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Das Ende der Gasspei­cher­umlage im Vertrieb: Ein neuer § 35g Abs. 7 EnWG

Dass die Gasspei­cher­umlage entfallen soll, ist keine Überra­schung. Dies ist im Koali­ti­ons­vertrag der neuen Bundes­re­gierung angelegt. Dort, wo die Umlage – wie in den meisten Gaslie­fer­ver­trägen – mit dem Verbrauch wie andere Umlagen auf den Preis aufge­schlagen wird, ist ihr Wegfall für die Vertriebe kein Problem, zumindest dann nicht, wenn ihnen genügend Zeit für die Umsetzung bleibt. Nach einem neuen § 35g Abs. 7 EnWG, der derzeit im Entwurf vorliegt, soll die Umlage bereits zum 1. Januar 2026 entfallen. Das bedeutet, dass der Gesetz­geber sich beeilen muss, um den Unter­nehmen ausrei­chend Zeit für Preis­kal­ku­lation und Kunden­mit­tei­lungen einzuräumen.

Die Bundes­re­gierung will jedoch auch dieje­nigen Preise um die Gasspei­cher­umlage senken, in denen diese nicht gesondert ausge­wiesen, sondern in den Gesamt­preis einkal­ku­liert wurde. Der bereits erwähnte Absatz 7 enthält in Satz 2 eine Regel­ver­mutung, wonach die Umlage in die Kalku­lation einge­flossen sein soll und daher der Preis entspre­chend zu reduzieren sei, es sei denn, der Verant­wort­liche kann nachweisen, dass dies nicht der Fall ist. Wem gegenüber dieser Nachweis zu erbringen ist, ist nicht ausdrücklich geregelt. Der amtlichen Begründung ist zu entnehmen, dass die Bundes­netz­agentur stich­pro­ben­artig kontrol­lieren kann. Im Übrigen dürfte es am Käufer liegen, eine entspre­chende Behauptung zu hinter­fragen und den Nachweis zu prüfen. Wie dieser Nachweis konkret aussehen könnte, bleibt aller­dings offen. Viel spricht dafür, dass es sich um Einzel­fälle handelt, etwa ältere Fixpreis­ver­träge, die nachweislich nicht um die Gasspei­cher­umlage erhöht wurden, oder trans­pa­rente kalku­la­to­rische Grund­lagen, die Bestandteil des Vertrags geworden sind.

Abgesehen von der heftig umstrit­tenen Frage, ob es überhaupt möglich ist, die Gasspei­cher­umlage aus dem Klima- und Trans­for­ma­ti­ons­fonds zu bezahlen, ohne mit dem Verfas­sungs­recht zu kolli­dieren, sind die anste­henden Schritte den Vertriebs­un­ter­nehmen aus den vergan­genen Jahren gut bekannt. Dass immer wieder neue Umlagen hinzu­kommen oder entfallen, ist inzwi­schen gängige Praxis.
Es ist zuletzt auch nicht erstaunlich, dass die Bundes­re­gierung sich einen trans­pa­renten Ausweis der Reduzierung wünscht – so auch in § 35g Abs. 7 Satz 4 EnWG‑E –, schließlich möchte sie ihren Wählern nachweisen, dass sie die Ankün­di­gungen aus dem Koali­ti­ons­vertrag auch tatsächlich umsetzt. Ob dies von den Bürgern überhaupt wahrge­nommen wird, steht jedoch angesichts der aktuellen Infor­ma­ti­onsflut in Gasab­rech­nungen in den Sternen. Wir hätten da ja so eine Vermutung (Miriam Vollmer).

2025-08-08T18:48:46+02:008. August 2025|Energiepolitik, Gas, Gesetzgebung, Vertrieb|

Rechts­kon­forme Gestaltung(en) von Radfahrstreifen

Im geregelten deutschen Straßen­verkehr hat das Radfahren von allen Verkehrs­arten wohl am ehesten den Ruch von Freiheit und Anarchie. Gerade in Städten bieten Fahrräder aufgrund ihres geringen Raumbe­darfs ihren Nutzern viel mehr Freiheits­grade als andere, volumi­nösere Fahrzeuge. Und was die Anarchie angeht: Wenn man sich Statis­tiken über Unfall­ver­ur­sa­chung und Verschulden ansieht, liegt das vielleicht gar nicht so sehr an den Radfahrern, auch wenn ihnen notorische Regel­ver­stöße nachgesagt werden. Es liegt oft schlicht daran, dass es im Zusam­menhang mit dem Radverkehr viele Regeln und Ausnahmen gibt, die kaum bekannt sind und die nicht immer klar kommu­ni­ziert werden. Zum Beispiel sind die Regeln über das Fahren auf der Fahrbahn kaum bekannt, das trotz vorhan­denem Radweg oft erlaubt ist oder die über das Von-Rechts-Überholen von wartenden Kfz-Schlangen.

