Monito­ring­be­richt Energie­wende: Überbauung von Netzan­schlüssen als Chance für Ausbau der Erneuerbaren

Der Monitoring Bericht zur Energie­wende liegt vor. Wir haben hieraus bereits über den Themen­be­reich Abfall und Biomasse berichtet. In dem Bericht wird jedoch auch zum Thema Netzan­schluss von EE-Anlagen und Netzsta­bi­lität ein inter­es­santer Ansatz vertreten:

Der Anschluss von Wind- und Solar­an­lagen ans Stromnetz ist teuer und oft ein Nadelöhr beim Ausbau der erneu­er­baren Energien. Eine Lösung, die aktuell in mehreren Studien disku­tiert wird, ist die gezielte Überdi­men­sio­nierung von Anlagen im Verhältnis zur Netzan­schluss­leistung – also mehr Strom­erzeu­gungs­ka­pa­zität aufzu­bauen, als das Netz eigentlich gleich­zeitig aufnehmen kann.

Anstatt für jede neue Anlage eigene teure Netzan­schlüsse zu schaffen, können bestehende Anschlüsse besser ausge­lastet werden. Das kann laut Monito­ring­be­richt etwa erfolgen durch:

  • die Kombi­nation von Wind- und Solar­an­lagen an einem Standort (Co-Location),
  • die Einbindung von Speichern hinter dem Netzanschluss,
  • oder die Bündelung mehrerer Anlagen an einem gemein­samen Netzver­knüp­fungs­punkt (Clusterung).

So lassen sich Spitzen­lasten glätten, während das Netz insgesamt effizi­enter genutzt wird.

Zwar führt die Überbauung dazu, dass in Zeiten hoher Produktion ein kleiner Teil des Stroms abgeregelt werden muss. Da dieser Überschuss­strom jedoch ohnehin nur geringe fossile Erzeugung ersetzt, ist der negative Klima­effekt gering. Insgesamt überwiegen die Vorteile, weil die Maßnahme den Netzausbau beschleunigt und so schneller mehr erneu­erbare Energie ins Netz bringt.

Durch die Kombi­nation verschie­dener Techno­logien (z. B. Wind und PV) sowie den Einsatz von Speichern wird die Netzaus­lastung gleich­mä­ßiger. Das verbessert die System­sta­bi­lität und verringert den Bedarf an Notfall­maß­nahmen wie Redispatch.

Der größte Vorteil liegt laut Monito­ring­be­richt bei den Kosten. Laut Studien könnten bis 2030 jährlich bis zu 1,7 Milli­arden Euro einge­spart werden. Besonders effektiv ist die gemeinsame Nutzung von Wind- und PV-Anlagen, kombi­niert mit Speichern. Der moderate Ertrags­verlust durch abgere­gelten Strom fällt kaum ins Gewicht, da dieser zu Zeiten von Überschüssen ohnehin nur geringen Marktwert hat.

Damit diese Option breit genutzt werden kann, sind Anpas­sungen im Rechts­rahmen nötig, etwa im Erneu­erbare-Energien-Gesetz (EEG) und im Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG). Auch Regelungen zu verbind­lichen Verträgen für Anschluss­ka­pa­zi­täten in Engpass­ge­bieten (sogenannte FCAs) müssten weiter­ent­wi­ckelt werden.

Die gezielte Überbauung von Netzan­schlüssen ist damit vielleicht ein vielver­spre­chender Hebel, um den Ausbau erneu­er­barer Energien schneller, günstiger und effizi­enter zu machen. Die dabei entste­henden Strom­ver­luste sind vergleichs­weise gering, die System- und Kosten­vor­teile dagegen erheblich.

(Christian Dümke)

 

2025-09-19T14:28:16+02:0019. September 2025|Energiepolitik, Erneuerbare Energien, Netzbetrieb|

Und die Konzession? Recht­liche Fragen zur geplanten Still­legung des Mannheimer Gasnetzes

Wir hatten hier schon in der letzten Woche über die Entscheidung der MVV AG, das Gasnetz in der Stadt Mannheim bis 2035 still­zu­legen berichtet. Die Ankün­digung  hat auch großes Echo in der Presse gefunden.

Rechtlich stellen sich hierzu jedoch so einige Fragen. Um das Gasnetz bisher betreiben zu können, wird die MVV mit der Stadt Mannheim einen Konzes­si­ons­vertrag nach § 46 Abs. 2 EnWG abgeschlossen haben, der es der MVV erlaubt, die öffent­lichen Straßen und Wege zum Betrieb eines Erdgas­netzes der allge­meinen Versorgung zu betreiben.

Diese Konzes­si­ons­ver­träge enthalten regel­mäßig eine vertrag­liche Verpflichtung des konzes­sio­nierten Netzbe­treibers gegenüber der Kommune, während der Dauer des Konzes­si­ons­ver­trages ein entspre­chendes Netz der allge­meinen Versorgung zu betreiben und jedermann im Rahmen der Zumut­barkeit anzuschließen.

Der Netzbe­treiber kann sich hier zwar grund­sätzlich auf Unzumut­barkeit berufen, aber mögli­cher­weise müsste die Stadt dann den Konzes­si­ons­vertrag beenden und versuchen die Konzession neu auszu­schreiben. Gäbe es Inter­es­senten hätte der neue Konzes­sionär gegen MVV Anspruch auf Übertragung des Erdgas­netzes gegen angemessene Vergütung.

