Reklame, Reklame

Noch zu unseren Studi­en­zeiten durften Anwälte nur dort auftreten, wo sie zugelassen waren. Das klassische Werbe­verbot für Rechts­an­wälte belastete deswegen die Kollegen früher weniger, als es heute der Fall wäre. Schließlich kannte man sich vor Ort, und die meisten Mandate kamen über die persön­liche Empfehlung. Letzteres ist bis heute so. Aber wir dürfen vor allen Gerichten bis auf den Bundes­ge­richtshof auftreten und konkur­rieren damit zumindest theore­tisch mit allen Anwälten bundesweit.

Rein praktisch ist dies zwar für spezia­li­sierte Kanzleien wir uns nur von begrenzter Bedeutung. Doch die Frage, wie Anwälte um Mandate werben dürfen, ist natürlich auch in begrenzten Märkten inter­essant. Ein Urteil des Bundes­ge­richtshof (BGH) vom 2. Juli 2018, AnwZ (Brfg) 24/17, stellt deswegen in dankens­werter Weise noch einmal klar, dass entgegen einer verbrei­teten Ansicht § 43b BRAO es Rechts­an­wälten nicht untersagt, sich direkt an poten­tielle Mandanten zu wenden. Die Norm lautet:

Werbung ist dem Rechts­anwalt nur erlaubt, soweit sie über die beruf­liche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unter­richtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist.“

In dem vom Bundes­ge­richtshof entschie­denen Fall hatte einen Anwalt aber exakt dies getan. Der auf Insol­venz­ver­fahren spezia­li­sierte Rechts­anwalt hatte im Insol­venz­re­gister den Geschäfts­führer einer insol­venten GmbH gefunden und direkt angeschrieben. In dem Schreiben zeigte er die beson­deren Risiken für Geschäfts­führer in Insol­venz­ver­fahren auf und führte aus, dass er sich auf die Beratung in solchen Fällen spezia­li­siert habe. Direkter um eine Einzel­fall­man­da­tierung kann man kaum mehr werben.
Die zuständige Anwalts­kammer sah dies als standes­widrig an und erteilte eine Rüge. Dies ließ der Betref­fende nicht auf sich sitzen. Daraufhin hob die Kammer die Rüge auf und schwächte zu einem beleh­renden Hinweis ab. Gegen diesen ging der Anwalt wiederum vor. In der ersten Instanz blieb seine Klage aller­dings erfolglos. Doch sein Rechts­mittel zum BGH hatte Erfolg. Der BGH kam zum Ergebnis, dass das Werbe­verbot einschränkend auszu­legen sei. Werbung, die sich am tatsäch­lichen Bedarf orien­tiert, ist danach zulässig.
Der BGH trifft aus unserer Sicht mit dieser Entscheidung den Nagel auf den Kopf. Denn der poten­tielle Mandant möchte ja nicht unspe­zi­fisch angesprochen werden. Sondern in genau der Situation, in der er anwalt­lichen Rat braucht. Gerade auch dann, wenn ihm selbst die recht­lichen Risiken seiner Lage nicht vollends bewusst sind, sucht er aber nicht zwangs­läufig dann auch aktiv Rechtsrat. Angebot und Nachfrage in dieser Situation zusam­men­zu­bringen ist nicht nur wirksame Werbung für den Anwalt. Sondern nützt auch dem poten­ti­ellen Mandanten. Wir meinen deswegen: Eine bemer­kens­werte und lebens­prak­tisch sinnvolle Entscheidung.
2018-08-21T22:17:59+02:0021. August 2018|Allgemein|

Anwalt­liche Selbstverwaltung

Auf der einen Seite bin ich Dienst­leis­terin. Wenn Sie beispiels­weise eine Immis­si­ons­s­schutz­ge­neh­migung, mehr Emissi­ons­be­rech­ti­gungen oder Geld von Ihrem Fernwär­me­kunden haben möchten, werde ich loslaufen und bei Behörden, privaten Gegnern oder vor Gericht dafür streiten, dass Sie bekommen, was Sie wollen. Auf der anderen Seite bin ich mehr als das. Gemäß § 1 der Bundes­rechts­an­walts­ordnung bin ich ein unabhän­giges Organ der Rechts­pflege. Ich habe also eine Aufgabe, die weit darüber hinaus reicht, Ihnen oder dem Gericht oder schlicht den Leuten, mit denen Sie sich gerade streiten, zu sagen, dass Sie recht haben und keiner sonst. Wie die Richter oder die Staats­an­walt­schaft bin ich dafür da, den Rechts­staat Bundes­re­publik Deutschland zu garantieren.

