Zucker in der Limo & Staub im Regelwerk…

Aus Hamburg erreichte uns gestern die kuriose Nachricht, dass eine besonders hippe und fair gehan­delte, dafür auch eher hochpreisige Bio-Limonade eigentlich zu wenig Zucker enthält, um als Limonade gelten zu dürfen. Sie enthält nämlich nur sechs statt, wie vorge­schrieben, sieben Prozent Zucker.

Immerhin ist jetzt klar, warum diese Getränke immer so entsetzlich klebrig und süß sind. Wer bitte, fragen wir uns nun aber, schreibt vor, dass wir nur Limonaden mit ziemlich viel Zucker trinken dürfen? Bevor jetzt wieder eine Tirade über die „Regelungswut“ der Brüsseler Kommission losbricht: Es handelt sich nach ersten Recherchen offenbar um eine Regelung deutscher Prove­nienz. Nicht ganz so alt wie das Reinheits­gebot von 1516, geht es doch um eine immerhin seit den 1950er Jahren  existie­rende und seither beharrlich gewachsene Insti­tution: das Deutsche Lebens­mit­tel­handbuch (DLMH), für dessen Ausar­beitung in zahllosen Leitlinie eine Kommission unter dem Bundes­mi­nis­terium für Ernährung und Landwirt­schaft verant­wortlich zeichnet. Die Ausar­beitung dieser Leitlinien beruht zwar auf gesetz­licher Grundlage in § 15 und § 16 des Lebensmittel‑, Bedarfs­ge­gen­stände- und Futter­mit­tel­ge­setz­buches (LFGB). Die Leitlinien selbst haben aber keine Rechts­wirkung, sondern werden (ähnlich wie früher die TA-Luft) als eine Art vorge­zo­genes Sachver­stän­di­gen­gut­achten angesehen. Sie beruhen auf dem Prinzip, dass sie die allge­meine Verkehrs­auf­fassung für bestimmte Produkte wieder­geben sollen. Aller­dings, so wird eine hansea­tische Behörde zum Limona­denfall zitiert, „seien Bezeich­nungen und Verar­bei­tungs­ver­fahren enthalten, die heute teilweise nicht mehr den Verbrau­cher­er­war­tungen entsprechen“.

Für die Hipster aus dem Hamburg, die ihre faire und gesund­heits­be­wusste Limonade im Stadtteil St. Pauli zusam­men­rühren, ist die Sache daher auch noch mal glimpflich ausge­gangen: auf Inter­vention des Gesund­heits­amtes wird ihr Produkt vom Bezirksamt Hamburg-Mitte vorerst nicht beanstandet. Immerhin handelt es sich bei dem Deutschen Lebens­mit­tel­handbuch lediglich um so etwas wie eine rechtlich nicht bindende Verwal­tungs­vor­schrift. Die Gesund­heits­se­na­torin der Freien- und Hanse­stadt Hamburg will sich derweil beim Bund dafür einsetzen, dass gesund­heits­schäd­liche Mindest­ge­halte in den Leitlinien des Deutschen Lebens­mit­tel­hand­buchs einer Prüfung unter­zogen werden.