Mit Datum vom 2. Juli 2025 hat die Europäische Kommission vorgeschlagen, das Zwischenziel für die Minderung der Treibhausgasemissionen für das Jahr 2040 auf 90 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 festzulegen. Für das Jahr 2050 gilt weiterhin das Ziel der Klimaneutralität, also der vollständigen Vermeidung oder Kompensation sämtlicher Treibhausgasemissionen.
Mit diesem Vorschlag kommt die Kommission ihrem Auftrag gemäß Art. 4 Absatz 3 des EU-Klimagesetzes nach, ein zweites unionsweites Klimazwischenziel für das Jahr 2040 zu unterbreiten. Bisher waren auf europäischer Ebene lediglich das Langfristziel für 2050 sowie das Zwischenziel für 2030, die Reduktion der Netto-Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990, festgelegt. Das 2040-Ziel war bislang offen.
Das nun vorgeschlagene 90-Prozent-Ziel ist ambitioniert, und das in einer Phase, in der zentrale Elemente der europäischen Klimaschutzstrategie zunehmend ins Wanken geraten. Der Markthochlauf von Wasserstoff verläuft deutlich langsamer als erhofft. Auch großtechnische Projekte zur Abscheidung und Speicherung von CO₂ (CCS) sind in der EU später als prognostiziert realistisch. Zudem verzögern sich vielerorts die geplanten Kernkraftwerke. Und der Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Transformation in den Bereichen Gebäude und Verkehr bleiben bislang in vielen Mitgliedstaaten, auch Deutschland, deutlich hinter den Anforderungen zurück. Inzwischen überwiegen deswegen vielfach die Zweifel, ob die Zwischenziele überhaupt noch erreichbar sind.
Zum Vergleich: Um das 2030-Ziel zu erreichen, ist eine durchschnittliche jährliche Emissionsminderung von rund 125 Millionen Tonnen CO₂ notwendig. Ab 2031 müsste diese Rate auf 163 Millionen Tonnen jährlich steigen, um das 2040-Ziel zu erreichen. Kommen neue Technologien zu spät und werden verfügbare Lösungen nur zögerlich ausgebaut, wachsen die Anforderungen in den 2030er Jahren deutlich.
Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass die Kommission den 90-Prozent-Zielvorschlag mit Flexibilitätsmechanismen flankiert. Anders als das 2030-Ziel, das vollständig durch Emissionsminderungen innerhalb der EU erreicht werden soll, erlaubt der neue Vorschlag eine teilweise Anrechnung außereuropäischer Minderungsleistungen. Diese sollen über Gutschriften gemäß Artikel 6 des Pariser Abkommens eingebracht werden: Ein EU-Mitgliedstaat – etwa Deutschland – finanziert ein Emissionsminderungsprojekt in einem Drittstaat, etwa den Ausbau erneuerbarer Energien oder die Stilllegung eines Kohlekraftwerks, welches unabhängig überwacht und zertifiziert wird. Die daraus resultierenden Gutschriften können dann auf die nationalen – und damit europäischen – Klimaziele angerechnet werden.
Problematisch ist jedoch die Qualität solcher Projekte. In der Theorie klingt der Mechanismus nach einer Win-Win-Lösung: Klimaschutz dort, wo er kostengünstig ist, und gleichzeitig Spielraum für schwer dekarbonisierbare Industrien in Europa. In der Praxis zeigen jedoch zahlreiche Studien, dass viele Projekte nicht die versprochenen Emissionsminderungen liefern. Eine umfassende Metastudie, die unter anderem 14 Analysen zu insgesamt 2.346 Klimaschutzprojekten und 51 Studien zu realisierten Maßnahmen ohne Zertifikatsausgabe ausgewertet hat, kam zu einem ernüchternden Ergebnis: Weniger als 16 Prozent der geprüften Emissionsgutschriften basierten auf realen Emissionsminderungen. Besonders schlecht schnitten dabei Projekte zur Windenergie und Waldbewirtschaftung ab.
Mindestens eine bessere Überwachung und Qualitätssicherung von Klimaschutzprojekten außerhalb Europas sind damit dringend erforderlich. Ob es jedoch gelingen kann, ganz auf diese Auslandsgutschriften im Umfang von bis zu drei Prozent der Emissionen des Jahres 1990 zu verzichten, erscheint derzeit zweifelhaft. Weder auf EU- noch auf nationaler Ebene werden bislang Maßnahmen verfolgt, die eine Zielerreichung ausschließlich mit innergemeinschaftlichen Minderungen realistisch erscheinen lassen (Miriam Vollmer).
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