Für Verun­si­cherung sorgt mitunter auch die mangelnde Standar­di­sierung von Fahrrad­in­fra­struktur: So sind Radfahr­streifen, also Radwege, die nicht baulich durch einen Bordstein von der Fahrbahn getrennt sind, nicht nur inter­na­tional, sondern auch innerhalb Deutsch­lands oft unter­schiedlich ausge­staltet. Ähnliches gilt für Schutz­streifen, die Teil der Fahrbahn sind.

Was die Markie­rungen angeht, sind beide, Radfahr­streifen und Schutz­streifen relativ klar geregelt. Schutz­streifen für den Radverkehr sind ebenso wie Mittel­streifen zwischen den Fahrbahnen mit einer Leitlinie (Zeichen 340) markiert (vgl. VwV-StVO). 

doppelseitig befahrbarer Fahrradstreifen

Auch was einfache, ungeschützte Radfahr­streifen angeht, ist die Frage der Markierung relativ unkon­trovers: Der Radfahr­streifen gilt als Sonderweg und damit als Straßen­be­standteil, aber nicht als Teil der Fahrbahn. Daher reicht an sich eine Fahrstrei­fen­be­grenzung (Zeichen 295), die laut Anlage 1 zur StVO auch zur Begrenzung von Fahrbahnen und Sonder­wegen genutzt wird. Oft wird bei Parkstreifen, die rechts von Radfahr­streifen liegen, noch ein Schutzraum erfor­derlich, der ebenfalls mit einer durch­ge­zo­genen (bzw. bei Schutz­streifen: gestri­chelten) Linie markiert wird (dies findet sich auch in der aktuellen Version der Empfeh­lungen für Radver­kehrs­an­lagen, ERA, der FGSV).

Markie­rungen sind nach § 39 Abs. 5 Satz 2 StVO grund­sätzlich weiß. Nur als vorüber­ge­hende Markie­rungen, z.B. bei Baustellen sind sie in gelb ausge­führt und heben dann die weißen Markie­rungen auf. 

Schwie­riger ist es mit farbliche Kennzeich­nungen und Pikto­grammen, die in der Regel kein Anord­nungen treffen, sondern einfach zusätzlich die Aufmerk­samkeit lenken sollen. Hier gibt es sowohl inter­na­tional und europaweit als auch innerhalb Deutsch­lands ganz unter­schied­liche farbliche und grafische Gestal­tungen. Dazu gibt es sogar eine relativ neue Studie aus Italien. In vielen Ländern wird zur farblichen Kennzeichnung von Radwegen und Radfahr­streifen „rot“ verwendet, so in vielen Europäi­schen Ländern, in anderen, etwa in Nordamerika, Island, GB, Frank­reich „grün“, in wieder anderen „blau“, Chile, Italien, Türkei und z.T. Dänemark und Japan. In Deutschland können laut ERA in Kreuzungs­be­reichen und anderen Konflikt­zonen Fahrradwege zur besseren Sicht­barkeit rot einge­färbt sein. Auf der Strecke gibt es dagegen eine grüne Begleit­kenn­zeichnung in Form eines grünen Beistrichs. Sinnvoll ist es, auf blaue Farbe zu verzichten, da sie nach dem Wiener Überein­kommen über Straßen­zeichen und ‑signale für Markie­rungen für das Parken vorbe­halten sein sollte (und wenn jemand meint, dass die Farbe von Radwegen ein unwich­tiges, quasi kosme­ti­sches Detail sei: Es gab es zur grünen Einfärbung von Radwegen in Berlin 2019 sogar eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag).

In den ERA steht aktuell übrigens, dass die Einfär­bungen der Oberfläche von Radver­kehrs­an­lagen rechtlich keine Bedeutung haben. Das ist zutreffend, denn es handelt sich nicht um eine Markierung mit Regelungs­gehalt. Es geht bloß darum, auf bereits getroffene und auf andere Weise kommu­ni­zierte Anord­nungen („rein dekla­ra­to­risch“) hinzu­weisen. Dies gilt genauso für den grünen Beistrich: Auch dieser ist eine „Straßen­be­malung“ ohne recht­liche Relevanz, aber mitunter wichtiger Signalfunktion.