Weil das so ist, habe ich einige Privi­legien. Ich habe aber auch einige Verpflich­tungen, die ein normaler Dienst­leister nicht hätte. Rein praktisch spielen diese in meinem Leben keine große Rolle. Ich bin beispiels­weise zu Beratungs­hilfe (§ 49a BRAO) oder Pflicht­ver­tei­digung (§ 49a BRAO) verpflichtet und könnte mich nicht heraus­reden. Rein praktisch gibt es aber zum Glück so viele Kollegen, die so etwas gern und gut machen, dass noch nie jemand mit dem Ansinnen auf mich zugekommen ist, so etwas zu übernehmen. Ich würde auch ganz schön schwitzen. Neben diesen Punkten, die im prakti­schen Leben des mit solchen Mandaten nicht befassten Anwalts keine große Rolle spielen, gibt es aber noch weitere Unter­schiede zu anderen Dienst­leistern, etwa bei der Werbung, aber auch bei vielen anderen Punkten.

Ein ganz gravie­render Unter­schied ist aber: Wir haben eine Selbst­ver­waltung. (Mindestens) einmal im Jahr treffen wir uns in jedem Kammer­bezirk zur Kammer­ver­sammlung, dann werden besonders wichtige Themen disku­tiert, abgestimmt und alle zwei Jahre in Teil des Vorstands neu gewählt. Der Vorstand berät und erteilt Hinweise, organi­siert Veran­stal­tungen, vereidigt neue Mitglieder, übt eine Aufsicht aus und rügt beispiels­weise Mitglieder, die Berufs­pflichten verletzen. In Berlin, wo es rund 14.000 Anwälte gibt, besteht der Vorstand aus 29 Mitgliedern, eins davon bin ich. Jede der Kammern – eine pro Oberlan­des­ge­richts­bezirk – hat vertreten durch ihren Präsi­denten Sitz und Stimme in der Haupt­ver­sammlung der Bundes­rechts­an­walts­kammer, die wiederum ein Präsidium wählt. An ihrer Spitze steht der Präsident.

Wir Anwälte haben für unser Berufs­recht auch eine eigene Gerichts­barkeit, die Anwalts­ge­richts­barkeit, die in erster Instanz, dem Anwalts­ge­richt, ganz aus Anwälten besteht, und in den weiteren Instanzen, dem Anwalts­ge­richtshof und dem Bundes­ge­richtshof in Anwalts­sachen, zumindest zum Teil.

Man kann in den Organen der anwalt­lichen Selbst­ver­waltung alte Zöpfe oder ungerecht­fer­tigte Privi­legien eines manchmal verstaubten Berufs­tandes sehen. Wir haben uns alle über das beA in den vergan­genen Wochen geärgert, gelästert und manchmal gelacht. Ab und zu sitze ich auch Tagungen oder Fortbil­dungs­ver­an­stal­tungen und frage mich, was mich eigentlich mit diesen meist älteren, etwas behäbigen Herren verbindet, und ob wir wirklich Rechts­staat­lichkeit garan­tieren oder in unserer Mehrheit nicht einfach nur einen verhält­nis­mäßig einträg­lichen Beruf ausüben und mit großen Autos und oft noch größerem Ego aus dem Umstand Profit ziehen, dass wir die für den Laien oft undurch­schaubare Rechtslage zumindest etwas besser verstehen als unser Mandant. Schaut man aber in die Türkei, in der derzeit mehr als 400 Anwälte inhaf­tiert sind, so ist – angesichts der vielen Verhaf­tungen an sich essen­tiell – eine vernünftige Vertei­digung oft kaum mehr möglich und mit großen persön­lichen Risiken verbunden. Auch in vielen anderen Ländern unter­liegen Anwälte Repres­sionen. Eine selbst­be­wusste Anwalt­schaft hat damit ihren eigenen, sicht­baren Wert. Doch eine vom Staat unabhängige Selbst­ver­waltung lebt von ihren Mitgliedern, ihren Diskus­sionen, vom Ehrenamt.

Insofern: Opfern Sie Ihre Zeit. Kommen Sie zu den Kammer­ver­samm­lungen. Wenn Sie Berliner sind: Heute nachmittag um 15.00 Uhr in der Urania. Und wenn Sie mich sehen, sagen Sie mir gern hallo. Ich würde mich freuen.

2018-03-07T07:12:08+01:007. März 2018|Allgemein|