2045 soll Deutschland netto klimaneutral sein. In den verbleibenden 21 Jahren soll damit nicht nur Schluss sein mit Kohle, Benzin und Diesel. Auch Erdgas soll dann nicht mehr verbrannt werden. Das wirft natürlich die Frage auf, was aus den Gasnetzen wird. Denn klar ist natürlich: Sobald immer mehr Gaskunden auf Wärmepumpen oder Fernwärme umsteigen, und auch die Industrie immer mehr Prozesse elektrifiziert, sinkt die Abnahme und damit steigen die relativen Kosten der Infrastruktur pro m3. Erdgas wird also nicht nur über den CO2-Preis immer teurer werden, sondern parallel dazu steigen die Netzentgelte. Die bisher wirtschaftlich attraktive Gastherme wird also ab einem gewissen Punkt teuer, und dann flieht jeder aus dem Gas, der kann. Dies aber wirft die Frage auf: Was wird denn aus denen, die nicht so einfach wechseln können? Und was wird aus den Gasnetzbetreibern? Die Debatte läuft schon einige Jahre. Aber nun hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Green Paper vorgelegt.
Die Analyse wird manche ernüchtern: Das BMWK hält eine dezentrale Wasserstoffversorgung für wenig wahrscheinlich. Die Vorstellung, künftig würde einfach nur das Gas ausgetauscht, wird vom Ministerium also nicht geteilt. Das gilt auch für Biomethan. Ein Teilnetz soll also umgerüstet oder weitergenutzt werden, aber für den Rest stehen Stilllegungen an. Die sollen nicht überraschend kommen, aber angesichts der Langlebigkeit von Heizungen, aber auch vielen industriellen Einrichtungen sind auch 20 Jahre nicht viel. Gleichwohl steht schon wegen der Gas-/Wasserstoff-Binnenmarktrichtlinie fest: Künftig können neue Gasanschlüsse verweigert und bestehende gekündigt werden, wenn das im Kontext der Dekarbonisierung steht. Es gibt Hürden für dieses neue Versorgerrecht, aber klar ist damit: Auf die heutige Infrastruktur kann man sich nicht bedingungslos verlassen. Das Ministerium hebt aber hervor, dass Energieversorgung trotzdem erschwinglich und vor allem sicher verfügbar bleiben muss, ohne darüber die Verteilernetzbetreiber zu ruinieren. Anreize, die Netze weiterzubetreiben, soll es aber keine mehr geben.
Interessant sind die Aufgaben, die das Ministerium vor allem aufgrund der neuen Gasbinnenmarktrichtlinie für sich und die Bundesnetzagentur identifiziert hat. Der physische Rückbau muss geregelt werden, aber auch rechtlich wird zurückgebaut: Es wird keine Anschlussverpflichtungen mehr geben, statt dessen sollen Stilllegungspläne den Rückzug aus bestehenden Versorgungsverhältnissen organisieren. Der Regulierungsrahmen muss geregelt werden, sonst gehen die Netzbetreiber wirtschaftlich kaputt. Das umfasst Regelungen für Abschreibungen, neue Regeln für den Effizienzvergleich und die Frage, wie man mit den Kosten der Stilllegung und des Rückbaus regulatorisch umgeht.
Auch nicht einfach ist die Frage, wie es eigentlich weitergeht, wenn die Konzession endet. Wer bewirbt sich schon um ein sterbendes Netz? Wie sehen die konzessionsvertraglichen Investitionsverpflichtungen aus? Wer bekommt das Netz aufgedrückt, wenn sich keiner freiwillig findet, und wie wird er – voraussichtlich der bisherige Konzessionär – entschädigt?
Viele offene Fragen. In der Öffentlichkeit wird bisher wenig über das Ende der Gasnetze diskutiert. Noch in der Diskussion um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wurde oft debattiert, als gäbe es eine Ewigkeitsgarantie für die Erdgasinfrastruktur. Nun muss nicht nur die Branche, auch die Kommunen im Rahmen der Wärmeplanung sich mit der Frage beschäftigen, wie genau vor Ort schon bald die bestehende Infrastruktur einer neuen weichen muss (Miriam Vollmer).
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