Schon wieder das beA

Wetten Sie eigentlich gern? Wir würden mit Ihnen wetten. Wir wetten mit Ihnen um Schokolade, dass am 3. September das besondere elektro­nische Anwalts­postfach beA nicht am Start ist. Wenn Sie dagegen meinen, die Bundes­rechts­an­walts­kammer (BRAK) zieht das jetzt durch, dann schreiben Sie uns einfach eine E‑Mail mit Ihrem Namen, erklären sich einver­standen, dass wir diesen Akt der Tollkühnheit auf dieser Seite publi­zieren, und dann warten wir es ab. Wir können uns nämlich irgendwie nicht vorstellen, dass die BRAK tatsächlich am 3. September ein System verbindlich startet, das es theore­tisch ermög­licht, dass ein krimi­neller Innen­täter sämtliche versandte Nachrichten liest. Immerhin sind Anwälte eine Gruppe, durch deren Hände eine Vielzahl heikler, sehr, sehr vertrau­licher Infor­ma­tionen geht. Die stehen dann auch in unseren Dokumenten. Wir sind unseren Mandanten gegenüber zum Schweigen verpflichtet. Das ist Teil des Kerns anwalt­licher Tätigkeit: Dass jeder sicher sein kann, dass seine Geheim­nisse, wie peinlich oder strafbar sie auch immer sein mögen, bei seinem Anwalt sicher sind.

Sollte dieses Vertrauen wirklich darunter leiden, dass die Kommu­ni­kation zwischen EGVP und beA unbedingt aufrecht­erhalten werden, aber gleich­zeitig das beA so schnell wie möglich an den Start gehen soll? Wäre es nicht vertretbar, sich von einem zunehmend auch in der Öffent­lichkeit mit Misstrauen betrach­tetem System zu verabschieden?

Wir jeden­falls warten diesmal so lange wie möglich ab, bis wir den neuen beA-Client instal­lieren. Und wenn wir am 2. September schimpfend und schwitzend an unserer EDV herum­schrauben (lassen). Wir können uns aber gut vorstellen, dass bis dahin entweder der BGH die Sache stoppt, der in seiner Entscheidung vom 28.06.2018 (AnwZ (Brfg) 5/18) ausdrücklich anspricht, dass seine Entscheidung zugunsten der Nutzungs­pflicht eines elektro­ni­schen Postfachs sich nicht mit diesem Postfach in seiner konkreten techni­schen Gestalt beschäftige, mit anderen Worten: Dass seine Entscheidung, die Nutzungs­pflicht sei schon in Ordnung, nicht bedeutet, dass auch das beA in Ordnung ist. Oder das System schlicht nicht so funktio­niert, wie die BRAK es sich vorstellt. Es bleibt also spannend.

2018-07-30T01:17:27+02:0030. Juli 2018|Digitales|

Neues von der Störerhaftung

Sicherlich erinnern Sie sich noch an das Schwert des Damokles, das jahrelang über dem Haupt von Betreibern offener WLAN Netze hing. Nach älterer Recht­spre­chung des Bundes­ge­richtshof (BGH) haftete der Betreiber eines offenen WLAN nämlich für Rechts­ver­let­zungen, die Dritte auch ohne sein Wissen über seinen Inter­net­zugang begangen hatten.

Dies ist inzwi­schen Vergan­genheit. Seit dem 13.10.2017 gilt der neuge­fasste § 8 Abs. 1 Satz 2 Teleme­di­en­gesetz (TMG). Dieser ordnet nunmehr an, dass der Vermittler eines Inter­net­zu­gangs nicht wegen einer rechts­wid­rigen Handlung eines Nutzers auf Schadens­ersatz, Besei­tigung oder Unter­lassung in Anspruch genommen werden kann.

Dies kam dem Betreiber von fünf öffentlich zugäng­lichen WLAN Hotspots und zwei Kanälen in das Tor-Netzwerk, einem Netzwerk zu Anony­mi­sierung von Verbin­dungs­daten, zugute. Gegen ihn ging nämlich ein Unter­nehmen vor, das ein Compu­ter­spiel anbietet namens „Dead Island“. Denn Anfang 2013 wurde dieses Programm über den Inter­net­an­schluss des Beklagten von unbekannten Dritten zum Download angeboten. Daraufhin folgte schnell eine Abmahnung des Software­an­bieters an den WLAN-Betreiber  mit der Auffor­derung, sich zur Unter­lassung zu verpflichten und dann, wenn so etwas jemals wieder vorkommen sollte, eine hohe Vertrags­strafe zu zahlen. Außerdem verlangte der Software­an­bieter die Abmahnkosten.

Anders als viele andere Unter­nehmen unterwarf sich der WLAN-Betreiber nicht. Der Rechts­streit wogte durch die Instanzen. Während der Prozess anhängig war, änderte sich 2017 der Rechts­rahmen: Die Störer­haftung fiel.

