Die neue StVO: Überqueren der Straße „auf kurzem“ nicht „kürzestem Weg“?
Nachdem lange nur inoffizielle Entwürfe die Runde machten, gibt es nun einen Kabinettsentwurf für die neue Straßenverkehrsordnung (StVO). Wir wollen in diesem und weiteren Blogbeiträgen die Änderungen der neuen StVO vorstellen, die zum Teil auch grundsätzlicher Natur sind.
Dass eine weitere Reform der StVO kommen würde, war bereits im Koalitionsvertrag versprochen worden. Unter anderem sollten die Kommunen mehr Spielräume bekommen und es sollen neben der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs weitere Ziele wie Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie die geordnete städtebauliche Entwicklung aufgenommen werden.
Dies ist nun auch in einem bereits im Sommer veröffentlichten Entwurf des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) berücksichtigt. In § 6 StVG wird das „Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur“ (inzwischen: Bundesministerium für Digitales und Verkehr) zum Erlass der StVO ermächtigt. Da in dieser Norm der Rahmen der Verordnungsgebung abgesteckt wird, müsste noch vor Änderung und endgültigem Beschluss der StVO auch die gesetzliche Grundlage geändert werden. Die Abstimmung im Bundestag steht insofern noch aus.
Der aktuelle Kabinettsentwurf steht insofern nicht nur unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den Bundesrat, sondern auch unter dem Vorbehalt der Verabschiedung der StVG-Reform durch den Gesetzgeber. Trotz dieser Vorbehalte lohnt es sich, schon jetzt in die Details der StVO-Reform zu schauen, denn es finden sich einige für die Praxis relevante Änderungen, die wir in mehreren Beiträgen vorstellen wollen.
Was den Fußverkehr angeht, wurden nur einige der von der Verkehrsministerkonferenz gemachten Vorschlage einbezogen (siehe der Bericht der Ad hoc AG Fußverkehr, zu deren fachlicher Unterstützung wir tätig waren). Eine fußgängerspezifische Frage ist die Querung von Fahrbahnen für Kfz, die in § 25 Abs. 3 StVO geregelt ist. Bisher heißt es
„Wer zu Fuß geht, hat Fahrbahnen unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zügig auf dem kürzesten Weg quer zur Fahrtrichtung zu überschreiten.“
Hier soll es eine kleine Änderung geben: „statt auf dem kürzestem Weg quer zur Fahrrichtung“ soll es demnächst heißen: „auf kurzem Weg“. Was durch diese Änderung des Verordnungsgebers gemeint ist, wird richtig deutlich erst unter Berücksichtigung der Begründung des Verordnungsentwurfs.
Bisher ist es so, dass für Menschen mit Behinderungen Querungen auf dem kürzesten Weg oft nicht möglich sind, wenn keine entsprechenden Bordsteinabsenkungen auf beiden Straßenseiten vorhanden sind. Hier soll es in Zukunft rechtlich zulässig sein, auch den kurzen Weg zwischen den nächstmöglichen Bordsteinabsenkungen zu wählen, also beispielsweise da, wo Grundstückszufahrten sind. Weiterhin soll eine Überquerung der Fahrbahn mit der dem Verkehrsteilnehmer möglichen Geschwindigkeit zulässig sein. Im Vorschlag der Verkehrsministerkonferenz war dies auch aus dem Wortlaut heraus noch besser zu verstehen, da dort die Formulierung „quer zur Fahrtrichtung“ gestrichen worden war.
Diese Änderung der StVO ist längst überfällig, um Mobilitätsrechte für Menschen mit Bewegungseinschränkungen zu gewährleisten. Zugunsten der Bestimmtheit und Verständlichkeit der Regelung wäre es jedoch eine klarere Formulierung sinnvoll. Es ist zu hoffen, dass die Verkehrsminister der Länder über den Bundesrat hier noch klärend Einfluss nehmen.
Am Freitag, den 27.10.2023 stellen wir die Reform des Straßenverkehrsrechts und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten für Kommunen von 10:30 – 12 h in einem Webinar vor. Eine Anmeldung ist demnächst hier online möglich.