Temporäre Radwege

Die Bürger­meis­terin der kolum­bia­ni­schen Haupt­stadt Bogotá, Claudia López, hat es vorge­macht. Bereits Mitte März hat sie verfügt, dass in der Anden­me­tropole vorüber­gehend 117 Kilometer Fahrradwege einge­richtet werden. Dadurch sollte zum einen der ÖPNV mit seinem erheb­lichen Anste­ckungs­risiko während der Corona-Krise entlastet werden. Zum anderen sollte vermieden werden, dass das Gesund­heits­system noch zusätzlich mit Verkehrs­un­fällen belastet wird. In der Folge sind weltweit viele andere Städte, wie New York, Paris, Wien  gefolgt. Nicht alle mit tempo­rären Radwegen. Manche haben auch Straßen für Pkws gesperrt, um sie Fußgängern zur Verfügung zu stellen.

In Deutschland hat der Bezirk Kreuzberg-Fried­richshain in Berlin temporäre Radver­kehrs­an­lagen einge­richtet. Nicht nur zur Entlastung des ÖPNV und des Gesund­heits­systems, sondern auch zugunsten des Infek­ti­ons­schutzes: Tatsächlich stellen sich nämlich die Probleme bei der Einhaltung der Abstands­regeln, auf die wir bereits im Zusam­menhang mit dem Fußverkehr hinge­wiesen haben, auch in Bezug auf Fahrrad­verkehr. In einem Handbuch, das die Erfah­rungen aus Kreuzberg-Fried­richshain an andere Kommunen weitergibt, wird vorge­rechnet, dass zur Einhaltung der Abstände die Regel­breite der Radwege zu Zeiten von Corona mindestens 3 m betragen soll. Vor Corona wurden 2,5 m als ausrei­chend angesehen, um sicher neben­ein­ander oder anein­ander vorbeizufahren.

Die Einrichtung von Radwegen, Fahrrad­straßen oder Schutz­streifen für Radfahrer bedarf, anders als andere Verkehrs­zeichen und Verkehrs­ein­rich­tungen nach § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 1 – 3 StVO keiner beson­deren örtlichen Gefah­renlage, die über das allge­meine Risiko erheblich hinausgeht. Wegen des Infek­ti­ons­schutzes ist die Einrichtung ausrei­chend breiter Fahrradwege zudem aus Gründen der Gefah­ren­abwehr nötig. In Kreuzberg wurde daher die Notwen­digkeit erkannt, temporäre Radwege durch Sperrung von Fahrspuren für Kfz im stark beschleu­nigten Verfahren einzu­richten (Olaf Dilling).

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2020-04-29T21:47:57+02:0029. April 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Alles auf Abstand: Corona-Prävention im öffent­lichen Raum

Unter Juristen wird zur Zeit häufig über die Frage disku­tiert, ob die Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie rechts­staatlich korrekt zustande gekommen seien. Insbe­sondere, ob die Exekutive ohne klare Erlaubnis des Gesetz­gebers (in Frage kommt am ehesten der eher unbestimmte § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG) so einschnei­dende Grund­rechts­be­schrän­kungen beschließen dürfe. Für Nicht-Juristen erscheint das vermutlich weltfremd. So als würde die Besatzung der Titanic Zeit verlieren über der Frage, ob der Kapitän oder der Steuermann den Befehl zum Einsetzen der Rettungs­boote geben soll. Solange es sich um vorläufige Maßnahmen handelt, sollten insofern auch Verfas­sungs­rechtler angesichts der drohenden Notlage mal ein Auge zudrücken können.

Auf neue Regeln mit Spitz­fin­dig­keiten zu reagieren und mögliche Lücken auszu­loten, ist aber keine exklusive Eigen­schaft von Anwälten. Meine Töchter jeden­falls hatten angesichts der bundes­weiten Ausgangs­be­schrän­kungen, die vor zwei Tagen verkündet wurden sofort Fragen: Ob es, wenn man sich mit mehreren Freunden nicht gleich­zeitig verab­reden dürfe, sie dann noch nachein­ander treffen könne und ob das dann nicht genauso riskant sei. Als Antwort bekamen sie den vagen Hinweis, dass es mit einiger Mühe möglich sei, fast alle Regeln zu umgehen, aber dass es diese Mühe in den meisten Fällen nicht wert sei. Vor allem dann, wenn die Regeln ohnehin einem nachvoll­zieh­baren Zweck dienen würden.

Neben der Einschränkung, mehrere Personen zu treffen, die nicht zum gleichen Haushalt oder zur eigenen Familie gehören, beinhalten die Ausgangs­be­schrän­kungen noch eine weitere wichtige Regel: Es muss in der Öffent­lichkeit ein Mindest­ab­stand von 1,5 m, besser 2 m gehalten werden. Auch hier stellen sich Fragen, aller­dings eher prakti­scher Natur. Denn tatsächlich bieten viele öffent­liche Bürger­steige gar nicht den erfor­der­lichen Platz, um entspre­chende Abstände einzu­halten. Das mag aktuell ein eher unter­ge­ord­netes Problem sein und irgendwie werden sich die Passanten arran­gieren können, notfalls indem sie kurzzeitig zwischen parkende Kfz oder die ohnehin zur Zeit eher leeren Fahrbahnen treten. Aber wenn der Alltag trotz Corona irgendwann wieder reibung­loser funktio­nieren soll, müsste hier Abhilfe geschaffen werden.

