teilung mit dem Ziel der „Verhin­derung einer missbräuch­lichen Ausnutzung bonus-relevanter Verträge“. Wobei Vattenfall dort nicht näher erläutert, inwieweit Kunden die im Laufe der Jahre durch häufigere Versor­ger­wechsel mehrfach Bonus­ver­träge mit Vattenfall abschließen sich „missbräuchlich“ verhalten würden.

Für die Zukunft stellt sich die Frage, ob sich derartige Verfahren der Kunden­fil­terung am Markt weiter etablieren, zum Beispiel in dem versucht wird das Daten­schutz­problem über eine geson­derte Einwil­ligung des Kunden, seine Daten für einen späteren Abgleich zu speichern und zu nutzen, umgeht.

Wobei sich hier dann die Frage stellt, ob die standard­mäßige Einholung einer solchen beson­deren Daten­nut­zungs­ein­wil­ligung in den Bedin­gungen von Bonus­ta­rifen als allge­meine Geschäfts­be­dingung des Versorgers überhaupt zulässig und wirksam wären.

 

(Christian Dümke)

2021-09-27T21:13:04+02:0027. September 2021|Vertrieb, Wettbewerbsrecht|

BGH verhindert Rekom­mu­na­li­sierung des Berliner Gasnetzes

Der Bundes­ge­richtshof hat im Konzes­si­ons­ver­ga­be­ver­fahren der Stadt Berlin mit aktuellem Urteil vom 9. März 2021, Az. KZR 55/19 festge­stellt, dass die Stadt die ausge­schriebene Konzession zum Betrieb des Berliner Gasver­teil­netzes nach deren Auslaufen im Jahr 2013 nicht an eine eigene kommunale Netzge­sell­schaft vergeben darf, sondern das Angebot des bishe­rigen Konzes­si­ons­in­habers (der GASAG AG) auf Abschluss eines Konzes­si­ons­ver­trages annehmen muss.

Zum recht­lichen Hintergrund:

Gemeinden haben Netzbe­treibern ihre öffent­lichen Verkehrswege gem. § 46 EnWG für den Netzbe­trieb zur Versorgung von Letzt­ver­brau­chern im Gemein­de­gebiet diskri­mi­nie­rungsfrei durch Konzes­si­ons­ver­träge zur Verfügung zu stellen. Sie gelten als markt­be­herr­schende Anbieter von Wegenut­zungs­rechten nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Diese Konzes­si­ons­ver­träge, die eine Höchst­laufzeit von 20 Jahren nicht überschreiten dürfen, müssen durch die Gemeinden regel­mäßig in einem trans­pa­renten und diskri­mi­nie­rungs­freien Verfahren ausge­schrieben werden. Diese Verfahren sind häufig Gegen­stand gericht­licher Ausein­an­der­set­zungen, insbe­sondere wenn der bisherige Konzes­si­ons­in­haber im Verga­be­ver­fahren zu unter­liegen droht, denn dann muss er sein Netz gegen angemessene Vergütung dem neuen Konzes­si­ons­in­haber überlassen. Das EnWG verlangt weiter, dass auch eine eigene kommunale Gesell­schaft, die den Netzbe­trieb übernehmen will, als normaler Bieter ohne Bevor­zugung durch die verge­bende Kommune am wettbe­werb­lichen Verga­be­ver­fahren um die Konzession teilnehmen müsse – und dabei natürlich auch unter­liegen kann.

 

Was ist das Besondere?

Anders als in vielen anderen Verfahren hat der BGH vorliegend die grund­le­gende Konzeption des Verfahrens nicht beanstandet. Das hat zur Folge, dass die Stadt Berlin das Verfahren auch nicht aufheben und neu beginnen muss oder kann (um dann eventuell doch noch mit der eigenen Gesell­schaft zum Zuge zu kommen).

Vielmehr kam der BGH zu dem Ergebnis, dass der Zuschlag der GASAG zu erteilen war, weil die konkur­rie­rende kommunale Netzge­sell­schaft ihre wirtschaft­liche Leistungs­fä­higkeit nicht innerhalb der dafür vorge­se­henen Frist nachge­wiesen habe und die GASAG damit als einziger Bieter im Verfahren ein zuläs­si­ger­weise annah­me­fä­higes Angebot vorgelegt hatte. Im April 2019 hatte das Berliner Kammer­ge­richt in zweiter Instanz die Beschwerde der GASAG gegen die Vergabe der Konzession an Berlin Energie noch zurück­ge­wiesen. Durch das Urteil des BGH ist der Versuch einer Rekom­mu­na­li­sierung des Berliner Gasnetzes auf diesem Weg ist damit – für die Dauer der neu zu ertei­lenden Konzession – gescheitert.

(Christian Dümke)

2021-03-15T18:46:45+01:0015. März 2021|Energiepolitik, Gas, Wettbewerbsrecht|