Auch Verkehrs­ein­rich­tungen oder bauliche Trenn­ele­mente von den sogenannten „Protected Bike-Lanes“ sind in Deutschland bisher nicht ausrei­chend standar­di­siert. Das kann zu Gefahren führen. Denn Radfahrer, Kraft­fahrer und querende Fußgänger sind vom Verkehrs­ge­schehen oft so absor­biert, dass sie niedrige, aber dennoch erhabene Gestal­tungs­ele­mente leicht übersehen. Laut einer Entscheidung des VG Düsseldorf (Beschluss vom 25.02.2025 – 6 L 3858/24), die im Wesent­lichen vom OVG bestätigt wurde, sollen Trenn­ele­mente daher unzulässig sein, da sie in der StVO nicht vorge­sehen sind. Diese Entscheidung ist fragwürdig, da sie die Möglich­keiten baulicher Gestaltung auf Grundlage des Straßen­rechts und außerhalb der markierten Fahrbahn ignoriert. Die Trenn­ele­mente sind außerdem oft entscheidend, um zu verhindern, dass Kraft­fahrer den Radfahr­streifen mitbe­nutzen. Insbe­sondere an Engstellen und in Kurven werden Markie­rungen zur Fahrbahn­be­gren­zungen sonst regel­mäßig ignoriert.

Wichtig ist, dass die Elemente sich außerhalb der Fahrbahn, bzw des Sonderwegs befinden. Daher wird mitunter eine doppelte Fahrstrei­fen­be­grenzung (Zeichen 295) markiert. Laut der genannten Verwal­tungs­ge­richts­ent­scheidung ist auch dies unzulässig, da dies lt. StVO nur zur Abtrennung des Gegen­ver­kehrs vorge­sehen sei. Praktisch lässt sich hier leicht durch Markierung einer Sperr­fläche (Zeichen 298) Abhilfe schaffen.

Es ist im Übrigen zu begrüßen, dass die Bundes­an­stalt für Straßen- und Verkehrs­wesen aktuell einen Forschungs­auftrag ausge­schrieben hat, der die Anfor­de­rungen an sichere Trenn­ele­mente prüfen und Anfor­de­rungen an Prüfkri­terien entwi­ckeln soll. Ein paar recht­liche Fragen dürften in dem Zusam­menhang auch zu klären sein, insbe­sondere mit Blick auf die „flankie­renden“ Markie­rungen, ihre Eigen­schaft als Verkehrs­ein­rich­tungen und die daraus folgenden recht­lichen Konsequenzen.

Auch die ERA werden aktuell übrigens überar­beitet. Die neue Version soll im nächsten Jahr erscheinen. Es ist also zu hoffen, dass in den nächsten Jahren, viele Anfor­de­rungen an die Gestaltung von Radfahr­streifen geklärt werden. (Olaf Dilling)

2025-08-05T18:33:03+02:005. August 2025|Allgemein, Verkehr|

Bewäl­tigung von Konflikt­lagen beim „Mitein­ander im Verkehr“. Zum Beispiel Kantstraße

An sich wollte die Regierung in Berlin für ein neues Mitein­ander im Verkehr eintreten. Ziel sollte eine Politik für alle Verkehrs­teil­nehmer sein. Nach mehr als zwei Jahren ist die Bilanz nicht bloß kümmerlich, sondern es wurde einseitig der Kfz-Verkehr gefördert. Insbe­sondere der Schutz vulnerabler Verkehrs­teil­nehmer wurde vernach­lässigt. Bereits fortge­schrittene Planungen für Radverkehr wurden gestoppt, Tempo 30 wurde zurück­ge­nommen, die Beruhigung von Quartieren durch Kiezblocks ausgebremst.

Nun galt zu Zeiten der Massen­mo­to­ri­sierung das Auto poten­tiell für alle Bürger als das Verkehrs­mittel der Wahl. In Berlin gibt es jedoch deutlich rückläufige Tendenzen: Mit Kfz werden nur noch gut 20% der Wege zurück­gelegt. Außerdem kamen im Jahr 2022 nur noch 319 Kfz auf 1000 Einwohner, wobei der Anteil im Stadt­zentrum geringer und in den äußeren und reicheren Bezirken wie Steglitz-Zehlendorf besonders hoch ist.