Dies betrifft vor allem das Gehweg­parken. Zum Teil wird es von den Vollzugs­be­amten geduldet. Zum Teil wird es sogar per Verkehrs­schild oder durch Markie­rungen nach § 12 Abs. 4a StVO bzw Anlage 3 Zeichen 315 der StVO angeordnet. Das war aller­dings auch schon vor der Pandemie nur dann zulässig, wenn für den unbehin­derten Begeg­nung­verkehr unter Fußgängern auch bei Benutzung von Kinder­wagen oder Rollstühlen noch ausrei­chend Platz bleibt (VwV zu Anlage 2 lfd. Nummer 74 StVO).

Als minimal erfor­der­liche Gehweg­breite in Wohnstraßen wird nach den einschlä­gigen Richt­linien der Forschungs­ge­sell­schaft für Straßen und Verkehrs­wesen 2,50 m angenommen. Bei gemischter Nutzung, also Straßen, in denen auch Geschäfte oder Lokale besucht werden, und Passa­giere an Halte­stellen des öffent­lichen Verkehrs warten, ist die Empfehlung, eher 4 – 5 m Restbreite des Gehwegs zu lassen. Angesichts des Anste­ckungs­ri­sikos durch das Corona-Virus sollte darauf nun idealer­weise noch zusätzlich 1,5 m Sicher­heits­ab­stand einge­plant werden. Das mag angesichts des aktuellen Stands der Straßen­nutzung illuso­risch erscheinen. Aber zumindest kurzfristig lässt es sich durch Parkverbote auf Gehwegen und mittel­fristig durch Umwidmung von Fahrbahnen in Geh- und Fahrradwege durch­setzen (Olaf Dilling).

2020-03-24T11:11:28+01:0024. März 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht|

Für mehr Parkplätze für Kleinwagen

In der Straßen­ver­kehrs­ordnung (StVO) gibt es in § 12 Abs. 6 ein Gebot platz­sparend zu parken. Wer dagegen verstößt, muss sogar mit einem Bußgeld in Höhe von 10 Euro rechnen. Aber wie ist es eigentlich, wenn sich jemand einen Pkw kauft, der wegen seiner üppigen Dimen­sionen beim besten Willen nirgendwo platz­sparend geparkt werden kann? Sagen wir: Einen Monster-SUVs wie den Hummer von GM, der immerhin auf 2,10 m Breite und über 4,80 m Länge kommt?

Die StVO sagt dazu nichts. Auch in der Straßen­ver­kehrs­zu­las­sungs­ver­ordnung (StVZO) gibt es wenig Handhabe, die Größe von Fahrzeuge so zu beschränken, dass sie tatsächlich platz­sparend geparkt werden können. Denn nach § 32 StVZO beträgt die maximale Fahrzeug­breite für Pkw 2,50 m. Da ist also auch für Freunde von Militär­ge­län­de­wagen oder sonstigen PS-starken Monstro­si­täten noch viel Luft nach oben (bzw. zur Seite und nach vorne ohnehin). Vielleicht ist das aber sogar gut so. Denn der Verord­nung­geber weiß ja nicht, warum sich jemand ein Kfz kauft, das die üblichen Dimen­sionen sprengt. Es kann gute Gründe für große Autos geben. Für Schaf­hirten in der Rhön beispiels­weise. Oder für Handwerker.

Proble­ma­tisch wird es aber immer dann, wenn jemand erwartet, dass ihm für die eigene Extra­wurst von allen anderen als gratis Dreingabe auch noch extra viel Platz einge­räumt wird. So geschehen kürzlich in Datteln. Dort hatte die Stadt­ver­waltung 2006 an Stellen Parkplätze geschaffen, an denen dafür eigentlich nicht genug Platz wäre. Denn in unmit­tel­barer Nachbar­schaft verläuft ein relativ schmaler gemein­samer Rad- und Fußweg. Da muss schon wegen sich plötzlich öffnender Autotüren Sicher­heits­ab­stand gehalten werden. Daher sind die Parkplätze auch eher „platz­sparend“ ausge­fallen: Ihre maximale Breite von 1,70 m macht sie eher für Klein­wagen wie Smart oder Renault Clio attraktiv.

Der stolze Eigen­tümer eines Audi SUV wollte das nicht einsehen. Er parkte so auf dem Parkplatz, dass er eine gute und extra breite Reifen­breite zu nah am Fuß- und Fahrradweg stand. Und er ist nun empört, dass er dafür einen Bußgeld­be­scheid in Höhe von 20 Euro bekommen hat. Die Stadt­ver­waltung hält dagegen, dass der Parkplatz nur „ein Angebot“ sei, im Fall des Audi SUVs halt kein allzu passendes. Vom ADAC wurde ihm nun geraten, sich gegen die „Abzocke“ vor dem Gericht zu wehren. Spätestens der Richter müsse erkennen, dass die Strafe „unver­hält­nis­mäßig“ sei. Wir sind uns nicht so sicher, ob hier wirklich die Verwaltung das Augenmaß vermissen lässt oder nicht viel eher der ADAC: Schließlich dürfte ein schmaler Parkplatz doch wohl wesentlich autofreund­licher sein als gar kein Parkplatz. Zumal durch spezielle Parkplätze für Klein­wagen unter den regulären Parkplätzen welche frei werden (Olaf Dilling).

2020-03-10T13:13:49+01:0010. März 2020|Verkehr, Verwaltungsrecht|