Das Vattenfall-Schiedsverfahren geht weiter
Neues vom Atomausstieg: Vattenfall hatte neben einer Verfassungsklage 2012 wegen des Atomausstiegs Schadensersatz von der Bundesrepublik vor einem ICSID-Schiedsgericht in Washington verlangt. Konkret ging es um das Erlöschen der Betriebsgenehmigungen für die Kraftwerke Krümmel und Brunsbüttel.
Schiedsgerichte wie dieses genießen in der deutschen Öffentlichkeit wenig Ansehen. Man vermutet eine Paralleljustiz für Konzerne. Dabei ist der Grundgedanke natürlich nachvollziehbar: Ohne die Möglichkeit des Rechtsschutzes sind viele Abkommen in der Praxis nicht viel wert. Ein ausländischer Investor muss sich aber darauf verlassen können, dass er vor unrechtmäßigen Enteignungen oder plötzlichen Kurswechsel entgegen laufender Verträge geschützt ist. Ansonsten werden Investitionen im Ausland deutlich erschwert.
So argumentiert hier auch Vattenfall. Der Atomausstieg hätte seine Investitionen in die Kernkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel beschädigt und seine Gewinnerwartungen frustriert. Aber kann es wirklich sein, dass die Spielräume der nationalen Politik durch solche Abkommen und Schiedsgerichte wirklich so einschneidend verkleinert werden? Und ist das auch zwischen EU-Mitgliedsstaaten zulässig?
Eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofs vom 6.3.2018 (Rs.: C‑284/16) schien die Bundesregierung in ihrer Skepsis gegenüber der Klage des schwedischen Energiekonzerns zu bestätigen. In dieser Entscheidung hatten die Luxemburger Richter über ein Schiedsverfahren geurteilt, das in Frankfurt auf Betreiben eines niederländischen Unternehmens gegen die slowakische Republik stattfand, weil letztere eine Liberalisierung des Versicherungsmarktes erst vorgenommen und dann wieder rückgängig gemacht hat. Die slowakische Republik berief sich darauf, dass Art. 19 EUV und Art. 344 AEUV Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten auf die in den Verträgen vorgesehenen Wege beschränkt. Zuständig sind also die europäischen Gerichte, keine Schiedsgericht.
Mit diesem Argument war die Bundesregierung im Streit mit Vattenfall auch nach Washington bezogen. Das internationale Schiedsgericht sei unzuständig. Dies sieht das Gericht, wie nun bekannt wurde, aber anders. Der Grund: Die EU sei Vertragspartei der Streitgrundlage. Entsprechend gehe die Schiedsgerichtsvereinbarung den Verträgen vor, sodass die Beschränkung auf die supranationalen Gerichte nicht greife. Es bleibt also abzuwarten, ob die Bundesrepublik für den Atomausstieg ein weiteres Mal tief in die Tasche greifen muss.