Der BGH hat deswegen am 26.7.2018 auf Betreiben des WLAN-Anbieters die Klage auf Unter­lassung des Spieler­an­bieters abgewiesen. Aller­dings bleibt der WLAN-Anbieter auf den Abmahn­kosten sitzen. Begründung: Zum Zeitpunkt der Abmahnung 2013 waren diese begründet. In Hinblick auf die Unter­las­sungs­ver­pflichtung kommt es darauf aber nicht an, denn dann, wenn etwas zum Zeitung der Revisi­ons­ent­scheidung nicht mehr verboten ist, kann keine entspre­chende Entscheidung ergehen.

Inter­essant ist aller­dings, dass der BGH davon ausgeht, dass der Spiele­an­bieter durchaus einen Anspruch darauf haben könnte, dass der WLAN-Anbieter die Nutzer regis­triert, den Zugang zum Netz mit einem Passwort verschlüsselt oder den Zugang auch im äußersten Fall komplett sperrt. Ob ein solcher Anspruch im hier entschie­denen Fall infrage kommt, ist auf der Basis der bisher vorlie­genden Sachver­halts­in­for­ma­tionen aber noch nicht klar. Das haben die unteren Instanzen nicht festge­stellt, weil es bisher ja auf diese Frage auch gar nicht ankam. Hier soll nun das Oberlan­des­ge­richt (OLG) Düsseldorf nochmals aktiv werden. Der BGH hat die Sache deswegen ans OLG zurückverwiesen.

Damit bleibt es spannend. Die Praxis fragt sich nach wie vor, ob eine Vorschalt­seite mit Anmeldung erfor­derlich ist, oder ein schneller, anonymer Zugang mit einem Klick, so wie in vielen anderen EU Mitglied­staaten üblich, nicht reicht. Doch die Recht­spre­chung macht es weiter spannend. Endgültige Klärung steht weiter aus.

2018-07-26T21:08:46+02:0026. Juli 2018|Digitales, Wettbewerbsrecht|

Block­chain: Herr Rayner überzeugt mich nicht

Die Block­chain ist ja angeblich das nächste große Ding und soll die Wirtschaft revolu­tio­nieren. Was die Block­chain im Energie­sektor eigentlich Bahnbre­chendes leisten soll, wird mir bisher aller­dings nicht deutlich. Wenn mir Google Alert dann also einen Text darüber zeigt, wofür die Block­chain in Zusam­menhang mit Strom gut sein soll, dann schaue ich mir den natürlich sofort an.

Hier ist er. Er ist von einem in Deutschland lebenden Australier namens Tristan Rayner und heißt „Ein Mikro-Stromnetz in Brooklyn demons­triert die saubere Energie­ver­sorgung via Block­chain“. Hoppla, denke ich. Habe ich mich also geirrt und die Block­chain ist doch toll. Aber warten wir es ab:

In der Einleitung wird es jeden­falls schon knallig. Das derzeitige Stromnetz sei ein „alter­na­tiv­loses Ungetüm“. Na gut, ziemlich groß ist das Stromnetz, so alles in allem, schon richtig. Aber alter­na­tivlos? Niemand verbietet Leuten, neben dem Netz der öffent­lichen Versorgung ein zweites Stromnetz im Boden zu vergraben, wenn ihnen der Eigen­tümer des Grund­stücks das erlaubt. Warum trotzdem keiner die Bagger rollen lässt? Weil es sinnlos ist. Weil das Energie­wirt­schafts­gesetz (EnWG) und seine Verord­nungen einen diskri­mi­nie­rungs­freien Zugang für alle anderen Strom­lie­fe­ranten gewähr­leisten. Da muss niemand teure Tonnen Kupfer vergraben. Alter­na­tivlos ist damit schon mal nichts. Aber gut, sehen wir weiter.

Rayner meint weiter, durch die zuneh­mende Produktion von Erneu­er­barem Strom würden Rufe nach einem neuen, dezen­tra­lerem Stromnetz laut. Das leuchtet mir zumindest nicht ein. Was spricht dagegen, auch für neue Autos die alte Autobahn zu nutzen? Wird es sehr viel, braucht man vielleicht eine weitere Spur, aber dafür unter anderem sind die Netzbe­treiber ja da.

Im nächsten Absatz kommt dann Rayners große Innovation. Simsa­labim, die Block­chain würde es also ermög­lichen, dass Nachbarn unter­ein­ander mit Strom handeln. Gut und schön, denke ich mir. Viel Spaß. Aber geht das nicht heute schon? Gesetzt der Fall, ich hätte ziemlich viel PV auf dem Dach, hole mir eine Versor­ger­lizenz und verkaufe Strom an meine Nachbarn gegenüber: Wer soll mir das verbieten? Ich würde einen Vertrag mit dem Verteil­netz­be­treiber schließen, Umlagen abführen, alles tun, was das EnWG von Versorgern verlangt, und los geht’s. Warum das keiner macht? Es lohnt sich nicht. Die Vergütung nach dem EEG ist besser. Und wenn ich innerhalb einer Liegen­schaft verkaufe, gibt es auch dafür einen gesicherten recht­lichen Rahmen, bei dem Erzeuger und Mieter sparen. 

