Zu kurz gehaltene Tagesmütter

Das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Berlin-Brandenburg hatte in einer Entscheidung vom heutigen Tage erneut über die Vergütung von „Tages­pfle­ge­per­sonen“, wie Tages­mütter in der Amtssprache heißen, zu befinden. Bereits 2016 hatte das OVG entschieden, dass Tages­mütter im Landkreis Märkisch-Oderland vom Landkreis als öffent­lichen Träger zu wenig Vergütung bekommen. Dabei ging es damals um die angemes­senen Kosten für den Sachaufwand. Nach einer von dem Kreis 2014 neu beschlos­senen Richt­linie war die zum Teil pauschal berechnete Erstattung reduziert worden. Das Gericht hatte entschieden, dass nach § 23 SGB VIII die tatsäch­lichen Aufwen­dungen zu erstatten seien.

In der aktuellen Entscheidung, die bisher nur als Presse­mit­teilung vorliegt, ging es vor allem um den sogenannten Betrag zur Anerkennung der Förde­rungs­leistung. Dabei handelt es sich um die eigent­liche Vergütung durch den öffent­lichen Träger. Tatsächlich hatte der Landkreis, schon im ersten Verfahren argumen­tiert, dass der Anteil des erstat­teten Sachauf­wandes zwar geringer sei, aber die Vergütung in Summe mehr als andernorts. Daher hatte er in Reaktion auf die erste Entscheidung die Kosten für den Sachaufwand zwar erhöht, aber zugleich die Beträge zur Anerkennung der Förde­rungs­leistung entspre­chend reduziert.

Wie gewonnen, so zerronnen“, mögen die Tages­mütter gedacht haben. Und es lässt sich ihnen nicht verdenken, dass sie erneut vor Gericht gezogen sind. Das OVG konnte die Reduzierung nicht nachvoll­ziehen. Der Landkreis habe nicht dargelegt und es sei auch nicht ersichtlich, dass die Bezahlung noch „leistungs­ge­recht“ sei, was aber das Sozial­ge­setzbuch fordert. Im Vergleich zum tarif­lichen Bezahlung in Kinder­ta­ges­stätten würden Tages­mütter erheblich weniger verdienen. Dies stünde im Wider­spruch zur Zielsetzung des Bundes­ge­setz­gebers, die Tages­pflege zum gleich­ran­gigen Förde­rungs­an­gebot neben Kitas zu entwi­ckeln. Letztlich betrifft die Ungleich­be­handlung auch Eltern, die zur Förderung mangels freier Plätze in Kitas an Tages­mütter verwiesen werden.

Das OVG hatte jedoch noch ein gewich­tigtes verfas­sungs­recht­liches Argument: Der Landkreis hatte die Richt­linie nämlich auch rückwirkend geändert. Wegen der Reduzierung der Beträge zur Anerkennung der Förde­rungs­leistung, war dies eine unzulässige echte Rückwirkung. Insgesamt kann die Entscheidung dazu beitragen, die Arbeit von Tages­müttern weiter aufzu­werten (Olaf Dilling).

2020-06-22T20:06:34+02:0022. Juni 2020|Allgemein|

Mütter als Tages­mütter: Förder­modell in der Kindertagespflege

Bekanntlich haben nach § 24 Sozial­ge­setzbuch (SGB) VIII alle Kinder in Deutschland spätestens ab dem ersten Lebensjahr einen Anspruch auf Förderung in einer Kita oder bei einer Tages­mutter. Aber: Gilt das auch für Kinder, deren Mutter selbst Tages­mutter ist? Kann die Mutter dann selbst auch von der staat­lichen Förderung profitieren?

Die Frage ist deshalb nicht ganz trivial, weil der Anspruch auf Förderung an sich ja einer­seits die Selbstän­digkeit und Gemein­schafts­fä­higkeit der Kinder fördern soll, anderer­seits auch den Eltern eine Erwerbs­tä­tigkeit ermög­lichen soll. Bei der Mutter, die (auch) in eigener Sache als Tages­mutter tätig wird, liegt der Fall aber so, dass das eigene Kind u.U. weiter an ihrem „Rockzipfel“ hängt und die Mutter ihrem Beruf auch nachgehen kann, ohne eine staat­liche Förderung zu erhalten. Anderer­seits ist es ja auch ein bisschen ungerecht für die Tages­mutter und Mutter in Perso­nal­union, dass sie wirtschaftlich schlechter da stehen soll, wenn sie ihr Kind nicht weggibt, obwohl es bei ihr vielleicht genauso gut gefördert wird, wie woanders. Nur weil sie Familie und Beruf ohnehin günstig kombi­nieren kann.

Das Oberver­wal­tungs­ge­richt (OVG) Münster hat angesichts dieses Dilemmas vor ein paar Tagen in einem etwas kompli­zier­teren Fall aus Bielefeld einen wahrhaft salomo­ni­schen Eilbe­schluss gefällt. Es bleibt zwar dabei, die Betreuung des eigenen Kindes ist nicht förder­fähig. Aller­dings sei nicht ausge­schlossen, dass eine Gemein­schaft von Tages­müttern ihre Kinder gegen­seitig betreuen und dafür Förderung von der Gemeinde einstreichen können. Voraus­setzung ist aller­dings, dass das jeweilige Kind rechtlich und tatsächlich ausschließlich dieser anderen Tages­pfle­ge­person zugewiesen ist.

Wenn wir uns an die Ziele des Anspruchs auf Förderung erinnern, passt das wieder ziemlich genau zusammen. Eine Mutter gibt ihr Kind der anderen, in den gleichen Räumlich­keiten tätigen Tages­mutter zur Pflege, dadurch wird das Kind selbstän­diger und die Mutter erhält die Möglichkeit, ihrer Erwerbs­tä­tigkeit nachzu­gehen – durch Aufnahme eines anderen, fremden Kindes (Olaf Dilling).

2020-02-13T18:24:52+01:0013. Februar 2020|Allgemein|