Wer immer im Rahmen bleibt, muss nicht im Bilde sein…
Juristen sind bekanntlich oft eher konservativ veranlagt. Wenn nicht politisch, dann doch was ihre Bereitschaft angeht, innovative Konzepte aufzugreifen. Zumal wenn sie nicht der deutschen Rechtswissenschaft, sondern den international geprägten Sozialwissenschaften entstammen. Doch ein Modewort der letzten Jahre hat es verdient, auch von Juristen stärker wahrgenommen zu werden: „das Framing“. Gemeint ist damit, dass Ereignissen oder Themen auf eine mögliche, aber nicht zwingende Weise gedeutet werden. Dies geschieht z.B. dadurch, dass ein Problem auf eine bestimmte Weise so und nicht anders definiert wird, dass bestimmte Ursachen hervorgehoben oder Handlungsmöglichkeiten betont und andere ausgeblendet werden.
Alternativlos sind diese Deutungen so gut wie nie. Aber häufig ist damit schon viel entschieden, auch wenn es so aussieht, als würde nur ein offene Frage gestellt. Um die Sache etwas anschaulicher zu machen, als Beispiel ein zugegeben etwas betagter Witz:
Zwei Novizinnen im Kloster können nicht vom Tabak lassen und rauchen während der Betzeiten. Sagt die eine zur Anderen: „Lass Dich nicht erwischen, die Äbtissin hat verboten, beim Beten zu rauchen.“ Antwortet die Andere gewitzt: „Wenn Du gefragt hättest, ob Du beim Rauchen beten darfst, hätte sie sicher ‚ja‘ gesagt“.
Genau darauf kommt es auch vor Gericht und allgemein in Rechtsstreitigkeiten an. Stimmt das Framing? Stellen wir die richtigen Fragen? Das fängt bei der Sachverhaltsdarstellung an: Was ist relevant? Was darf man weglassen? Was für Tatsachen könnten einen helfen, die nicht selbstverständlich in den Blick genommen werden? Ist ein Kind beispielsweise bei einem Verkehrsunfall plötzlich auf die Straße gesprungen oder konnte es vorm Betreten der Fahrbahn nur nicht gesehen werden, weil falsch geparkte Autos es verdeckten? Dabei geht es nicht darum, Tatsachen bewusst verzerrt darzustellen. Sondern es geht um die Erkenntnis, dass jede Frage und jede Darstellung einen Rahmen setzt. Die Aufgabe der Anwälte ist unter anderem sicherzustellen, dass diese Rahmensetzungen nicht zu Lasten der Interessen ihrer Mandantschaft gehen (Olaf Dilling).