Die Vorgeschichte ist bekannt: Die Sektoren Gebäude und vor allem Verkehr haben ihre Sektorenziele nach dem Klimaschutzgesetz (KSG) verfehlt. In der Konsequenz hat die Bundesregierung beschlossen, diese sektorenbezogenen Ziele abzuschaffen (hier der Referentenentwurf). Der Vorteil: Wird in einem Bereich mehr gemindert, kann ein anderer ein bisschen mehr Großzügigkeit walten lassen. In der Realität allerdings spricht nichts dafür, dass irgendwo so viel gespart wird, dass vor allem der Verkehrssektor künftig weniger mindern muss als bisher geplant. Auch bei der Notwendigkeit, bei Verfehlungen politisch aktiv zu werden, will die Bundesregierung die Zügel lockern: Anders als bisher geplant, soll nur noch nach Verfehlungen in zwei aufeinanderfolgenden Jahren ein neues Maßnahmenpaket beschlossen werden. Aktuell muss nach Zielverfehlungen das bestehende Klimaschutzprogramm direkt aktualisiert werden.
Gleichzeitig hat die Bundesregierung ein Klimaschutzprogramm vorgelegt. Wie der Expertenrat für Klimafragen berechnet hat, verringert das Programm die Diskrepanz zum Klimaziel zwar ganz erheblich von mehr als 1.100 Mio. t CO2 auf rund 200 Mio. t CO2. Doch 200 Mio. t zu viel sind nun gerade nicht die Erfüllung der im KSG vorgesehenen Ziele. So ist wohl auch das Ziel nettonull 2045 nicht erreichbar.
Erste Umweltverbände wollen nun klagen. Doch ist eine Klage wirklich aussichtsreich? Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist kein Reservegesetzgeber, es könnte also zwar feststellen, dass die Änderung des KSG verfassungswidrig ist. Dann müsste der Gesetzgeber noch einmal aktiv werden. Aber dass der Bund vor Gericht zu ganz bestimmten konkreten Maßnahmen verpflichtet wird, ist nicht abzusehen. Das BVerfG hat ja im letzten Winter schon die Verfassungsbeschwerde auf Erlass eines Tempolimits nicht angenommen (BVerfG, Beschl. v. 15.12.2022, 1 BvR 2146/22). Kläger müssten also damit rechnen, selbst im besten Fall mit einer Entscheidung nach Hause zu kommen, die es immer noch dem Gesetzgeber überlässt, ob und was er nun tut, um die Lücke zu schließen.
Doch bedeutet das, dass Klimaschutz nun einfach leer läuft, weil die Ampel sich nicht einigen kann? Für die laufende Legislaturperiode mag das sogar so sein. Doch ab 2027 sieht die Emissionshandelsrichtlinie (EHRL) eine Begrenzung der Emissionen auch in den Sektoren Gebäude und Verkehr vor. Dann kann nur noch emittiert werden, was auch budgetiert ist. Was heute also nicht eingespart wird, kommt morgen als Preiserhöhung für die t CO2 zu den Sektoren zurück, die sich heute so schwer tun, die Emissionen zu mindern. Aber klar ist auch: Die heutige Bundesregierung ist dann wohl nicht mehr im Amt, was die Motivation zu Einsparungen aktuell sicher nicht befördert (Miriam Vollmer)
Hinterlasse einen Kommentar