Wer holt den Klärschlamm aus der Falle?
Die Emissionshandelsrichtlinie hat einen Anhang, der die emissionshandelspflichtigen Anlagen aufzählt. Hiernach sind alle Strom- und Wärmeerzeuger mit 20 MW Feuerungswärmeleistung oder mehr emissionshandelspflichtig.
Doch nicht jede Anlage dieser Größe ist dabei. Es gibt Ausnahmen. Eine wichtige Ausnahme bilden Anlagen zur Verbrennung von Siedlungsabfällen. Diese müssen also weder Emissionsberechtigungen abgeben noch Bericht erstatten. Hintergrund: Bei diesen Anlagen fehlt es am Regelungszweck. Die anderen Anlagen sollen ja durch finanzielle Belastungen von Treibhausgasemissionen dazu bewogen werden, diese zu reduzieren, etwa durch einen Brennstoffwechsel. Wer aber wohl oder übel den Müll verwertet, hat wenig Möglichkeiten: Schließlich kann der Abfallentsorger den Leuten vor Ort keine Vorschriften machen, was sie nun wegzuwerfen haben.
Ebenso sieht es mit Klärschlamm aus. Auch hier handelt es sich um Abfall, der schlicht verwertet werden muss, ohne dass Minderungsmöglichkeiten für den Anlagenbetreiber ersichtlich wären. Bisher waren diese Anlagen deswegen auch mit gutem Grund nicht emissionshandelspflichtig, weil sie – wie andere Abfallverwertungsanlagen auch – als vom Emissionshandel befreite Anlagen zur Verbrennung von Siedlungsabfällen und gefährlichen Abfällen angesehen wurden.
Doch für die Zukunft droht Ungemach. Denn die novellierte Abfallrahmenrichtlinie 2018/851 definiert Siedlungsabfälle nun erstmals (gefährliche Abfälle waren schon vorher definiert). Und, siehe da: Klärschlamm ist danach kein Siedlungsabfall. Also auch nicht emissionshandelsbefreit. So weit, so schlecht. Die Teilnahme am Emissionshandel ist ja nicht nur aufwändig und riskant. Sie ist auch angesichts gestiegener Preise zunehmend teuer.
Eine Änderung – wie sie diverse Verbände fordern – ist also sinnvoll. Doch kann der deutsche Gesetzgeber eine klarstellende Regelung ins TEHG aufnehmen? Manche wünschen sich eine so unkomplizierte Regelung. Doch ist dies wirklich realistisch?
Denkt man über nationale Alleingänge in Hinblick auf die Emissionshandelspflicht nach, drängt sich unwillkürlich der Gedanke an die Polymerisationsanlagen der chemischen Industrie auf. Hier stritten vor der derzeit laufenden Handelsperiode Kommission und Bundesrepublik um die Emissionshandelspflicht. Die Deutschen sahen diese Anlagen als nicht teilnahmeverpflichtet an, so dass die vorsorglich für die Anlagen gestellten Zuteilungsanträge zurückgewiesen wurden. Für Wärmemengen, die an diese Anlagen geliefert wurden, sollte an die Wärmeerzeuger zugeteilt werden.
Die Kommission akzeptierte dies nicht. Ihrer Ansicht nach waren Polymerisationsanlagen teilnahmeverpflichtet und die Bundesrepublik nicht befugt, hier auf eigene Faust zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Sie akzeptierte damit die von Deutschland eigentlich vorgesehenen Wärmezuteilungen nicht (vgl. Beschluss 2013/448). Sie leitete gleichzeitig ein Vertragsverletzungsverfahren ein. In der Konsequenz bekam zunächst niemand eine Zuteilung für diese an die Polymerisationsanlagen gelieferten Wärmemengen, obwohl die Erzeuger natürlich abgeben mussten.
Nach langem Streit und trotz erfolgreicher gerichtlicher Auseinandersetzungen gab Deutschland klein bei. Seit dem gerade noch laufenden Jahr sind auch die Polymerisationsanlagen offiziell dabei. Die Bundesrepublik hat ihren Katalog der emissionshandelspflichtigen Anlagen geändert.
Um ein Fazit zu ziehen: Für die Bundesrepublik hat dieser Alleingang erhebliche Aufwände verursacht. Und war letztlich trotz gerichtlicher Etappensiege erfolglos. Für die betroffenen Anlagenbetreiber bedeutete dies aber eine mehrjährige Phase der Unsicherheit. Übertragen auf die schwierige Situation der Klärschlammverbrennung spricht angesichts dieser Erfahrungen viel dafür, nicht das TEHG zu ändern, sondern, wie das BMU hofft, einen Hinweis der Kommission oder eine Änderung der Emissionshandelsrichtlinie anzustoßen.