Radentscheid unzulässig
Laut Koalitionsvertrag der Ampelregierung sollten eigentlich durch eine Änderung von Straßenverkehrsgesetz (StVG) und StVO den Ländern und Kommunen mehr Spielräume eingeräumt werden. Bisher wurden aber im Bundesverkehrsministerium offenbar keinerlei Schritte unternommen, diesem Ziel näher zu kommen. Nicht zuletzt wegen des Reformstaus gibt es in den Ländern und Kommunen Überlegungen, den Zielen einer Verkehrswende auch ohne grünes Licht aus Berlin näher zu kommen.
Dazu gehören Entwürfe zu Mobilitäts- und Radverkehrsgesetzen der Länder. Ein Vorbild ist das Berliner Mobilitätsgesetz. Allerdings zeigt der Radentscheid aus Bayern, dass hier auch potentielle juristische Fallstricke lauern. Politisch hatte der Radentscheid als Volksbegehren großen Erfolg. Denn mit 30.000 Unterzeichnern war das erforderliche Quorum von 25.000 Unterschriften satt überschritten worden. Vor dem Bayrischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) ist der Radentscheid, der auf ein Radgesetz abzielte, nun allerdings gescheitert. Das von ihm intendierte Radgesetz sei verfassungswidrig.
Vorgelegt hatte dem BayVerfGH das Bayerische Innenministerium, das nach Artikel 64 Landeswahlgesetz eine Entscheidung des Gerichtshofs herbeizuführen hat, wenn es der Auffassung ist, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung eines Volksbegehrens nicht gegeben sind.
Nun stehen in dem Gesetzesentwurf allesamt eigentlich keine verfassungswidrigen Inhalte:
- So soll bis zum Jahr 2030 den Anteil des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen in Bayern auf mindestens 25 % erhöht werden.
- Dafür soll bei der Planung und dem Neu‑, Um- und Ausbau von Straßen der Fokus künftig auf den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes (Rad- und Fußverkehr sowie ÖPNV) liegen.
- Der Radverkehr soll u. a. mit Radschnellverbindungen gefördert werden, Einbahnstraßen sollen grundsätzlich auch entgegen der Fahrtrichtung für den Radverkehr geöffnet
und es sollen sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder aller Art geschaffen und staat-
lich gefördert werden. - Ein weiteres Ziel ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit für den
Rad- und Fußverkehr unter Verfolgung der „Vision Zero“.
Suspekt war den Verfassungsrichtern, die sich ausdrücklich nicht gegen die politischen Ziele des Volksbegehrens gewandt haben, allerdings ein von ihnen monierter Eingriff in die Kompetenzordnung des Grundgesetzes: Einige der geforderten Regelungen seien solche des Straßenverkehrsrechts. Dem Landesgesetzgeber fehle nach Art. 72 Abs. 1 Grundgesetz die erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Diese bestehe nur für Straßen- und Wegerecht, nicht aber für Straßenverkehrsrecht.
Es sei aber nicht klar, ob die Unterstützer des Volksbegehrens diesem auch zugestimmt hätten, wenn die verfassungswidrigen Regeln nicht darin enthalten gewesen wären. Das zeigt zugleich einen Nachteil von Volksbegehren, da eine Mobilisierung von entsprechend vielen Bürgern nur sehr punktuell möglich ist. Durch die mangelnde Zulassung sind vermutlich zu viele Unterstützer frustriert, so dass ein nachgebessertes Begehren bis auf weiteres wohl nicht zustande kommt. Immerhin wurde das Radgesetz, wenn auch nur in entschärfter Form, nun auch von der Bayrischen Regierungskoalition aufgegriffen. (Olaf Dilling)