Dass zugunsten des Kfz-Verkehrs andere Verkehrs­be­lange gegen­ein­ander ausge­spielt werden, zeigt sich aktuell besonders deutlich in der östlichen Kantstraße in Charlot­tenburg: Dort soll ein seit einigen Jahren vorhan­dener Radfahr­streifen geopfert werden. Statt­dessen soll der bisher links des Radfahr­streifens liegende Parkstreifen verlegt werden. Auf dem freiwer­denden Streifen soll eine Busspur mit Freigabe für Radverkehr entstehen. Als Begründung dafür wird vor allem die Rettungs­si­cherheit angeführt, da die Feuerwehr beim Aufstellen der Rettungs­leiter bisher Schwie­rig­keiten hatte. 

Postkarte der Kantstraße von ca 1900 mit Hochbahn im Hintergrund und Straßenbahnschienen, zahlreichen Fußgängern und Radfahrern, aber ohne Kfz auf der Fahrbahn.

(Überwiegend Fuß- und Radverkehr, aber noch keine Probleme für die Feuerwehr: Kantstraße um 1900, Foto: Kunst­verlag J. Goldiner)

Nun hat ein geschätzter Anwalts-Kollege jüngst in einem Rechts­gut­achten für die Deutsche Umwelt­hilfe klarge­stellt, dass der Fahrradweg unver­zichtbar sei. Denn aufgrund des hohen Aufkommens von Radverkehr entspricht eine Führung im Misch­verkehr nicht den techni­schen Anfor­de­rungen (laut den Empfeh­lungen für Radver­kehrs­an­lagen, ERA). Auf dem voraus­sichtlich zu schmalen Busstreifen würden sich vielmehr beide Verkehr­arten gegen­seitig behindern, so dass entspre­chende Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs vorher­sehbar sind.

Dass der ruhende Kraft­verkehr aus der Abwägung dennoch als „lachender Dritter“ hervorgeht, ist bei näherer Betrachtung das Resultat eines falschen „Framings“, einer limitierten Auswahl der Handlungs­op­tionen bei der Ermes­sens­aus­übung. Denn die Rettungs­si­cherheit müsste an sich kein Grund dafür sein, den Radfahr­streifen abzuschaffen. Der Konflikt besteht nämlich gar nicht mit dem Radfahr­streifen, der sich so einrichten ließe, dass er für Rettungs­fahr­zeuge befahrbar ist. Das Problem für die Feuerwehr sind vielmehr die parkenden Autos. Das könnte entweder dadurch entschärft werden, dass der Parkstreifen ganz abgeschafft wird oder indem er auf die linke Fahrspur verlegt wird, also direkt an den Mittel­streifen, wo er ebenfalls der Feuerwehr nicht im Weg wäre.

Wenn die Berliner Verwaltung tatsächlich allen Verkehrs­arten gerecht werden will, muss die Abwägung daher nicht zwischen Gefahren aufgrund der Rettungs­si­cherheit und Gefahren für den Radverkehr erfolgen. Vielmehr geht es um eine umfas­sendere Abwägung zwischen Rettungs­si­cherheit sowie Verkehrs­si­cherheit einer­seits und den Belangen des ruhenden Verkehrs anderer­seits. Es liegt eigentlich auf der Hand, wie diese Abwägung am Ende ausgehen dürfte: Die Parkplätze müssen weichen.

Dafür muss man noch nicht mal in den viel zu selten beach­teten § 25 Berliner Mobili­täts­gesetz gucken. Dort heißt es unter der Überschrift „Bewäl­tigung von Konflikt­lagen bei der Umsetzung von Maßnahmen“ in Abs. 2 Nr. 3, dass der Vorrang des fließenden vor dem ruhenden Verkehr bei Abwägungs­ent­schei­dungen zu berück­sich­tigen ist. Das ist ein durchaus sinnvoller Grundsatz. Denn allzuoft müssen in Berlin Busse, Kfz und Radfah­rende warten, weil Parkplätze so angeordnet sind, dass die Fahrbahn verengt ist. Man könnte fast denken, dass den Kraft­fahrern und ihrem verlän­gerten politi­schen Arm die Parkplätze in Berlin wichtiger seien, als die Befahr­barkeit der Fahrbahnen. (Olaf Dilling)

 

2025-07-28T11:02:43+02:0028. Juli 2025|Allgemein, Kommentar, Verkehr|