Zum Kerngeschäft von Anwälten zählt es, Gesetze auszulegen und Fälle auf der Grundlage des geltenden Rechts zu lösen. Gerade im öffentlichen Recht kann es jedoch auch schon mal darum gehen, neue Rechtsvorschriften zu entwickeln und vorzuschlagen. So etwa bei einem Mandat, dass wir für den ADFC Hessen betreut haben. Das hatte folgenden Hintergrund:
Hessen ist beim Bau von Radwegen ziemlich hinterher. Es gibt etliche Projekte, deren Umsetzung sich aber immer weiter verzögert. Dabei würden viele Menschen in Hessen, auch im ländlichen Raum, mehr Rad fahren, wenn es sichere Wege von Ort zu Ort gäbe. Zudem haben in den letzten Jahren die Unfälle mit Toten und Schwerverletzten gerade auf Landstraßen zugenommen. Fahrradwege könnten hier effektiv Abhilfe schaffen.
Der ADFC Hessen hat daher mehrere Vorschläge zur Beschleunigung des Baus von Radwegen entwickelt, die wir auf ihre rechtliche Machbarkeit vor dem Hintergrund des Verfassungs‑, des Europa- und Bundesrechts überprüft haben:
- Bisher gibt wird für den Radwegebau auf Landesebene – anders als bei anderen Verkehrs- und Infrastrukturprojekten – kein überragendes öffentliches Interesse angenommen. Es spricht jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht nichts dagegen, per Gesetz ein überragendes öffentliches Interesse für Radwegprojekte anzunehmen, so wie das auch für andere Verkehrsprojekte bereits bundesrechtlich im Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich erfolgt ist. Insbesondere dient der Bau von Radwegen neben dem Schutz des Lebens und der Gesundheit auch dem Klimaschutz und hat daher den „Segen“ des Bundesverfassungsgerichts, das eine frühere Orientierung an den Klimazielen auch im Verkehrssektor fordert. Allerdings gilt dies nur für solche Radwege, deren Bedarf auch tatsächlich festgestellt wurde.
- In Hessen muss für den Bau eines Radwegs grundsätzlich ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Dagegen ist dies beispielsweise bei Gemeindestraßen nach § 33 Abs. 1 S. 2 HStrG nur ausnahmsweise der Fall. Nach den Vorschlägen des ADFC soll dies in Zukunft nur noch optional sein. Auch hiergegen spricht verfassungs- und europarechtlich nichts, wenn keine Enteignung nötig ist und keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchgeführt werden muss.
- Eine UVP wird aktuell in Hessen vor dem Bau von Radwegen noch in vielen Fällen durchgeführt, die weder das Europarecht noch das Bundesnaturschutzrecht zwingend erfordert. Auch hier könnte entbürokratisiert werden und in Angleichung an die neue Regelung für Bundesfernstraßen in § 14 d UVP-Gesetz nur noch dann erforderlich sein, wenn wenn der Fahrradweg mindestens 10 km lang ist oder ein Naturschutzgebiet von europäischer Bedeutung (Natura 2000) betrifft.
Die Forderungen des ADFC wurden im November diesen Jahres gemeinsam mit dem ADAC vorgestellt. Es bleibt zu hoffen, dass der Landesgesetzgeber nun entsprechend tätig wird. Vielleicht lassen sich auch andere Bundesländern davon inspirieren, die ebenfalls rechtliche Defizite haben, die den Planung und Bau von Radwegen verzögern. Mit entsprechender rechtlicher Expertise können wir bei Bedarf gerne dienen. Schreiben Sie uns einfach eine E‑Mail. (Olaf Dilling)
Kleiner Tippfehler im 1. Absatz mit Blickfangpunkt: „Es spricht jedoch spricht jedoch …“
Danke, Herr Engel, Sie können bei uns anfangen ;) Nein, Spaß beiseite, ich habe es – angesichts unseres aktuellen Engpasses im Sekretariat – selbst korrigiert! Einen schönen Tag Ihnen noch!
Vielen Dank dafür und viele Grüße aus Kassel, sowohl als zufriedener Mandant, als auch ADFC Hessen Mitglied ;-)