Herr Rayner dagegen ist begeistert: Wer eine Solar­anlage hat, der hätte auch Strom, wenn das Netz ausfällt, schreibt er. Und wer keine hat, aber von jemandem beliefert wird, der eine hat, der wäre auch vom Stromnetz unabhängig. Aber ganz im Ernst: Ist das wirklich ein Problem? Ist Energie­aut­arkie in einem so ausdif­fe­ren­zierten System wie dem Stromnetz in Deutschland ein Ansatz, der eine so enorme Energie­ver­schwendung recht­fertigt, wie die Block­chain sie derzeit darstellt? Und überhaupt: Wie stellt sich Herr Rayner eine physi­ka­lische Struktur vor, in der ein Netz zusam­men­bricht, aber die Liefer­ver­bindung zwischen Verbrau­chern und Erzeugern vor Ort als Teil dieses Netzes weiter funktio­niert? Ich bin jetzt keine Physi­kerin, aber so ganz leuchtet mir das noch nicht ein. Vielleicht, denke ich mir, kommen die eigent­lichen Pro-Block­chain-Brüller ja noch. Oder er denkt an ein isoliertes Netz, das nur die Erzeuger vor Ort erfasst. Aller­dings gebe ich zu bedenken: Ein großes Stromnetz hat eine Siche­rungs­kaskade, vgl. nur den § 13 Energie­wirt­schafts­gesetz, die dazu führen dürfte, dass es sehr, sehr selten ausfällt. Bei der Verbindung zwischen den Einfa­mi­li­en­häusern von Herrn Schulze und Herrn Müller bin ich mir da nicht so sicher. Zumal Erneu­erbare ja nun gerade nicht so besonders verlässlich produzieren.

Im nächsten Absatz bestätigt Herr Rayner, dass die Trans­ak­tionen zwischen den Betei­ligten auch seiner Meinung nach durch Start Contracts auf allen betei­ligten Rechnern vollzogen werden sollen. Gut und schön, das kostet eine Menge Strom, ohne nennens­werten Mehrwert, wie ich meine. Denn warum sichert man die Glaub­wür­digkeit von Trans­ak­tionen mit Strom auf allen betei­ligten Computern, wenn man auch nur einen gut überwachten Betei­ligten damit betrauen könnte, dies zu dokumen­tieren? Einen solchen Betei­ligten gibt es im Übrigen auch schon. Man nennt ihn Energie­ver­sorger, und dass er Strom­flüsse falsch oder sonstwie unzulässig aufzeichnen würde, hätte ich jeden­falls noch nicht gehört.

Apropos Menge Strom: Herr Rayner gibt zu, dass die vielen Trans­ak­tionen zwischen den Betei­ligten viel Strom verbrauchen. Das kann man wohl sagen. Allein die Bitcoin-Struktur als größte Block­chain­struktur verbraucht schon heute mehr Strom als die Schweiz. Herr Rayner findet das aber gar nicht schlimm. Die entste­hende Prozes­sor­wärme würde nämlich als Heizwärme genutzt.

Ich kann mir schon vorstellen, dass das grund­sätzlich möglich ist. Mein Computer wird jeden­falls bei größeren Aktionen immer schrecklich warm. Aber ist das sein Ernst? Es dürfte kaum etwas Ineffi­zi­en­teres geben, als die Abwärme von Computern als Heizwärme zu nutzen. Ein normales Netz in einer mittel­großen Stadt wäre vermutlich als Block­chain­struktur deutlich größer als die Bitco­in­struktur. Soll diese Stadt dann allein für die Dokumen­tation von Strom­ver­brauch (nicht einmal für die Erzeugung dieses Stroms!) und eine schlecht regelbare und vermutlich nicht für ganze Wohnungen nutzbare Heizwärme so viel Strom verbraten wie gleich mehrere Alpen­re­pu­bliken? Wo soll der ganze Strom herkommen? Und wozu das Ganze? Nur, damit Herr Schulze an Herrn Müller von gegenüber Solar­strom verkaufen kann? Und was daran ist denn nun so „sauber“, wie die Überschrift vorgibt?

Am Ende dieses Textes bin ich jeden­falls nicht klüger. Entweder gibt es in der Energie­ver­sorgung der USA Probleme, die dem deutschen Energie­markt fremd sind. Oder Herr Rayner kennt sich nicht so besonders gut aus. Auf seinem Bild sieht er schrecklich nett aus. Er scheint Ingenieur zu sein, arbeitet aber als freischaf­fender Schreiber in Berlin. Letzteres, immerhin, kann ich gut nachvollziehen.

Ich glaube, ich bleibe bei meiner Meinung.

2018-06-08T08:20:01+02:008. Juni 2018|Digitales, Strom|