Vertrags­be­din­gungen in der Fernwär­me­ver­sorgung: Zu BGH VIII ZR 111/13

Aufgrund der steigenden Preise für Öl und Gas werden in den nächsten Wochen viele Unter­nehmen die Energie­preise anheben, weil ihre Preis­ent­wicklung an die Preis­ent­wicklung der von ihnen verwen­deten Brenn­stoff­träger geknüpft ist. Es ist zu erwarten, dass dies nicht wenige Kunden zum Anlass nehmen werden, um über ihre Verträge noch einmal nachzu­denken. In diesem Zusam­menhang sei an eine wichtige Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs (BGH) vom 15.1.2014 (VIII ZR111/13) erinnert. In dieser Entscheidung ging es um Fernwärme.

Für Fernwärme gilt für die für eine Vielzahl von Verträgen vorfor­mu­lierten Vertrags­muster und ‑bedin­gungen die AVBFern­wärmeV. Sie enthält eine Vielzahl von Regelungen, die das Verhältnis von Fernwär­me­ver­sorger zu Kunden speziell ordnen. Zu diesen Regelungen gehört auch § 32 AVBFern­wärmeV, der eine maximale Laufzeit von Fernwär­me­ver­sor­gungs­ver­trägen von statt­lichen zehn Jahren vorsieht. Und eine Kündi­gungs­frist von immerhin neun Monaten bis Vertragsende, ansonsten verlängert sich das Vertrags­ver­hältnis um jeweils weitere fünf Jahre.

Diese Regelung von § 32 Abs. 1 AVBFern­wärmeV gilt aber nicht immer schon dann, wenn Fernwärme geliefert wird. Der BGH hat in der erwähnten Entscheidung klarge­stellt, dass § 32 Abs. 1AVBFernwärmeV nur das maximale Maß des Möglichen regelt. Aber nicht gilt, wenn keine vertrag­liche Regelung zwischen den Parteien die Vertrags­laufzeit und die Kündi­gungs­frist regelt.

In dem entschie­denen Fall waren keine dies anord­nenden Versor­gungs­be­din­gungen vereinbart worden. Zwar unter­hielt das Fernwär­me­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen allge­meine Versor­gungs­be­din­gungen, die es auch veröf­fent­licht hatte. Diese waren in dem Verhältnis zwischen den Parteien aber nicht einbe­zogen worden. Der BGH erinnerte zu Recht daran, dass dies nur aufgrund einer rechts­ge­schäft­lichen Verein­barung möglich ist. Eine solche sah der BGH aber nicht. Vielmehr hatte das versorgte Unter­nehmen Fernwärme als sogenannter Entnah­me­kunde bezogen. Es war also kein ausdrück­licher Vertrag geschlossen worden. Vielmehr wurde Fernwärme einfach entnommen. 

Für solche Entnahmen gilt gemäß § 2 Abs. 2 AVBFern­wärmeV der für gleich­artige Versor­gungs­ver­hält­nisse geltende Preis. Aber nach Ansicht des BGH eben auch nur dieser. Die sonstigen Versor­gungs­be­din­gungen des Fernwär­me­un­ter­nehmens werden nicht automa­tisch Vertrags­be­standteil. Das ist für viele Einzel­re­ge­lungen misslich, die einem Fernwär­me­ver­sorger wichtig sind. Besonders gilt dies aber für Vertrags­laufzeit und Kündi­gungs­fristen. Preis und Versor­gungs­be­din­gungen sind zwei Paar Schuhe.

In der Konse­quenz hat der BGH das Recht des Kunden bestätigt, solche Verträge jederzeit ohne Einhaltung der neuen Monats­frist zu kündigen. Der BGH hat es in der damaligen Entscheidung offen gelassen, ob eine solche Kündigung von einem Tag auf den anderen zulässig sei, oder eine zweimo­natige Frist, minimal aber eine zweiwö­chige Frist wie bei Strom und Gas gilt. In jedem Fall kommt der Entnah­me­kunde schnell aus seinem Vertrag heraus. Für ein auf langfristige Planungs­si­cherheit angewie­senes Fernwär­me­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen gilt deswegen, dass solche Verträge kritisch zu betrachten sind. Fernwär­me­ver­sorger sind deswegen aufge­rufen, ihre bestehenden Kunden­ver­hält­nisse sorgfältig daraufhin zu überprüfen, wie die Vertragslage eigentlich aussieht. Insbe­sondere dann, wenn versorgte Liegen­schaften mehrfach den Eigen­tümer gewechselt haben, der jeweils neue Eigen­tümer aber gemäß § 32 Abs. 3 AVBFern­wärmeV nicht mitge­teilt wurde, sollte ein Fernwär­me­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen sich um eine Ordnung seiner Vertrags­ver­hält­nisse spätestens jetzt bemühen, wenn die Preise nach einer mehrjäh­rigen Phase der Stabi­lität wieder steigen.