Aus einer Presse­mit­teilung des Jahres 2014, in der seinerzeit die Neuvergabe der Gaskon­zession für 20 Jahre an die MVV verkündet wurde, lässt sich ableiten, dass der aktuelle Konzes­si­ons­vertrag der MVV Ende vermutlich zum Ende des Jahres 2034 ausläuft. Die geplante Stillegung würde hier also zum Ende des Vertrages erfolgen sollen, so dass zumindest kein Vertrags­verstoß vorläge.

Aber auch in diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Stadt Mannheim nicht die Gaskon­zession zunächst ganz normal neu ausschreiben müsste, unabhängig davon, ob die nun MVV Interesse an einer erneuten Konzes­si­ons­er­teilung hat oder nicht. Dass eine Kommune wegen mangelndem eigenem Interesse oder klima­po­li­ti­scher Schwer­punkt­setzung eine solche Konzession ersatzlos auslaufen lässt und nicht neu ausschreibt, sieht § 46 EnWG in seiner bishe­rigen Form jeden­falls nicht vor. Energie­ver­sorgung ist Teil der Daseins­vor­sorge und muss über die Auswahl eines geeig­neten Netzbe­treibers von den Kommunen erfüllt werden.

(Christian Dümke)

2024-11-22T19:38:08+01:0022. November 2024|Energiepolitik, Gas, Konzessionsrecht, Netzbetrieb|

MVV AG plant Stillegung des Gasnetzes in Mannheim ab 2035

Die MVV Energie AG, einer der führenden Energie­ver­sorger Baden-Württem­bergs, hat angekündigt, das Gasnetz in Mannheim bis 2035 still­zu­legen. Damit wäre die MVV der erste Gasnetz­be­treiber in Deutschland, der sich aktiv aus der Erdgas­ver­sorgung zurück­zieht. Dies markiert einen bedeu­tenden Schritt in der Energie­wende, stellt aber zugleich viele Haushalte und die Stadt vor erheb­liche Herausforderungen.

Die MVV Energie AG, nach der EnBW der zweit­größte Energie­ver­sorger Baden-Württem­bergs, hat sich aus wirtschaft­lichen und recht­lichen Gründen zu diesem Schritt entschlossen. Der Rückgang der Nutzung fossiler Brenn­stoffe, insbe­sondere Erdgas, sowie die damit verbun­denen steigenden Kosten machen den Betrieb des Gasnetzes zunehmend unren­tabel. Auch andere Versorger, wie die Stadt­werke Augsburg, hatten ähnliche Überle­gungen angestellt, entschieden sich jedoch letztlich dagegen.

Laut MVV sind von der Still­legung rund 24.400 Haushalte betroffen. Nicht alle werden auf die angebotene Alter­native, das Fernwär­menetz, umsteigen können. Die MVV verweist darauf, dass die EU-Gasbin­nen­markt­richt­linie die Betreiber verpflichtet, Still­le­gungs­pläne zu entwi­ckeln und bis Mitte 2026 der Bundes­netz­agentur vorzu­legen. Diese Richt­linie wird derzeit in deutsches Recht umgesetzt und unter­stützt den geplanten Ausstieg aus der fossilen Gasversorgung.

Die Still­legung des Gasnetzes stellt viele Haushalte vor neue Heraus­for­de­rungen. Während einige von der Fernwär­me­ver­sorgung profi­tieren können, bleibt unklar, wie die restlichen Haushalte künftig ihre Energie­ver­sorgung sicher­stellen werden. Für Gebäude, die nicht an das Fernwär­menetz angeschlossen werden können, müssen alter­native Heizlö­sungen wie Wärme­pumpen oder elektrische Heizsysteme gefunden werden.

Die Kosten für die Umrüstung könnten für viele Haushalte eine finan­zielle Belastung darstellen. Deshalb arbeitet die MVV an einer Förder­stra­tegie, um den Übergang für die Betrof­fenen sozial­ver­träglich zu gestalten.

Ein zentraler Faktor für die Entscheidung der MVV ist die EU-Gasbin­nen­markt­richt­linie, die eine Still­legung von Gasnetzen als Option vorgibt. Diese Regelung soll den Übergang zu einer klima­neu­tralen Energie­ver­sorgung unter­stützen. Zudem führt die MVV die zuneh­menden Kosten für die Erdgas­ver­sorgung als Grund an, die den Betrieb langfristig unwirt­schaftlich machen.

Die Entscheidung der MVV könnte Signal­wirkung für andere Gasver­sorger in Deutschland haben. Als erster Anbieter, der einen vollstän­digen Ausstieg aus dem Erdgasnetz plant, stellt das Unter­nehmen die Frage in den Mittel­punkt, wie Deutschland seine Klima­ziele erreichen kann, ohne soziale und wirtschaft­liche Härten zu verursachen.

Die Stadt Mannheim könnte durch diesen Schritt eine Vorrei­ter­rolle bei der Trans­for­mation der Energie­ver­sorgung einnehmen. Gleich­zeitig zeigt die Situation auch die Heraus­for­de­rungen, die der Umbau von fossilen auf klima­neu­trale Energie­träger mit sich bringt.

(Christian Dümke)

2024-11-15T13:07:16+01:0015. November 2024|Energiepolitik, Gas, Netzbetrieb|